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Biologie – faszinierende Lebensvielfalt

Noch vor gut zwei Jahrhunderten war es für den gebildeten europäischen Menschen selbstverständlich, dass Leben aus dem Nichts entsteht – zum Beispiel in verrottendem Fleisch. Seltsame Dämpfe und eine eigenartige »Lebenskraft« als Antrieb aller biologischen Vorgänge beherrschten die Vorstellungswelt der abendländischen Wissenschaft. Dies fußte durchaus auf Beobachtungen und war auch nachprüfbar – aus heutiger Sicht aber dennoch von Grund auf falsch. Das trifft genauso auf die Ergebnisse und Kenntnisse zu, zu denen Forscher in anderen Kulturen gelangten. Mit dem Einsatz von heute selbstverständlichen Beobachtungs- und Untersuchungsgeräten wie dem Mikroskop kam es ab dem 17. Jahrhundert zu großen Umwälzungen in der Biologie. Antike und mittelalterliche Vorstellungen wurden nach und nach durch das sich herausbildende moderne Gebäude der Biologie mit ihren neu entstandenen Teilgebieten wie Molekularbiologie, Ökologie oder Genetik ersetzt.

Aus Beobachtungen der Natur schuf Carl von Linné beispielsweise ein Ordnungssystem, das bis heute Bestand hat. Fossilfunde und der Vergleich verwandter Arten motivierten Darwin zu seiner epochalen Evolutionstheorie, Gregor Mendels als Liebhaberei abgetane Kreuzungsversuche leiteten das Zeitalter der Genetik ein. Auch in heutiger Zeit gibt es große Umwälzungen. Der vorläufige Abschluss des Humangenom-Projekts, in dem das gesamte menschliche Erbgut entschlüsselt wird, fand weltweite Beachtung weit über Fachkreise hinaus.

Die Biologie selbst entwickelt sich immer weiter. Wurde früher nur beobachtet und katalogisiert, so sind heute ausgeklügelte Experimente möglich, die weit über die Kreuzungsversuche früherer Jahrhunderte hinausgehen – etwa die gezielte Veränderung des Erbguts von Organismen. Dies wirft neue wissenschaftliche und ethische Fragen auf, die teilweise über die Biologie hinaus die ganze Gesellschaft betreffen.

Leben: Das organisierte Chaos

Was unterscheidet Lebewesen von toter Materie?

Im Wesentlichen sechs Merkmale: 1. Individualität und Gestalt, 2. Wachstum und Entwicklung des Individuums, 3. Stoffwechsel und Energieverbrauch, 4. Bewegung und Reaktion auf Reize, 5. Fortpflanzung und Vererbung, 6. Entwicklung der Art (Evolution).

Jedes Wesen hat eine charakteristische Gestalt, die trotz individueller Abweichungen typisch für alle seine Artgenossen ist. Zwischen dem Aussehen von Körperteilen und ihren Funktionen besteht oft ein enger Zusammenhang. So ähneln sich beispielsweise die Grabbeine von Maulwurf und Maulwurfsgrille nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrer Funktion: Sie sind zum Graben geeignet.

Durch Wachstum und Entwicklung verändern sich Lebewesen tief greifend. Besonders deutlich ist dies bei Insekten, deren Existenz als Larve und Puppe sich von ihrem Leben als Vollinsekt völlig unterscheidet. Ist ein Organismus erwachsen, setzt der Alterungsprozess ein, der schließlich mit dem Tod endet.

Wachstum und Entwicklung benötigen Energie, die einem Organismus von außen zugeführt werden muss. Lebewesen gewinnen sie entweder aus der Nahrung oder, wie die Pflanzen, aus anderen Energieformen. In Stoffwechselprozessen werden die aufgenommenen Stoffe so umgewandelt, dass der Organismus sie verwerten kann.

Leben ist immer mit Bewegung verbunden. Selbst Pflanzen, die fest verwurzelt am selben Ort verharren, bewegen sich aktiv, beispielsweise, indem sich Blätter und Sprosse zum Licht wenden. Bewegung kann auch durch mechanische Reize von außen ausgelöst werden wie bei der Mimose.

Lebewesen haben Nachkommen. Der Mensch gibt sein Erbgut ausschließlich geschlechtlich, also durch Verschmelzung von Ei- und Samenzellen weiter. Dabei kommt es gleichzeitig zu einer Neukombination des Erbguts. Die ungeschlechtliche Fortpflanzung ist sowohl bei Pflanzen (Teilung, Knospung oder über Ableger) als auch bei Tieren (Teilung, Knospung) zu finden. Bei der Fortpflanzung bleiben die charakteristischen Eigenschaften einer Art erhalten und werden auf die Nachkommen übertragen: Sie werden vererbt.

Die Arteigenschaften müssen jedoch nicht konstant bleiben, sondern können sich im Laufe von Generationen verändern. Die Entwicklung der Arten sorgt u. a. dafür, dass sich Organismen an ihren Lebensraum und an andere Lebewesen anpassen und so als Art überleben können. Gelingt dies nicht, stirbt die Art aus. Alle heute existierenden Arten sind das Ergebnis einer viele Millionen Jahre dauernden stammesgeschichtlichen Entwicklung, der Evolution.

Wie organisiert sich das Leben?

Durch eine äußerst komplexe Ordnung. Man unterscheidet verschiedene Strukturebenen, die durch steigende Komplexität gekennzeichnet sind. Ganz unten stehen die Atome und Moleküle, die zweite Ebene bilden die Zellorganellen, also Funktionseinheiten (wie Zellkern und Mitochondrien) innerhalb von Zellen. Die kleinste lebensfähige Einheit ist die Zelle (Ebene drei). Aus Zellen setzen sich die Gewebe zusammen, verschiedene Gewebe bilden ein Organ und mehrere Organe wirken in Organsystemen und schließlich im Organismus zusammen. Die oberste Ebene ist die Lebensgemeinschaft: das Zusammenleben von Organismen verschiedenster Arten.

Wie trotzt das Leben ständig wechselnden Umweltbedingungen?

Lebewesen sind offene Systeme, deren Kennzeichen die Fähigkeit der Regulation ist. Das heißt, ein Organismus ist in der Lage, den eigenen Zustand wahrzunehmen, diesen mit einem für ihn optimalen Wert zu vergleichen und notfalls Korrekturen vorzunehmen. Auf diese Weise kann er trotz wechselnder Umwelteinflüsse einen stabilen Zustand aufrechterhalten.

Als offene Systeme sind Lebewesen auf den Austausch von Stoffen und Energie mit ihrer Umwelt angewiesen. Dabei gleichen sie Schwankungen in der Aufnahme und beim Verbrauch der Stoffe so aus, dass deren Konzentration weitgehend konstant bleibt. Die Körpertemperatur des Menschen ist ein Beispiel für einen solchen ausbalancierten Zustand: Auch wenn dem Körper kalte oder heiße Nahrung zugeführt wird oder die Außentemperatur steigt oder fällt, liegt die Körpertemperatur immer bei etwa 37°C.

Wussten Sie, dass …

ein erwachsener Mensch aus 10–100 Billionen einzelnen Zellen besteht?

es zwar noch keinen sicheren Beweis für Leben außerhalb der Erde gibt, aber verschiedene Biomoleküle bereits in kosmischen Gaswolken nachgewiesen wurden?

über die Hälfte aller bekannten Tierarten zur Gruppe der Käfer gehört?

bestimmte Mikroorganismen nur in konzentrierter Säure bei fast 100 °C gedeihen?

Viren keine Lebewesen sind, weil sie sich nicht selbst vermehren können?

die Masse aller Bakterien auf der Erde in etwa genauso groß ist wie die aller Tiere, Pflanzen und Pilze zusammen?

eine Eiche bis zu 60 000 Blätter haben kann?

Bambus 90 cm am Tag wachsen kann?

Leben aus dem Reagenzglas?

In einem berühmten Experiment wies der US-Amerikaner Stanley L. Miller 1953 nach, dass aus anorganischen Stoffen komplexe Biomoleküle entstehen können. Er füllte Wasser in einen Gasballon und schichtete darüber Methan, Ammoniak und Kohlendioxid – Gase, wie sie in der Ur-Atmosphäre der Erde vor etwa vier Milliarden Jahren zu finden waren. Durch Erhitzen und elektrische Entladungen bildeten sich in dieser selbstgekochten »Ursuppe« Aminosäuren, Zucker und Fettsäuren.

Die fünf Reiche: Ein Ordnungsversuch

Gibt es eine Ordnung in der belebten Welt?

Ja, aber bislang konnte sich die Wissenschaft noch nicht auf ein verbindliches System festlegen.

Eine lange Zeit gängige Einteilung ging von fünf Reichen aus, die auf drei Ebenen organisiert sind: Das erste Reich bilden die Einzeller ohne echten Zellkern, die man auch Prokaryonten nennt (»Vorkernige«). Im zweiten Reich sind die Einzeller mit Zellkern versammelt, hier sind sowohl pflanzliche als auch tierische Formen zu finden. Einzeller mit Zellkern und alle Vielzeller bilden zusammen die Gruppe der Eukaryonten (»Echtkernigen«). Die übrigen drei Reiche bilden die dritte Ebene und umfassen die Vielzeller Pilze, Pflanzen und Tiere.

Ein anderes, neueres systematisches Modell teilt alle Lebewesen in drei Domänen: Bacteria, Archaea und Eucarya. Bacteria (Bakterien oder auch »Eubakterien« – echte Bakterien) sind relativ einfache Zellen ohne Zellkern. Zu ihnen gehören so bekannte Krankheitserreger wie Salmonellen oder das Diphtheriebakterium. Archaea (früher: Archaebakterien) haben wie Bakterien keinen Zellkern, unterscheiden sich aber in ihrem Stoffwechsel mindestens so sehr von den Bakterien wie von Tieren und Pflanzen. Viele Archaea besiedeln extreme Lebensräume wie heiße und saure Quellen, Salzseen oder antarktisches Eis und ähneln möglicherweise den ältesten Lebewesen am stärksten. Bakterien und Archaea bildeten im älteren Modell zusammen die Gruppe der Prokaryonten.

Die dritte Domäne schließlich sind die Eucarya, die früheren Eukaryonten. Ihre Zellen sind größer und komplexer und haben neben einem Zellkern weitere Bestandteile mit eigenen Funktionen. Zu den Eucarya gehören Einzeller wie Hefen und Pantoffeltierchen (als Beispiele für niedere Pilze und Protozoen, »tierische Einzeller«), Pilze, Algen sowie höhere Pflanzen und Tiere.

Was haben alle Pflanzen gemeinsam?

Gemeinsames Merkmal aller Pflanzen ist die Ausbildung eines Embryos oder Keimlings. Bei Moosen und Farnen entsteht er innerhalb der weiblichen Geschlechtsorgane, bei den Samenpflanzen im Samen, wo er sich nach der Keimung zur Keimpflanze entwickelt. Weiterhin können Pflanzen Fotosynthese betreiben, also mithilfe von Licht aus Kohlendioxid und Wasser organische Moleküle aufbauen. Diese Fähigkeit besitzen aber auch einige Prokaryonten, insbesondere die so genannten Cyanobakterien, die man früher Blaualgen nannte.

Übrigens lassen sich die Pflanzen in nur wenige Gruppen klassifizieren: Algen, Moose und Farne werden auch als »niedere Pflanzen« bezeichnet. Die höheren Pflanzen oder Samenpflanzen werden in »Nacktsamer« (dies sind vor allem die Nadelbäume) und »Bedecktsamer« unterschieden. Letztere schließlich setzen sich aus den Einkeimblättrigen (Gräser, Getreide, Lilien, Orchideen und Palmen) und den Zweikeimblättrigen (Rosen, Laubbäume, Sonnenblumen und Unzählige mehr) zusammen. Zu welcher der beiden Gruppen eine Samenpflanze zählt, ist leicht zu überprüfen: Erscheint wie beim Grashalm zuerst ein einzelnes Blatt aus dem keimenden Samen, dann ist es einkeimblättrig. Aus einer Kastanie dagegen kommt ein Blätterpaar zum Vorschein, sie ist also zweikeimblättrig.

Welches ist die bedeutendste Gruppe der Tierwelt?

Die Insekten. Die Biologie teilt die Tierwelt in mehr als zehn Stämme auf, deren Arten jeweils einen gemeinsamen Bauplan aufweisen. So haben die Stachelhäuter (Seesterne und Seeigel) eine fünfzählige Symmetrie und die Wirbeltiere ein inneres Skelett mit einer Wirbelsäule. Der Stamm der Gliederfüßer (u. a. Insekten, Spinnen, Krebse) stellt allein drei Viertel aller bekannten Tierarten, und diese wiederum sind zum allergrößten Teil Insekten. Auf jede Säugetierart kommen mindestens 200 Insektenarten!

Insekten besitzen wie alle Gliederfüßer gegliederte Beine und ein chitinhaltiges Außenskelett, ihr Körper ist in Kopf, Brust und Hinterleib eingeteilt. Ihre Sinnesorgane sind hoch entwickelt (Facettenauge). Typisch für die meisten Insekten ist darüber hinaus, dass sie über drei Beinpaare und ein Paar Antennen verfügen. Viele Arten haben ein bis zwei Paar Flügel, die aus Hautfalten des Chitinpanzers entstanden sind. Bekannte Ordnungen sind Libellen, Heuschrecken, Schmetterlinge, Käfer, Zweiflügler (Stubenfliegen, Mücken) und Hautflügler (Ameisen, Bienen, Wespen).

Kann ein Wesen zwei Reichen zugleich angehören?

Ja. Die langsam wachsenden Flechten, die u. a. auf Steinen oder alten Hausdächern zu finden sind, sehen zwar aus wie Moose, sind aber in Wirklichkeit eine Lebensgemeinschaft aus ganz unterschiedlichen Partnern: einem Pilz, der Wasser und Mineralstoffe speichert, und einer Alge oder Cyanobakterie, die per Fotosynthese für den Nachschub an Nährstoffen sorgt. Während der Pilzpartner nicht allein lebensfähig ist, können Alge und Cyanobakterie in der Regel sich auch allein behaupten. Die Vermehrung kann sowohl gemeinsam als auch unabhängig vom Partner geschehen. Man schätzt, dass über 25 000 Pilzarten in Flechten leben, das ist ein Fünftel aller bekannten Pilzspezies.

Sind Pilze Pflanzen?

Nein. Pilze sitzen zwar wie Pflanzen fest im Boden, können aber anders als diese keine Fotosynthese betreiben. Stattdessen sind sie wie Tiere (und Menschen!) darauf angewiesen, die organische Substanz anderer Lebewesen zu verwerten.

Wussten Sie, dass …

viele Pilze echte Helfer des Menschen sind, andere aber lästige oder sogar gefährliche Krankheiten hervorrufen?

abgestorbene Einzeller als Kieselgur ein gutes Schleifmittel liefern?

Kohle aus Farnen und Schachtelhalmen der Urzeit entstanden ist?

Tausendfüßler höchstens 700, oft sogar viel weniger Beine besitzen?

Evolution: Das Werden der Vielfalt

Wie kam Darwin auf die Idee seiner Evolutionslehre?

Charles Darwins (1809 bis 1882) Theorie über die Entwicklung der Arten basierte vor allem auf dem Material, das er während einer Forschungsreise mit dem Vermessungsschiff »Beagle« sammelte. Diese führte ihn unter anderem zu den Galapagosinseln. Dort trugen seine Beobachtungen an den dort vertretenen Finkenarten, später ihm zu Ehren Darwinfinken genannt, und an den Unterarten der Meerechse zu seiner Idee bei, dass Arten sich durch natürliche Auslese (Selektion) entwickeln und aussterben. Aber auch Fossilfunde dienten ihm dazu als Beleg.

Weiterhin hatte Darwin festgestellt, dass alle Arten wesentlich mehr Nachkommen erzeugen, als für die Erhaltung der Art erforderlich wären. Da trotzdem der Bestand einer Art in einem bestimmten Lebensraum (auch Population genannt) auf längere Zeit relativ konstant bleibt, müssen viele dieser Nachkommen zugrunde gehen. Deshalb nahm Darwin an, dass die Überproduktion unter den Mitgliedern einer Population zu einem »Kampf ums Dasein« führt. Diesen Kampf überleben nur diejenigen Individuen, die am besten an die herrschenden Umweltbedingungen angepasst sind. Darwin prägte hierfür den englischen Begriff »survival of the fittest« (Überleben der Tauglichsten).

Ebenso hatte Darwin beobachtet, dass die Individuen einer Art einander nie vollkommen gleich sind, sondern mehr oder weniger große Unterschiede in Körperbau und Verhalten aufweisen, die sich manchmal positiv, manchmal negativ auf Überleben und Fortpflanzungserfolg auswirken. Den gesamten Prozess bezeichnete Darwin als natürliche Auslese oder Selektion, die über viele Generationen hinweg zur Veränderung der Arten führt. Da die jeweils am besten angepassten Tiere oder Pflanzen am ehesten überleben, ist die Wahrscheinlichkeit für die Weitervererbung ihrer Merkmale am größten. Darwin brachte auch Beispiele dafür, dass verschiedene Arten von gemeinsamen Vorfahren abstammen. Unter anderem führte er die Beobachtungen an, dass sich Embryonen von Arten, die sich im erwachsenen Zustand stark voneinander unterscheiden, außerordentlich ähneln und dass trotz unterschiedlicher Lebensweise häufig gemeinsame Merkmale im Bauplan der Lebewesen auftreten.

Hatte Darwin Vorgänger?

Ja. Vor Darwin wurde die Diskussion um die Entwicklung der Lebewesen vor allem von zwei Theorien beherrscht: der Katastrophentheorie von Georges Cuvier (1769 bis 1832) und der Abstammungslehre von Jean-Baptiste de Lamarck (1744 bis 1829).

Der französische Zoologe Georges Cuvier beschäftigte sich unter anderem mit Fossilien, die bei geologischen Untersuchungen im Pariser Becken gefunden worden waren. Er erkannte, dass Fossilien Reste von Lebewesen sind, und stellte fest, dass verschiedene geologische Schichten unterschiedliche Fossilien beherbergten. Diese Erkenntnisse legten den Schluss nahe, dass sich die Erde und das Leben mit der Zeit verändert hatten. Mit seiner Katastrophentheorie versuchte Cuvier, die geologischen Beobachtungen mit der auch von ihm angenommenen Konstanz der Arten in Einklang zu bringen. Nach seiner Auffassung vernichten Naturkatastrophen (zum Beispiel sintflutartige Überschwemmungen) in größeren Zeitabständen immer wieder alle Tiere und Pflanzen in einem bestimmten Gebiet. Die betroffene Region wird dann durch Zuwanderung und Neuschöpfung wieder besiedelt.

Lamarck hatte dagegen angenommen, dass Tiere erworbene Fähigkeiten an ihre Nachkommen weitergeben könnten. Reiher oder Storch hätten demnach lange Beine, weil sie sich beständig streckten, um keinen nassen Bauch zu bekommen. Der lange Giraffenhals entstand dementsprechend, weil Giraffen durch das Recken nach immer höheren Blättern ihren Hals allmählich verlängert und dies an ihre Nachkommen weitergegeben hätten. Der Haken an Lamarcks durchaus wegweisender Idee war, dass er keinen Mechanismus angeben konnte, wie individuelle Änderungen im Körperbau vererbt werden sollten. Darwin dagegen umging das Problem, weil in seinem Konzept das Individuum selbst unverändert bleibt. Und dass sich körperliche Merkmale durch Züchtung, also über mehrere Generationen hinweg, beeinflussen ließen, wussten Bauern und Haustierzüchter schon seit vielen Jahrhunderten.

Warum unterscheiden sich Nachkommen von ihren Eltern?

Durch die Mischung des Erbguts der Eltern und durch spontane Mutationen.

Bei der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle wird das Erbgut der Eltern zusammengeführt. Jede Erbanlage, jedes Gen des Nachkommen kommt entweder von der Mutter oder vom Vater, die Kombinationsmöglichkeiten sind schier unvorstellbar: Beim Menschen gibt es 70,4 Billionen Möglichkeiten, aus dem Erbgut der Eltern einen neuen Satz an Erbanlagen zu bilden (dabei sind weitere Variationsmöglichkeiten noch gar nicht berücksichtigt).

Es kann aber auch vorkommen, dass sich die Erbanlagen eines einzelnen Wesens zufällig verändern. Solche »Mutationen« führen dazu, dass sich die genetische Vielfalt einer Population weiter erhöht, und schaffen damit die Voraussetzung dafür, dass der Selektion genügend »Spielmaterial« zur Verfügung steht, um wirksam zu werden. Zum Beispiel ist die Flugroute von Zugvögeln genetisch festgelegt. In jeder Generation werden einige Vögel mit einem etwas abweichenden Reiseplan geboren. Dadurch »probiert« die Evolution neue Wege. Und wenn die bisherige Hauptzugroute z. B. durch eine Naturkatastrophe unpassierbar wird, gibt es immer ein paar Exemplare, bei denen eine Ausweichroute programmiert ist und deren Nachkommen die Art retten.

Wie entstehen neue Arten?

Entscheidend ist, dass zwei (oder mehrere) Populationen einer Art räumlich getrennt werden, so dass Paarungen nur noch innerhalb dieser Populationen stattfinden können. Beispielsweise kann durch Bewegungen der Erdkruste ein ursprünglich zusammenhängendes Verbreitungsgebiet einer Art in mehrere Teilgebiete zerfallen, die durch unüberwindliche Barrieren wie Gebirge oder Meeresarme voneinander getrennt sind. Eine andere Möglichkeit sind Klimaveränderungen, die Entstehung von Wüsten oder das Vordringen von Gletschern. So trennte die letzte Eiszeit z. B. die damals in Europa heimische Krähenart in eine westliche und eine östliche Gruppe. Damit war der Genfluss zwischen den Mitgliedern der beiden Gruppen unterbrochen, die sich deshalb als zwei selbstständige Teilpopulationen unabhängig voneinander weiterentwickelten. Mutation, Neukombination und natürliche Auslese führten anschließend dazu, dass sich die Erbanlagen der beiden Teilpopulationen immer stärker unterschieden, so dass sich schließlich zwei Rassen bildeten: die schwarze Rabenkrähe und die grauschwarze Nebelkrähe. Seit dem Verschwinden der Gletscher berühren sich ihre Verbreitungsgebiete wieder. In den Grenzzonen kommt es immer wieder zur Vermischung der Erbanlagen, da Rassen miteinander noch Nachkommen zeugen können.

Werden die Unterschiede zwischen beiden Teilpopulationen durch die genetische Isolation noch größer, entstehen schließlich zwei verschiedene Arten, die untereinander nicht mehr fortpflanzungsfähig sind. So bildeten sich beispielsweise auf den beiden Seiten des Grand Canyon in den USA zwei Arten von Erdhörnchen aus einer gemeinsamen Stammform: Die Südhörnchen sind größer und haben einen längeren Schwanz als die Nordhörnchen, deren Schwanzunterseite weiß gefärbt ist. Obwohl der Grand Canyon nur einige Kilometer breit ist, konnten die Erdhörnchen diese Entfernung nicht überwinden. Mit der Zeit entwickelten sich deshalb aus den beiden räumlich getrennten Teilpopulationen zwei verschiedene Arten.

Sind ähnliche Arten immer verwandt?

Nein, viele Arten weisen ähnliche äußere Merkmale auf und gehören zu stammesgeschichtlich ganz unterschiedlichen Gruppen: Vögel und Schmetterlinge haben Flügel, bei Walen, Haien und Kalmaren sind Flossen zu finden, Dahlie und Kartoffel bilden Knollen. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass die äußerlich ähnlichen Organe auf völlig unterschiedlichen Grundstrukturen beruhen. Eine solche Funktionsähnlichkeit biologischer Strukturen bei verschiedenen Lebewesen bezeichnet man als Analogie. Ein Beispiel für solche analogen Organe sind die Graborgane von Maulwurf und Maulwurfsgrille. Sie sind sich zwar in Funktion und Aussehen ähnlich, ihnen liegt jedoch beim Maulwurf die Säugetierhand mit einem knöchernen Innenskelett und bei der Grille der Bautyp »Insektenbein« mit einem Außenskelett aus Chitin zugrunde. Da beide auf unterschiedlichen Erbanlagen basieren, sind sie kein Beleg für eine gemeinsame Abstammung, sondern für vergleichbare Lebensbedingungen.

Untersucht man dagegen den Bau der Vordergliedmaßen von Wirbeltieren, so zeigt sich, dass sie alle aus den gleichen Knochentypen aufgebaut sind, obwohl sie sehr unterschiedlich aussehen und auch verschiedenen Zwecken dienen. Sowohl die Flügel von Vögeln und Fledermäusen als auch die Flossen der Wale, die Beine von Pferden und Bären sowie Hand und Arm des Menschen setzen sich aus Finger-, Mittelhand-, Handwurzel-, Unterarm- und Oberarmknochen zusammen, die jedoch im Laufe der Entwicklung – den Lebensbedingungen entsprechend – unterschiedliche Formen angenommen haben. Die Existenz solcher homologen Organe wird auf gemeinsame Vorfahren zurückgeführt, die den Grundbauplan an ihre Nachkommen weitervererbt haben.

Was verrät das Steißbein des Menschen?

Dass wir von Wesen mit Schwanz abstammen. Das Steißbein ist der verkümmerte, nutzlose Rest dieses Organs, das unseren Vorfahren beim Klettern half. Auch die Körperbehaarung des Menschen ist ein »Rudiment«: der Rest eines Fells. Und der Blinddarm mit Wurmfortsatz ist das Rudiment eines größeren Darmanhangs, der ursprünglich eine bessere Verdauung pflanzlicher Nahrung ermöglichte.

Warum war Darwins Theorie so revolutionär?

Sie wandte sich gegen die Vorstellung, dass Tier- und Pflanzenarten durch einen einmaligen Schöpfungsakt entstanden und sich seitdem nicht mehr verändert haben – wie es die Bibel, aber auch viele Mythen und Legenden erzählen.

Wussten Sie, dass …

Darwin nie selbst behauptet hat, dass der Mensch vom Affen abstammt? Er ging nur von gemeinsamen Vorfahren aus.

der so genannte Sozialdarwinismus, der im Kern die »natürliche Ungleichheit« der Menschen behauptet, eine unzulässige Übertragung der Prinzipien der biologischen Evolution auf menschliche Gesellschaften ist?

Robert Fitzroy, der Kapitän des Forschungsschiffs »Beagle«, ein erbitterter Gegner von Darwins Lehre war?

Wussten Sie, dass …

der Quastenflosser als seit rund 70 Millionen Jahren ausgestorben galt, als 1938 ein lebendes Exemplar gefunden wurde?

die Dinosaurier näher mit den Vögeln als mit Eidechsen und Schlangen verwandt waren?

Der Neandertaler: Evolution in der Sackgasse?

Wie kam der Neandertaler zu seinem Namen?

Die ersten Überreste dieser Menschenart wurden im Neandertal gefunden, das etwa auf halbem Weg zwischen Düsseldorf und dem heutigen Wuppertal gelegen ist. Künstler und andere »Schwarmgeister« suchten es gern auf, doch ab 1856 störte ein Kalksteinbruch das Idyll. Bereits zwei Jahre später fanden Arbeiter seltsam geformte Menschenknochen sowie eine Schädelplatte. 1864 wurden sie wissenschaftlich einer ausgestorbenen Menschenart, dem Homo neanderthalensis, zugeordnet – ein unerhörter Vorgang, war doch damals die Abstammung des Menschen von »niedriger« entwickelten Lebewesen noch lange nicht allgemein akzeptiert.

Später zeigte sich, dass man – ohne es zu bemerken – schon vorher Neandertalerknochen gefunden hatte, etwa bei Gibraltar oder Lüttich. Bis heute hat man einen reichhaltigen Bestand an Fossilien, Werkzeugen und anderen Spuren von über 300 verschiedenen Neandertalern gefunden. Sie lebten fast im gesamten Europa sowie im Nahen Osten, nach Norden wurde der Lebensraum durch die eiszeitlichen Gletschermassen begrenzt. Die ältesten Funde datieren etwa aus der Zeit 150 000 Jahre vor heute, die jüngsten sind rund 35 000 Jahre alt.

Ist der Neandertaler ausgestorben?

Nicht unbedingt – es gibt zwar heute definitiv keine lebenden Neandertaler mehr, doch er könnte sich auch mit unseren Vorfahren vermischt haben, wobei die äußeren Merkmale mit der Zeit verschwanden.

Die archäologischen Befunde lassen an einem keinen Zweifel: Zumindest zeitweise müssen Neandertaler und Menschen der Art Homo sapiens gleichzeitig am selben Ort gelebt haben. Der moderne Mensch ist hier seit etwa 40 000 Jahren ansässig. Der Neandertaler verabschiedete sich dagegen erst vor etwa 30 000 Jahren von der Bühne der Welt. Einige Jahrtausende lang konnten sich beide Menschenarten also begegnen. Allerdings war Europa damals weit dünner besiedelt als heute. In Kleinasien dagegen koexistierten Mensch und Neandertaler bis zu 50 000 Jahre lang.

Warum verschwand der Neandertaler?

Diese Frage wirft bis heute Rätsel auf. Wurde der Neandertaler vom modernen Menschen verdrängt oder gar ausgerottet? Oder vermischten sich beide Bevölkerungen, wobei das Neandertaler-Erbgut erst allmählich aus dem Genpool verschwand? Denn eines ist relativ sicher: Die Gene des heutigen Menschen weisen kaum Übereinstimmung mit solchen Genproben auf, die aus fossilen Überresten von Neandertalern isoliert wurden.

Die archäologischen Erkenntnisse sind weniger eindeutig. Es wurden zwar Neandertalerknochen gefunden, die Spuren von Verletzungen durch Pfeile oder Speere aufwiesen. Doch ob dies Unfälle waren oder Angriffe und von wem die Angriffe ausgingen, ist nicht festzustellen. Verhältnismäßig gesichert ist, dass beide Arten mitunter ähnliche Werkzeuge und Schmuckstücke verwendeten. Dies lässt auf Handelsbeziehungen oder kulturellen Austausch schließen.

Andere Forscher meinen, dass es sowohl kriegerisches als auch friedliches Nebeneinander gab, entscheidend jedoch andere Faktoren waren: Neandertaler waren mit ihrem gedrungenen Körperbau besonders an kalte Klimate angepasst und damit weniger flexibel als die aus Afrika stammenden Cro-Magnon-Menschen. Das Aussterben der Neandertaler fand trotz ihrer Anpassung an Kälte möglicherweise lange vor Ende der letzten Eiszeit statt. Dies ist der Ausgangspunkt für eine neue These, welche annimmt, dass vor 30 000 Jahren sowohl die europäischen Neandertaler als auch die ansässigen Cro-Magnon-Menschen einer besonders harten Kälteperiode zum Opfer gefallen sind. Weiter südlich lebende Jetztmenschen besiedelten dann später Europa von neuem.

War er primitiv und brutal?

Früher galten Neandertaler als einfältige, kräftige und bösartige Gesellen. Schuld daran hatte wohl zum einen der gedrungene, muskulöse Körperbau, zum anderen aber vor allem das Bedürfnis, den Homo sapiens sapiens als unangefochtene Krone der Schöpfung darzustellen. Heute weiß man, dass Neandertaler vielfältige Werkzeuge und Kleidung herstellten. Für soziale Beziehungen, Bestattungen, religiöse Vorstellungen und künstlerische Betätigung gibt es zumindest Indizien.

Wussten Sie, dass …

sowohl die ersten Menschenvorfahren als auch der anatomisch moderne Mensch aus Ostafrika stammen?

Mensch und Schimpanse näher miteinander verwandt sind als der Gorilla mit dem Orang-Utan?

manche Forscher sogar meinen, dass Mensch, Schimpanse und der Zwergschimpanse Bonobo eine gemeinsame Gattung bilden? Der Mensch müsste dann »Pan sapiens« statt »Homo sapiens« heißen!

während der Eiszeit die Nordsee trocken lag und die Themse ein Nebenfluss des Rheins war?

War der Neandertaler eher Affe oder Mensch?

Der Neandertaler war eindeutig ein Mensch. Vor 4–8 Millionen Jahren lebte der letzte gemeinsame Vorfahre von Schimpanse und Mensch. Es gab seitdem mehrere verschiedene Gattungen so genannter Frühmenschen. Die ältesten Mitglieder der Gattung Homo – die Altmenschen – traten vor rund zwei Millionen Jahren auf. Zu ihnen gehören unter anderem Homo erectus und der Neandertaler.

Zellen: Grundbausteine aller Lebewesen

Sind alle Zellen gleich?

Nein – aber der grundlegende Bauplan ist bei allen Zellen gleich: Sie bestehen aus dem Zellleib und dem Zellkern. Eine Ausnahme bilden lediglich die einzelligen Prokaryonten (Bakterien und Archaea); sie haben keinen echten Zellkern. Große Unterschiede gibt es dagegen in Form und Struktur von Zellen. Sie resultieren vor allem aus der spezifischen Funktion, die eine Zelle in einem Organismus übernehmen kann. So besitzt eine Nervenzelle – entsprechend ihrer Aufgabe, Reize aufzunehmen und weiterzuleiten – einen völlig anderen Feinbau als eine für Bewegung zuständige Muskelzelle. Pflanzliche und tierische Zellen, zu denen biologisch auch die Zellen des Menschen zählen, unterscheiden sich in vielen wichtigen Merkmalen. Der größte Unterschied ist sicherlich die Fähigkeit der Pflanzenzellen, durch Fotosynthese aus Kohlendioxid und Wasser neue organische Substanz aufzubauen.

Es gibt aber eine wichtige Gemeinsamkeit von Pflanzen- und Tierzellen, die sich zum Teil auch schon bei den Bakterien findet: Alle diese Zellen enthalten sog. Organellen, die im komplexen Zellstoffwechsel jeweils bestimmte Aufgaben übernehmen – so wie die Organe Herz, Lunge oder Magen in einem vielzelligen Organismus für Kreislauf, Atmung bzw. Nahrungsverwertung zuständig sind.

Haben Zellen ein Gehirn?

Ja. Die im Zellkern enthaltenen Gene steuern alle wichtigen Funktionen einer Zelle – ähnlich wie das Gehirn die Lebensvorgänge in Mensch und Tier überwacht.

Der auch »Nucleus« genannte Zellkern ist das Steuerzentrum der Zelle. Die Zellflüssigkeit (das »Plasma«) in seinem Inneren ist durch eine doppelte Membran, die Kernhülle, vom übrigen Zellplasma abgetrennt. Nur über winzige Kernporen werden Stoffe zwischen dem Inneren des Zellkerns und der übrigen Zellsubstanz ausgetauscht, wobei dieser Austausch einer strengen Kontrolle unterliegt. Der Zellkern enthält die Chromosomen, welche die Gene, also die Erbinformation tragen, sowie mehrere Kernkörperchen. Die Chromosomen sind jedoch nur während der Zellteilung zu erkennen, sonst erscheinen sie als unstrukturierte Masse, die als Chromatin bezeichnet wird. Der Name rührt vom griechischen Wort für Farbe, chroma, her. Diesen Namen erhielten Chromosomen und Chromatin, weil sie bei den mikroskopischen Forschungen im 19. Jahrhundert besonders gut anzufärben waren (solchen Färbversuchen verdanken sie auch ihre Entdeckung).

Was ist das Kraftwerk einer Zelle?

Eine Organelle mit Namen »Mitochondrium« versorgt die übrigen Zellkomponenten einer Tier- oder Pflanzenzelle mit Energie. Die chemischen Prozesse, die dabei im Mitochondrium ablaufen, ähneln denen in einem Verbrennungsmotor: Kohlenstoffhaltige Moleküle werden mit Sauerstoff verbunden, wodurch Energie freigesetzt wird. Man spricht daher auch von einer »kalten Verbrennung«. Ein anderer Name hierfür ist »Zellatmung«, denn genau hier wird der über die Lunge aufgenommene Sauerstoff verbraucht bzw. veratmet. Mitochondrien sind von zwei Membranen umgeben. Im Gegensatz zur äußeren, glatten Membran zeigt die innere zahlreiche Einfaltungen. Dadurch erhält die Innenmembran, an der die Zellatmung stattfindet, eine extrem große Oberfläche. Die Anzahl der Mitochondrien in einer Zelle hängt von der Funktion ab, die diese in einem Organismus übernimmt: Leberzellen beispielsweise, die für ihre Tätigkeit besonders viel Energie benötigen, enthalten über 1000 Mitochondrien, manche Algenzellen dagegen nur ein einziges.

Mit den Mitochondrien vergleichbar, aber in gewissem Sinne auch deren Gegenspieler sind die Chloroplasten. Diese Zellorganellen kommen ausschließlich in Pflanzenzellen vor. Sie sind ebenfalls von einer Doppelmembran umgeben, deren innere stark eingestülpt ist. Dort findet die Fotosynthese statt, der Prozess, bei dem Kohlendioxid verbraucht und Sauerstoff frei wird und durch den neues organisches Baumaterial zusammengesetzt wird.

Welche Zellbestandteile setzen die Bauanleitung der Gene um?

Kleine Körnchen namens Ribosomen, die sich unter anderem in einem innerzellulären Membransystem befinden, dem endoplasmatischen Reticulum (frei übersetzt »Netzwerk im Zellplasma«). Ribosomen fischen sich aus dem Plasma Botenmoleküle heraus, die Abschriften des genetischen Codes enthalten. Je nachdem, in welcher Reihenfolge darin dessen »Buchstaben« angeordnet sind, werden vom Ribosom Aminosäuren zu Ketten verbunden, die sich zu Eiweißmolekülen (auch Proteine genannt) zusammenlagern. Proteine sind die wichtigsten Bausteine aller Zellen und Organismen.

Das endoplasmatische Reticulum ist den Forschern schon früh durch seine Gestalt aufgefallen: Es besteht aus einem System von Membranen, Röhren, Kanälen und Blasen, die das gesamte Zellinnere durchziehen. Seine Strukturen gehen von der äußeren Kernmembran aus und erstrecken sich in vielen Schleifen und Windungen bis zur Zellmembran. Das Reticulum dient neben dem Aufbau und der Weiterverarbeitung von Proteinen auch dem Stofftransport innerhalb der Zelle. Die mit Ribosomen besetzten Abschnitte werden auch als raues endoplasmatisches Reticulum bezeichnet. Ribosomenfreie Teile heißen glattes endoplasmatisches Reticulum. Sie sind z. B. in der Leber für den Abbau von Giftstoffen zuständig.

Wie vermehren sich Zellen?

Die meisten einzelligen Lebewesen und – mit Ausnahme der Geschlechtszellen – auch alle Zellen von Vielzellern vermehren sich durch Teilung.

Damit eine Zelle sich teilen, d. h. zwei Tochterzellen bilden kann, müssen zunächst alle ihre Bestandteile so vermehrt werden, dass sie in ausreichender Zahl für beide Tochtergebilde vorliegen. Für die Zellorganellen, von denen eine Zelle gewöhnlich eine große Zahl besitzt, genügt es, wenn ihre Anzahl erhöht und dann in etwa gleich großer Menge auf die Tochterzellen verteilt wird. Die Erbsubstanz jedoch, die im Zellkern enthalten ist, muss exakt verdoppelt und genau auf die beiden Töchter aufgeteilt werden. Deshalb geht der eigentlichen Zellteilung eine Phase voraus, in der die Zellen stark wachsen und die Erbinformation verdoppelt wird. Dieser Abschnitt des Zellzyklus wird als Interphase bezeichnet. Die Interphase beansprucht die meiste Zeit innerhalb des Zyklus, bei der Bildung von Blutzellen zum Beispiel 12 der insgesamt 13 Stunden.

In der sich anschließenden Mitosephase findet dann die Teilung der Zelle statt. Den größten Teil hiervon nimmt die Kernteilung (Mitose) ein, bei der die Erbsubstanz auf die beiden entgegengesetzten Enden oder Pole der Zelle verteilt wird. Hierbei macht sich die Zelle zunutze, dass in den Chromosomen die Erbinformation doppelt vorliegt: Erst wird je ein Satz Gene an jeden Zellpol gebracht, dann werden sie wieder zu einem kompletten, also doppelten Chromosomensatz ergänzt. Erst wenn die Kernteilung abgeschlossen ist, setzt die eigentliche Zellteilung ein, und die beiden Tochterzellen werden vollständig voneinander getrennt.

Diese Form der Vermehrung gilt im Übrigen nur für Körperzellen. Neue Geschlechtszellen entstehen dagegen durch den Prozess der Reduktions- oder Reifeteilung, die sog. Meiose. Hier entfällt bei der Kernteilung die Ergänzung der halbierten Gensätze. Stattdessen verschmelzen zwei Geschlechtszellen unterschiedlicher Organismen, um wieder einen vollständigen Chromosomenbestand zu bilden. Auf diesem Prinzip fußt die geschlechtliche oder sexuelle Fortpflanzung.

Sind Zellen austauschbar?

Nur bedingt, denn obwohl alle Zellen höherer Organismen denselben Grundbauplan haben, sind sie doch oft so spezialisiert, dass keine die Aufgabe der anderen übernehmen kann. Nur bestimmte Zelltypen haben noch die Fähigkeit, verschiedenen Anforderungen gerecht zu werden. Dies gilt vor allem für die Zelltypen, die sich bei Pflanzen finden. Während bei vielen Pflanzen aus einer Blattzelle bei Bedarf Wurzeln wachsen können, kann eine Herzzelle nur neue Herzzellen hervorbringen und würde in Leber oder Gehirn zugrunde gehen.

Der Vorgang, bei dem aus den Zellteilungen während der Embryonalzeit eines Lebewesens verschiedene Zelltypen hervorgehen, heißt Differenzierung. Schon lange vor der Geburt gibt es Knochen-, Nerven-, Leber- und andere Zellen, die sich in ihrer Form wie in ihrer Funktion stark unterscheiden. Die Differenzierung ist ein irreversibler Vorgang, das heißt, sie kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.

Aus den jeweils unterschiedlich differenzierten Zellen bauen sich die verschiedenen Gewebe eines Körpers auf. Als Gewebe bezeichnet man einen Verband von Zellen, die eine ähnliche Größe, Struktur und Funktion haben. Zu nennen sind vor allem das Abschluss- und das Bindegewebe. Das Abschlussgewebe begrenzt den Körper nicht nur als Haut nach außen, sondern es kleidet auch die inneren Hohlräume aus, etwa die Blutgefäße oder den Darm. Zum Bindegewebe gehören unter anderem Bänder und Sehnen, aber auch Knorpel- und Knochengewebe, die als Stützgewebe dienen. Außerdem baut das Bindegewebe die Milz und das Knochenmark auf, umhüllt die Muskeln und speichert Fett.

Was haben Organismus und Staatswesen gemein?

Den Aufbau aus immer feiner gegliederten Untereinheiten. So wie unser Staatswesen im Grundgesetz in die Bundesländer unterteilt wird und diese wiederum aus Regierungsbezirken, Landkreisen und Gemeinden bestehen, so hat auch ein Organismus eine vielschichtige Struktur. Der Organismus als höchste Organisationsebene von Tieren und Pflanzen ist durch das Zusammenwirken verschiedener Organe und Organsysteme gekennzeichnet.

Zellen und Gewebe bilden die beiden untersten Organisationsstufen eines Lebewesens. So wie sich viele Zellen zu einem Gewebe zusammenschließen, verbinden sich verschiedene Gewebeschichten zu einem Organ. Während Gewebe jedoch aus gleichartigen Zellen bestehen, setzen sich Organe aus unterschiedlichen Geweben zusammen, deren Einzelfunktionen perfekt aufeinander abgestimmt sind. Im Magen beispielsweise befindet sich neben dem Drüsengewebe, das die Verdauungssäfte abgibt, auch Bindegewebe (versorgt den Magen unter anderem mit Blut), Muskelgewebe (sorgt für die Magenbewegungen) und Bauchfellgewebe (schließt den Magen nach außen ab).

Tier und Mensch haben eine Vielzahl von Organen; sie dienen unter anderem der Ernährung, Ausscheidung und Fortpflanzung, der Aufnahme von Sinnesreizen und der Bewegung. Pflanzliche Organe sind zum Beispiel Sprossachse, Wurzel, Laubblätter und Blüten.

Verschiedene Organe, die eine gemeinsame Aufgabe erfüllen, bilden ein Organsystem. Ein pflanzliches Organsystem ist beispielsweise die Blüte. Sie dient der Fortpflanzung und setzt sich zusammen aus den Kronblättern (Anlocken von Insekten zur Bestäubung), den Staubblättern (männliche Geschlechtsorgane, die den Blütenstaub bilden) und den Fruchtblättern (weibliche Geschlechtsorgane, die die Samenanlagen bilden). Zu den tierischen Organsystemen gehören etwa das Verdauungs-, das Nerven- und das Blutkreislaufsystem.

Wussten Sie, dass …

der britische Forscher Robert Hooke (1635 bis 1703) als Konstrukteur des Mikroskops mit zwei Linsen (Okular und Objektiv) gilt? Er erkannte damit, dass Kork aus einer Vielzahl kleiner Struktureinheiten aufgebaut ist, die er »Zellen« nannte (nach lateinisch cella, Kammer, Zimmer).

Sind Viren Zellen?

Nein. Die gerade in Zeiten von Aids und Vogelgrippe allseits gefürchteten Krankheitserreger sind selbst keine Zellen, da sie sich nicht selbstständig vermehren können. Stattdessen müssen sie Zellen angreifen und deren Fortpflanzungsapparat für ihre Zwecke »kapern«.

Wussten Sie, dass …

die größte tierische Einzelzelle einen Durchmesser von 7,5 cm erreichen kann?

im Körper eines erwachsenen Menschen jede Sekunde etwa 1,5 Millionen Zellen neu gebildet werden?

Krebszellen quasi unsterblich sind, weil bei ihnen die natürliche Regulierung von Wachstum und Absterben gestört ist?

der Einzeller Euglena (Augentierchen) Chloroplasten besitzt, die in der Dunkelheit aber verschwinden, so dass er dann zur Tierzelle wird?

bestimmte Algen sowohl als Einzeller als auch als vielzellige Zellkolonie mit Aufgabenteilung existieren können?

Waren Zellen schon immer mit Organellen ausgestattet?

Nein. Organellen wie die Mitochondrien und Chloroplasten und wahrscheinlich sogar der Zellkern sind sehr wahrscheinlich ehemals selbstständige Einzeller gewesen, die von Vorläufern der heutigen Vielzeller »verschlungen« wurden. Irgendwie gelang es ihnen aber, der »Verdauung« zu entgehen. Stattdessen gingen sie als Untermieter eine dauerhafte Partnerschaft mit dem Räuber ein – die ersten höheren Zellen waren entstanden. Mitochondrien und Chloroplasten besitzen auch heute noch Reste eines eigenen Erbguts, das unabhängig vom Zellkern weitervererbt wird.

Mikroorganismen: Klein, aber erfolgreich

Brauchen wir Bakterien?

Ja, bestimmte Arten sind nicht nur natürliche Begleiter des Menschen, manche sind sogar unerlässlich für unser Wohlergehen. Beispielsweise wird die menschliche Haut von einer Lebensgemeinschaft von Mikroorganismen besiedelt, die in der Fachwelt unter dem Namen Hautflora bekannt ist. Sie besteht vorwiegend aus sog. grampositiven Bakterien, vor allem aus Staphylococcen und Coryne-Bakterien.

Beeinflusst wird die Hautflora u. a. vom Wetter, denn Lufttemperatur und Feuchtigkeit wirken sich auf das Wachstum der Mikroorganismen aus. Auch das Alter spielt eine Rolle: So haben Kinder eine andere Hautflora als Erwachsene; sie ist artenreicher und enthält häufig auch pathogene gramnegative Bakterien. Und selbstverständlich ist die Hautflora auch abhängig von der Körperpflege. Übertriebene Hygiene kann jedoch schaden, da sie die normalen Hautbewohner beseitigt, den natürlichen pH-Wert der Haut verändert und somit erst Platz schafft für krank machende Keime. Übrigens: Es gibt natürlich auch weniger hilfreiche Hautbewohner. Die Art Propionibacterium acnes, ein normalerweise harmloses Bakterium aus der Gruppe der Coryne-Bakterien, ist in bestimmten Lebensaltern an der Entstehung von Akne beteiligt.

Auch der Dickdarm, in dem der Nahrungsbrei eingedickt wird, birgt eine reiche Bakterienflora. Er bietet ein weitgehend sauerstofffreies, leicht alkalisches Milieu, in dem die Gattungen Bacteroides und Enterococcus überwiegen; Colibakterien (z. B. Escherichia coli) brauchen den gesamten vorhandenen Sauerstoff auf. Regelmäßig wird ein großer Teil der Darmbakterien mit dem Stuhl ausgeschieden, dies wird allerdings durch die natürliche Vermehrung der Darmbewohner wieder wettgemacht.

Darmbakterien ernähren sich z. T. von Nahrungsbestandteilen und sind auch direkt am Stoffwechsel des Darms beteiligt. Sie wandeln etwa die Gallensäuren des Körpers um und erzeugen Substanzen, die den typischen Geruch von Kot ausmachen. Sie sind es auch, die Darmgase produzieren: Methan, Kohlendioxid und Wasserstoff. Ein gesunder Mensch setzt pro Tag mehrere 100 ml Gase frei; dabei besteht ein Großteil jedoch aus (geruchlosem) Stickstoff, der aus verschluckter Luft stammt. Natürlich beeinflusst die Ernährung die Zusammensetzung der Darmflora: Bei einer stark fleischhaltigen Ernährungsweise überwiegen Bacteroides-Arten, durch pflanzliche Nahrungsmittel dagegen werden die Milchsäurebakterien (Lactobazillen) gefördert.

Wie helfen Bakterien im Haushalt?

Auf vielfältige Weise. Eine Reihe von beliebten Nahrungsmitteln entsteht mithilfe von Bakterien und bekannte Konservierungsverfahren wie sauer Einlegen wären ohne sie nicht möglich. Die meiste Verwendung finden wohl die Milchsäurebakterien, sie spielen sowohl bei der Herstellung von Joghurt und Käse als auch bei der Konservierung von Sauerkraut oder Salami die entscheidende Rolle.

Die Gruppe der Milchsäurebakterien umfasst Bakterien mit sehr unterschiedlichen Formen: lange oder kurze Stäbchen und auch rundliche Kokken. Sie alle gewinnen Stoffwechselenergie durch den Abbau von Kohlenhydraten, der stets anaerob – also ohne Beteiligung von Sauerstoff – vor sich geht. Als Endprodukt entsteht Milchsäure. Der gesamte Vorgang wird Milchsäuregärung oder Milchsäurefermentation genannt. Die Gärungsprozesse verlaufen zwar anaerob, doch viele Milchsäurebakterien können auch in Gegenwart von Luftsauerstoff gedeihen, was sie vielfältig einsetzbar macht.

Übrigens: Milchsäurebakterien sind »Krüppel«, was ihren Stoffwechsel betrifft: Viele Substanzen, die sie brauchen, können sie nicht selbst herstellen. Sie benötigen eine Umgebung, die ihnen ausreichende Mengen an Nährstoffen und Vitaminen zur Verfügung stellt. Deshalb kommen sie praktisch nie in Boden oder Wasser vor, sondern bevorzugen luxuriöser ausgestattete Lebensräume: Milch und Milch verarbeitende Organe, Darm und Schleimhäute von Säugetieren oder pflanzliche Materialien. Sagen ihnen die Bedingungen zu, vermehren sie sich schnell und verdrängen leicht andere Bakterien.

Brachten Pflanzen den Sauerstoff in die Luft?

Anders als oft dargestellt, sind die Pflanzen nicht die Ersten gewesen, die durch ihre Fotosynthese so viel Sauerstoff freigesetzt haben, dass die zunächst sauerstofffreie Uratmosphäre der Erde ihre heutige Zusammensetzung erhielt. Bereits vor 3,5 Milliarden Jahren und damit lange vor den Pflanzen »erfanden« Cyanobakterien diese Ernährungsweise und führten zu einem tiefgreifenden Wandel in den Lebensbedingungen auf unserem Planeten. Organismen, die keinen Sauerstoff vertragen, wurden in Nischen gedrängt wie vulkanische Quellen, Sümpfe oder das Verdauungssystem höherer Tiere. So konnten Sauerstoffatmer entstehen – Wesen wie wir Menschen, die den Luftsauerstoff veratmen, ohne sich der Pioniertat der Cyanobakterien bewusst zu sein!

Wie lang war ein Tag vor 1,5 Mrd. Jahren und woher wissen wir das?

In der Urzeit der Erde drehte sich die Erde schneller als heute, vor 1,5 Milliarden Jahren etwa war ein Tag nur 15 Stunden lang. Dies wissen wir von versteinerten Cyanobakterienkolonien, sog. Stromatolithen. Diese zeigen charakteristische Farbschichten, die mit dem Wechsel von Tag und Nacht zusammenhängen. Dadurch kann durch einfaches Abzählen (natürlich unter dem Mikroskop) die Zahl der Tage pro Jahr bestimmt werden. Insgesamt besitzen Stromatolithen, die vor mehr als 2,5 Milliarden Jahren entstanden, eine schwächere Färbung, während die jüngeren einen deutlichen »Rotstich« aufweisen. Dieser rührt von eisenhaltigen Mineralien her, die sich bildeten, als der Sauerstoffgehalt in der Luft einen gewissen Schwellenwert überschritt. So lässt sich mithilfe der Stromatolithen sogar der ungefähre Zeitpunkt angeben, an dem die Atmosphäre ihre heutige Zusammensetzung erhielt.

Welche Extreme können Lebewesen aushalten?

Viele Mikroorganismen ertragen so ungewöhnliche Umweltbedingungen, dass sie praktisch allen Vorstellungen von Leben, die uns gemeinhin geläufig sind, zu widersprechen scheinen. Diese Organismen, die meist zu den sog. Archaea zählen, fühlen sich z. B. erst bei Temperaturen um 80 °C wohl – und das ist längst nicht die Obergrenze! Andere wiederum brauchen die Eiseskälte der Antarktis, um zu gedeihen. Wieder andere suchen sich als Lebensraum extrem salzige Gewässer aus. Und manche verblüffen durch ihre ungewöhnlichen Stoffwechselfähigkeiten. Insgesamt markieren Archaea die Grenzen dessen, was Lebewesen aushalten können.

Diese Extremisten unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von allen anderen Lebensformen – den Bakterien ebenso wie den Tieren und Pflanzen. Deshalb werden Archaea neben Bakterien und Eukaryoten in einem eigenen Reich zusammengefasst. Von ihnen gibt es etwa 80 verschiedene Arten. Sie besitzen wie Bakterien keinen Zellkern, und auch ihre Größe und Form ist der von Bakterien ähnlich. Aber ihre Zellmembran besteht nicht aus einer Doppelschicht von Fettsäuremolekülen, sondern aus einer Einzelschicht von sog. Isopren-Molekülen. Diese Membran sowie spezifische Frost- und Hitzeschutzproteine machen sie besonders widerstandsfähig. Ihr Stoffwechsel erinnert in mancher Hinsicht an den von Pflanzen, denn auch Archaea bauen aus Kohlendioxid organische Verbindungen auf.

Archaea sind Relikte aus einer grauen Vorzeit, Überbleibsel der ältesten Organismen, die bis zum heutigen Tag in Nischen überlebt haben, in denen ähnliche Bedingungen wie auf der frühen Erde herrschen. Sie könnten den Schlüssel zum Verständnis dafür liefern, wie das Leben auf der Erde entstanden ist.

Gibt es Mikroorganismen, die keine Lebewesen sind?

Ja. Viren erfülle ein entscheidendes Kriterium für das Leben nicht: Sie können sich nicht aus eigener Kraft vermehren, ja nicht einmal selbst Moleküle zusammensetzen.

Ein Virus ist im Prinzip nichts anderes als ein Stück Erbsubstanz mit einer Hülle darum, die zum einen das Erbmolekül schützt und es ihm zum anderen ermöglicht, die Gene in eine Zelle einzuschleusen. Ist dies gelungen, so beginnt es, die »Programmierung« der Zelle dahingehend zu ändern, dass künftig anstelle von zelleigenen Stoffen die Bestandteile eines Virus anhand des eingeschleusten Bauplans produziert werden.

Die von der Zelle vermehrten Virusgene und die Hüllenproteine des Virus lagern sich zu neuen kompletten Viren zusammen, die ihre Wirtszelle verlassen und neue Zellen befallen können. In der Regel findet die Wirtszelle dabei den Tod. Es gibt aber auch Viren, die ihren Wirt überleben lassen, so dass dieser beständig weitere Viren produziert. Dieser Mechanismus liegt allen von Viren verursachten Krebserkrankungen zugrunde.

Was macht Grippeviren so gefährlich?

Zwei fatale Eigenschaften: Zum einen verteilt sich ihr Erbgut auf mehrere Teilstücke, die darüber hinaus einer ständigen Variabilität unterliegen, weil zufällige Erbgutveränderungen nicht durch Reparaturenzyme korrigiert werden. Zum anderen befällt das menschliche Influenzavirus Typ A auch z. B. Schweine oder Vögel. Wo Mensch und Tier eng zusammenleben, treten manchmal Mischinfektionen von Schweinen mit geflügel- und menschentypischen Influenzaviren auf, da Schweine für beide Virentypen empfänglich sind. Bei der Vermehrung können Teilstücke des vogeltypischen mit denen des menschentypischen Virus kombiniert werden. Dabei entstehen oftmals Erreger, die bei der Infektion von Menschen besonders aggressive Grippeformen hervorrufen, da sie auf gänzlich unvorbereitete Wirtsorganismen treffen.

Wer hat Bakterien als Krankheitserreger erkannt?

Der deutsche Wissenschaftler Robert Koch (1843–1910). Er fand bei Experimenten mit an Milzbrand erkrankten Tieren heraus, dass im Blut aller befallenen Tiere bestimmte Bakterien vorkamen. Er konnte diese dann sogar außerhalb der Tiere kultivieren und mit diesen Kulturen weitere Exemplare infizieren.

Sind Antibiotika gefährlich für den Darm?

Antibiotika können die Darmflora schädigen, denn vor allem Breitbandpräparate wirken nicht nur gegen die Krankheitserreger, sondern gegen alle Bakterien. Stirbt die Darmflora ab, macht sie oft Platz für Staphylococcus und Candida-Hefen. Diese ungebetenen Gäste können die Verdauung erheblich beeinträchtigen. Bald nach dem Absetzen des Antibiotikums regeneriert sich die normale Darmflora jedoch wieder.

Wussten Sie, dass …

Darmbakterien bis zu einem Drittel des Gewichts der menschlichen Exkremente ausmachen?

es in der Biologie »das Virus« heißt, während Computerprogrammierer »der Virus« sagen?

Bakterien zusammen mit den Pilzen eine unerlässliche Rolle im Kreislauf der Natur spielen, indem sie abgestorbene Substanzen zersetzen und damit gewissermaßen recyclen?

bei der Spanischen Grippe 1918–1920 mehr Menschen starben als im Ersten Weltkrieg?

Windpocken und Gürtelrose vom selben Erreger verursacht werden?

es essbare Cyanobakterien gibt? Die fälschlich als »Alge« bezeichnete Cyanobakteriengattung Spirulina hat einen sehr hohen Eiweißgehalt und soll unbestätigten Berichten zufolge sogar Heilwirkungen haben.

es auch einzellige Pilze gibt? Bekanntestes Beispiel sind die Hefen, ohne die wir weder Bier noch Brötchen, Christstollen oder andere Backwaren hätten.

sog. höhere Organismen vom Standpunkt der Evolution aus gesehen nicht erfolgreicher, sondern bloß komplizierter als die Mikroben sind?

Gibt es Medikamente gegen Viren?

Ja, aber leider immer noch zu wenige. Gute Erfolge brachten Substanzen, deren Strukturen den Bausteinen der DNA gleichen und Enzyme hemmen, die das virale Erbgut ablesen bzw. synthetisieren. AIDS-Patienten werden heute mit einem solchen Stoff, dem Zidovudin (früher AZT, Azidothymidin), behandelt. Ähnlich funktioniert auch Aciclovir, das bei Herpesinfektionen angewendet wird.

Pflanzen: Grundlage des Lebens

Was haben Eiche und Grashalm gemeinsam?

Alle Samenpflanzen haben einen gemeinsamen Grundbauplan, sie besitzen Wurzel, Stängel, Blätter und Blüten.

Das Wurzelsystem sorgt dafür, dass eine Pflanze fest im Boden verankert ist. Außerdem versorgen die Wurzeln eine Pflanze mit Wasser und Mineralsalzen, die sie aus der Erde aufnehmen. Die bis zu 8 mm langen Wurzelhaare bewerkstelligen die Wasseraufnahme: Sie wachsen zwischen die winzigen Bodenteilchen hinein und nehmen das Wasser mit den darin gelösten Mineralsalzen durch ihre äußerst dünnen Zellwände auf. Der Zentralzylinder schließlich leitet das Wasser weiter zur Sprossachse, dem Stängel.

Die Sprossachse ist das verbindende Organ zwischen Wurzeln und Blättern bzw. Blüten. Sie verleiht den Pflanzen Festigkeit und zeichnet für den Transport von Wasser und Nährstoffen verantwortlich. Dabei gibt es enorme Größenunterschiede, etwa zwischen Eiche und Grashalm oder Mammutbaum und Gänseblümchen.

Blüten sind die Fortpflanzungsorgane einer Pflanze. Diese Aufgabe bestimmt ihr Aussehen und ihren Aufbau. Blüten, die vom Wind bestäubt werden, sind meist duftlos und unscheinbar. Übernehmen aber Insekten, Fledermäuse oder Kolibris die Bestäubung, so zeigt sich, dass sowohl die Form der Blüte als auch Farbe und Duft dem Bestäuber angepasst sind. Die Blütenröhre der Kartäusernelke etwa ist so lang und schmal, dass nur der lange, dünne Saugrüssel von Schmetterlingen bis an den Grund vordringen kann. Sind Nachttiere die Bestäuber, wie bei der Nachtkerze, öffnen sich die Blüten erst nach Anbruch der Abenddämmerung.

Wozu dienen die Blätter?

Die Blätter, genauer gesagt die grünen Laubblätter, sind die Organe, in denen der wichtigste Stoffwechselvorgang in der Natur stattfindet: die Fotosynthese. Aus Kohlendioxid, das die Pflanze über die Blätter der Luft entnimmt, und Wasser, das die Wurzeln liefern, entsteht unter der Einwirkung des Sonnenlichts der Energieträger Traubenzucker (Glucose) und als »Abfallprodukt« der für so viele Lebewesen unentbehrliche Sauerstoff.

Außer dieser Grundfunktion haben Blätter bei manchen Pflanzen auch noch ganz andere Aufgaben. So sind die Blätter der Kannenpflanze z. B. zu kannenförmigen Röhren umgebildet, in denen die Fleisch fressende Pflanze Insekten fängt. Pflanzen an wasserarmen Standorten bilden dicke, fleischige Speicherblätter. Auf den ersten Blick als Blätter nicht mehr zu erkennen sind die Blattdornen der Kakteen, die der Abwehr von Feinden dienen, oder die Blattranken der Erbse, mit denen sie sich beim Klettern festklammert.

Sind Bestäubung und Befruchtung das Gleiche?

Nein, die Bestäubung ist die Ankunft von Blütenstaub an einer Blüte, Befruchtung die tatsächliche Verschmelzung von männlicher und weiblicher Geschlechtszelle zweier Pflanzen. Auch im Tierreich führt ja nicht jeder geschlechtliche Kontakt zur Befruchtung.

Pflanzen haben, genau wie die Tiere, zwei Arten von Geschlechtszellen: die weiblichen Eizellen, die gewöhnlich in der Blüte verborgen sind, und die viel kleineren männlichen Pollenkörner, die auch Blütenstaub genannt werden. Letztere werden vom Wind oder durch Insekten vom Staubbeutel, wo sie gebildet wurden, zu einer weiblichen Blüte, die von ihnen befruchtet werden soll, übertragen. Dieser Vorgang ist die Bestäubung. Hat der Pollen eine passende Blüte gefunden, trifft er zunächst auf ein als Narbe bezeichnetes Organ. Dort angekommen, bildet jedes Pollenkorn einen Pollenschlauch aus, der bis in das Innere des Fruchtknotens hineinwächst. Der erste Pollenschlauch, der in die Samenanlage eindringt, platzt auf und gibt einen Zellkern frei, der sich mit dem Kern der Eizelle vereinigt. Damit ist die Befruchtung vollzogen. Die überflüssig gewordenen Blütenteile wie Kronblätter, Kelch- und Staubblätter beginnen zu welken und fallen schließlich ab. Samenanlage und Fruchtknoten wachsen dagegen, bis eine reife Frucht entstanden ist.

Wieso fließt das Wasser im Stängel nach oben?

Physikalisch betrachtet ist die Ursache hierfür die Trockenheit der Luft. Wie ist das zu verstehen? Kommt feuchtere Luft mit hohem Wasserdampfgehalt in Kontakt mit weniger feuchter, dann gibt die feuchtere Wasserdampf an die trockenere ab. Nichts anderes passiert an der Oberfläche von Pflanzenblättern. Dort befinden sich kleine spaltförmige Öffnungen, die direkt mit dem Gefäßsystem und damit den Wurzeln verbunden sind. Solange dieses System wassergefüllt ist, herrscht in den Spaltöffnungen hohe Luftfeuchtigkeit. Ist die Umgebungsluft trockener, geben die Spaltöffnungen Wasserdampf an diese ab. Dadurch entsteht ein Sog, der von unten frisches Wasser nachrücken lässt. Dieser ist zwar an jeder einzelnen Öffnung winzig klein, in der Summe aller Blätter entsteht aber eine gewaltige Kraft, die das Wasser bis in die obersten Spitzen eines 100 m hohen Mammutbaums treiben kann!

Übrigens: Dass dies so ist, sieht man daran, dass bei Regenwetter (hohe Luftfeuchtigkeit) und kaltem Wetter (Luft kann nur wenig Wasserdampf aufnehmen) die Wasserabgabe praktisch zum Erliegen kommt.

Könnten Pflanzen auf der Erde alleine überleben?

Ja, denn sie können mithilfe der Fotosynthese selbst organisches Material aufbauen, sie brauchen dazu nur Licht, Kohlendioxid und Wasser. Tiere und Pilze dagegen würden ohne Pflanzen verhungern, da sie nur bereits aufgebaute organische Substanz verwerten können. Neben diesen beiden Haupternährungsweisen gibt es in der Welt der Mikroorganismen noch andere, exotischere Daseinsformen: etwa die Methanbildner, Schwefelbakterien und sogar Eisen verwertende Mikroben. Lebewesen, die wie diese Exoten oder eben Pflanzen und Cyanobakterien im Prinzip ohne andere Lebewesen auskommen können, nennt man autotroph, solche, die dazu nicht in der Lage sind, heißen heterotroph.

Was geschieht eigentlich bei der Fotosynthese?

Insgesamt bilden die an der Fotosynthese beteiligten chemischen Reaktionen ein komplexes Geflecht von Vorgängen, doch in der Nettobetrachtung werden aus je sechs Molekülen Wasser und sechs Kohlendioxidmolekülen sechs Glucosemoleküle gebildet. Außerdem entstehen sechs Moleküle Sauerstoff. Interessant dabei ist, dass sich das Geschehen in zwei Teilprozesse aufgliedern lässt: Der eine ist die sog. Lichtreaktion, die nur bei Beleuchtung abläuft und die im Licht enthaltene Energie nutzt, um energiereiche Zwischenprodukte herzustellen.

Der andere Prozess ist die Dunkelreaktion, die auch nachts ablaufen kann und bei der die Glucosemoleküle gebildet sowie Wassermoleküle abgegeben werden. Es gibt eine Gruppe von Pflanzen, die vorwiegend in wüstenähnlichen Gegenden leben, die diese beiden Schritte konsequent zeitlich trennt. Auf diese Weise wird tagsüber das reichlich vorhandene Sonnenlicht genutzt, während in der viel kühleren Nacht der Wasserverlust bei der Glucosesynthese eingedämmt wird.

Hat Traubenzucker wirklich mehr Energie?

Ja und nein. Zuckermoleküle und andere Kohlenhydrate sind, chemisch gesehen, energiereiche Verbindungen. Das bedeutet, dass Energie aufgebracht werden muss, um sie herzustellen, und Energie frei wird, wenn man sie – wie wir Menschen es in den Mitochondrien unserer Zellen unablässig tun – wieder aufspaltet. Traubenzucker, chemisch gesehen nichts anderes als Glucose, ist aber nicht das energiereichste Kohlenhydrat in unserer Nahrung. Er zeichnet sich vielmehr durch seine geringe Größe aus: Glucose ist das kleinste Zuckermolekül (andere Zuckerarten entstehen u. a. durch Aneinanderreihung vieler Glucosebausteine). Dieses kleine Molekül geht sehr schnell ins Blut über und ist besonders leicht zu spalten, gibt also seine Energie sehr bereitwillig ab. Aus diesem Grund tragen Diabetiker immer ein Stück Traubenzucker bei sich, damit sie im Fall eines akuten Zuckermangels sofort das lebensrettende Molekül ihrem Körper zuführen können.

Brauchen wir Pflanzen zum Überleben?

Ja. Sie produzieren nicht nur Sauerstoff und die Grundlage unserer Nahrung, auch der Großteil unserer Kleidung, viele Medikamente und wichtige Rohstoffe wie Fasern oder Öle werden aus Pflanzen oder Pflanzenteilen gewonnen.

Übrigens: Pharmafirmen senden auch heute noch Wissenschaftler in entlegene Gebiete, um dort nach wissenschaftlich noch nicht beschriebenen Heilpflanzen zu forschen.

Wie blühen Topfblumen länger?

Indem alle Blüten, die gerade zu welken beginnen, entfernt werden. Mit der Befruchtung schaltet die Pflanze nämlich ihr genetisches Programm von »Blühen« auf »Früchte« um. Bricht man die Fruchtbildung frühzeitig ab, schaltet die Pflanze zurück und bildet neue Blüten.

Haben Pflanzen Speckpölsterchen?

Ja, und sie speichern momentan nicht benötigte Nährstoffe sogar viel effektiver als wir in unseren »Problemzonen« Bauch, Beine und Po. Die Nahrungsreserven einer Pflanze liegen allerdings meist versteckt im Boden, so dass sie ihrer grazilen äußeren Erscheinung keinen Abbruch tun. Besonders bekannte Beispiele sind die unterirdischen Wurzelknollen der Kartoffel und die verdickte Hauptwurzel der Karotte. Bei Zuckerrübe und Kohlrabi ragen die Speicherorgane zum Teil oder auch vollständig aus dem Boden heraus. Auch die Zwiebeln von Tulpe, Krokus und Knoblauch sind Nährstoffspeicher. Übrigens: Im Winter ziehen sich viele Pflanzen ganz in ihre Speicherorgane zurück. Die oberirdischen Teile sterben ab und keimen im kommenden Frühjahr dann aus Knolle, Wurzel oder Zwiebel wieder aus.

Wussten Sie, dass …

eine Reihe von Samenpflanzen sich nicht durch Samen, sondern nur über Ableger vermehrt? Der Begriff »Samenpflanze« stammt nämlich aus der biologischen Systematik und grenzt die höheren Pflanzen von den Sporenpflanzen und Algen ab.

eine einzige Orchideenfrucht mehrere Millionen Samen enthält und ein einzelner davon nur 0,000008 g wiegt?

die Tulpe den ersten Börsenkrach der Neuzeit auslöste? Im 17. Jahrhundert wurde die aus Asien eingeführte Modeblume zum riskanten Spekulationsobjekt.

der Wasserstrom in den Leitungsbahnen einer Pflanze eine beachtliche Geschwindigkeit erreichen kann und die Saugkraft der Wurzeln so groß ist, dass sie Wasser um bis zu 150 m anheben könnte?

im ewig schwülen Regenwald die Pflanzen durch Salzzugabe dem ansonsten zu schwachen Verdunstungsstrom in ihren Leitgefäßen nachhelfen?

Pflanzen Duft oder Aussehen von Tieren nachahmen, um ihre Bestäuber anzulocken?

Tiere: Bestens angepasst

Was hält Tiere in Form?

Ihr Skelett. Dieses bei den verschiedenen Tiergruppen sehr unterschiedlich ausgebildete Organsystem bestimmt nicht nur die Gestalt eines Tieres, sondern verleiht ihm auch mechanische Stabilität, ohne die das bewegte Leben dieses Organismenreiches gar nicht denkbar wäre.

Wirbeltiere besitzen ein Innenskelett. Es ist aus Knochensubstanz aufgebaut. Lediglich bei den Knorpelfischen wie Haien und Rochen besteht es aus einer Knorpelmasse. Die zahlreichen Einzelteile des Skeletts sind – über Sehnen und Bänder – durch Gelenke miteinander verbunden. Hauptteil des Wirbeltierskeletts ist die aus einzelnen Wirbeln zusammengesetzte Wirbelsäule; sie durchzieht als Achse den ganzen Körper. Die im Brustkorb liegenden inneren Organe sind von schützenden Rippen umgeben. An Schulter und Beckengürtel setzen die Gliedmaßenskelette an.

Insekten, Krebstiere und andere Gliederfüßer werden durch ein Außenskelett stabilisiert. Seine röhren- oder plattenförmigen Teile, die durch dünne Gelenkhäute miteinander verbunden sind, bestehen aus Chitin. Sie sind starr und können, anders als Knochen, nicht mitwachsen. Deshalb muss der Chitinpanzer von Zeit zu Zeit abgeworfen werden – das Tier muss sich häuten. Das neue Chitinskelett ist bereits unter dem alten fertig ausgebildet, es muss nach der Häutung nur noch an der Luft aushärten.

Bei Stachelhäutern, zu denen unter anderem Seesterne und Seeigel gehören, sind in die Haut Kalkplatten eingelagert. Ihr Skeletttyp wird als Hautskelett bezeichnet. Der Körper der Weichtiere, wie etwa der Regenwürmer, wird von einem Hautmuskelschlauch aus Ring- und Längsmuskeln gebildet. Seine Stabilität gewährleistet ein Hydro- oder Wasserskelett, das heißt, allein der Flüssigkeitsdruck im Inneren hält die Form des Skeletts aufrecht.

Wie atmen Insekten ohne Lunge?

Bei den Insekten versorgt das sog. Tracheensystem die Körperzellen mit Sauerstoff. Das lebensnotwendige Gas wird also nicht wie bei den Wirbeltieren über eine Lunge aufgenommen und dann durch den Blutkreislauf verteilt. Die röhrenförmigen Tracheen besitzen dünne, elastische Wände, die durch eine eingelagerte Chitinspirale stabilisiert werden. Die Luft wird durch Atemöffnungen (Stigmen) aufgenommen, die seitlich am Hinterleib als kleine Poren zu erkennen sind. Jede Öffnung ist mit einer Schutzvorrichtung aus Chitinhärchen versehen, die das Eindringen von Fremdkörpern verhindert. Von jedem Stigma aus führen Luftröhren in das Innere des Insektenkörpers, wo sie sich verzweigen und als feinste Tracheolen alle Organe umspinnen. Beim Ein- und Ausatmen befördern rhythmische Pumpbewegungen die Atemluft durch die Tracheen. Dabei verkürzen sich spezielle Atemmuskeln und drücken den Hinterleib zusammen.

Unter Wasser lebende Insektenlarven haben sich an ihren speziellen Lebensraum angepasst und Tracheenkiemen entwickelt, bei denen die Atemöffnungen verschlossen sind. Sie sind als sehr zarte paarige Körperanhänge an den Beinen oder den Brustsegmenten ausgebildet. Bei manchen Arten können sie über Muskeln bewegt werden.

Wie viele Augen hat eine Libelle?

Weder zwei wie ein Mensch, noch acht wie eine Spinne, noch 100 wie die Sagengestalt Argus, sondern – 28 000!

Insektenaugen sind ganz anders aufgebaut als das Sehorgan von Wirbeltieren und Weichtieren. Ihre sog. Komplex- oder Facettenaugen setzen sich aus vielen sechseckigen, keilförmigen Einzelaugen zusammen. An deren äußerstem Ende sitzt eine Linse, an die sich der Glaskörper anschließt. Weiter nach innen liegen acht lichtempfindliche Sehzellen, die zu einer Röhre zusammengefasst sind. Pigmentzellen, in die Farbstoffe eingelagert sind, schirmen die Einzelaugen gegeneinander ab.

Aus diesem Aufbau resultiert eine ganz besondere Sehweise: Komplexaugen liefern gerasterte Bilder, wobei jeder Rasterpunkt dem Bild eines Einzelauges entspricht. Je mehr Einzelaugen also ein Komplexauge hat, umso schärfer wird das Bild. Ihre Anzahl kann zwischen den verschiedenen Arten erheblich schwanken. Während die Augen der Roten Waldameise beispielsweise aus 600 Einzelaugen zusammengesetzt sind, sind es bei der Stubenfliege 3200 und bei der Libelle bis zu 28 000. Verglichen mit dem Wirbeltierauge entsteht jedoch selbst hieraus nur ein grob gerastertes Bild. Der Vorteil des Komplexauges liegt in seinem hohen zeitlichen Auflösungsvermögen. Während das menschliche Auge höchstens 60 Bilder pro Sekunde voneinander getrennt wahrnehmen kann, verarbeiten Komplexaugen bis zu 300 Bilder pro Sekunde, können also besonders gut Bewegungen erkennen.

Wer kann Hindernisse hören?

Fledermäuse. Sie orientieren sich, indem sie wie ein Schiffsecholot Ultraschalltöne von sich geben und das von Hindernissen oder Beutetieren zurückgeworfene Echo empfangen und analysieren. Dies ist sinnvoll, da sie als Nachttiere unabhängig von äußerer Belichtung sein müssen.

Unter Ultraschall versteht man Geräusche mit Frequenzen zwischen 20 000 und 400 000 Hertz. (Zum Vergleich: Der unter Musikern bekannte Kammerton hat 440 Hz, die höchsten vom Menschen noch wahrnehmbaren Töne liegen je nach Alter zwischen 10 000 und 20 000 Hertz.) Die aufgefangenen Ultraschallechos liefern dem hochangepassten Fledermaushirn ein Fülle von Informationen: Aus der Laufzeit ergibt sich die Entfernung, aus Unterschieden zwischen rechtem und linkem Ohr die Richtung und aus Lautstärke und Form der Ultraschallwellen kann sogar auf Größe sowie Geschwindigkeit des angepeilten Opfers geschlossen werden. Versuche haben gezeigt, dass Fledermäuse allein aufgrund des Echos sogar zwischen einer lebenden Beute und gleich schnellen ungenießbaren Nachbildungen unterscheiden können.

Übrigens: Die Echoortung der Fledermäuse ist beileibe keine »Notlösung« für dunkle Stunden. Wer einmal in der Abenddämmerung Fledermäusen bei der Jagd auf Insekten zugesehen hat, weiß, dass von den einheimischen Vögeln allenfalls Schwalben und Mauersegler ihre Flugkünste mit denen der Fledermäuse messen können.

Woran erkennt man Fleisch- und Pflanzenfresser?

Diese nicht nur für Spezialisten interessante Frage lässt sich am Verdauungsorgan, am einfachsten aber am Gebiss eines Tieres entscheiden. Form und Stellung der Zähne verraten, ob ein Tier ein harmloser Pflanzenfresser, ein gefährlicher Fleischfresser oder ein vielseitiger Allesfresser ist.

Das Rind beispielsweise hat ein Pflanzenfresser-, oder genauer: ein Wiederkäuergebiss. Mit den Schneidezähnen und Eckzähnen im Unterkiefer reißen Rinder das Gras ab, das anschließend von den in Unter- und Oberkiefer sitzenden breiten Backenzähnen zermahlen wird. Beim Raubtiergebiss eines Fleischfressers, etwa einer Katze, fallen besonders die langen, spitzen Eckzähne auf. Mit ihnen wird die Beute ergriffen, festgehalten und getötet; sie heißen auch Fangzähne. Die größten Backenzähne, auch Reißzähne genannt, haben scharfkantige Höcker und arbeiten wie eine Schere gegeneinander. Die Schneidezähne sind recht klein und flach; sie werden eingesetzt, um Fleischreste von Knochen abzuschaben. Wildschweine sind – wie wir Menschen – Allesfresser. Ihr Gebiss vereinigt Merkmale des Pflanzenfresser- und des Fleischfressergebisses. Es besteht aus kleinen Schneidezähnen zum Ergreifen und Festhalten der Nahrung, mittelgroßen Eckzähnen und breiten Backenzähnen.

Können Tiere auch ohne Sexualität auskommen?

Der Mensch bekanntlich nicht, Fische und manche Frösche dagegen haben meist keinen Geschlechtskontakt, sondern überlassen es dem Wasser, Samen und Eizellen zusammenzubringen. Noch enthaltsamer geht es bei Süßwasserpolypen zu: Diese primitiven Wasserbewohner vermehren sich, indem aus der Mutter seitliche Auswüchse knospen, die abfallen und zu selbstständigen Tochterindividuen heranwachsen. Unentschieden geht es schließlich bei Schirmquallen aus: Hier wechselt sich immer eine Generation sexueller mit einer Generation ungeschlechtlicher Vermehrung durch Knospung ab.

Gleicht der Schmetterlingsnachwuchs den Eltern?

Nein – das alte Sprichwort, nach dem Kinder immer nach ihren Eltern kommen, gilt bei Schmetterlingen (und auch Fröschen) anfangs nicht. Aus dem Ei eines Schmetterlings schlüpft eine flügellose Raupe mit vielen kleinen Stummelbeinen, die sich erst verpuppen muss, um zum sechsbeinigen Falter zu werden. Auch Kaulquappen, die Larven von Fröschen und Kröten, haben einen ganz anderen Körperbau als ausgewachsene Exemplare. Dieser als Metamorphose bezeichnete Umbau des Körpers vor dem Erwachsenwerden kommt u. a. auch beim Seeigel und parasitisch lebenden Würmern vor. Bei Heuschrecken und Libellen tritt eine unvollkommene Metamorphose auf, bei der sich die Larven allmählich zum ausgewachsenen Tier weiterentwickeln.

Gibt es Fische, die nur aus Hoden bestehen?

Ja, die nur 6–7 mm langen Männchen des Tiefseefischs Photocorynus spiniceps. Sie haben ihren Körperbau vollständig auf das Wesentliche reduziert, nämlich die Besamung der Eier ihrer Geschlechtspartnerinnen. Sie sind dauerhaft an das etwa achtmal größere Weibchen angewachsen und werden von diesem ernährt wie ein Embryo im Mutterleib.

Warum kauen Kühe zweimal?

Gras ist zwar fast weltweit reichlich vorhanden, enthält aber so wenige und so schwer zu erschließende Nährstoffe, dass Wiederkäuer wie die Kühe dazu übergegangen sind, ihre Nahrung in zwei Stufen zu verwerten: Nach dem ersten Kauen wandert die Nahrung in Pansen und Netzmagen und wird anschließend zum Wiederkäuen wieder in den Mund befördert. Erst danach geht es über Pansen und Blättermagen in Labmagen und Darm, wo die eigentliche Verdauung stattfindet.

Wussten Sie, dass …

die Tracheen sich bei der Häutung eines Insekts komplett erneuern?

auch Delfine ein Echolotsystem besitzen?

Fische mit dem Seitenlinienorgan einen »sechsten Sinn« besitzen, mit dem sie aus der Wasserströmung Bewegungen entfernter Objekte herauslesen?

einige Fische wie Zitteraal und Zitterrochen mit ihrer Elektrowahrnehmung sogar noch einen »siebten Sinn« haben?

Katzenhaie 100-mal so viele Geschmacksknospen haben wie der Mensch, Schlangen dagegen gar keine?

Schlangen mit ihrem Grubenorgan eine Wärmebildkamera, also ein Infrarotauge besitzen?

Genetik: Dem Bauplan des Lebens auf der Spur

Warum standen Erbsen am Beginn der Genetik?

Weil der Augustinermönch Gregor Mendel (1822–1884) in den 1850er und 1860er Jahren im Klostergarten aus den Ergebnissen von Kreuzungsexperimenten mit Erbsen seine berühmten Vererbungsregeln ableitete. Erbsen weisen – wie einige andere Pflanzen – einfache und leicht unterscheidbare Merkmale auf, sie sind darüber hinaus noch leicht zu kultivieren. Bei ihnen treten rote, weiße und mischfarbige Blüten auf, die Erbsenfrüchte können gelb oder grün und rundlich oder eher kantig gestaltet sein. Zum Beispiel kreuzte er Pflanzen mit runden gelben Erbsen mit solchen, die grüne runzlige Erbsen trugen. Die erste Tochtergeneration hatte ausnahmslos gelbe und runde Früchte, wohingegen in der nächsten Generation alle möglichen Kombinationen auftraten: gelb-runzlige, grün-glatte, gelb-glatte und grün-runzlige Früchte, wobei die gelben und runden Formen zahlenmäßig dominierten. Indem er immer wieder Pflanzen mit unterschiedlichen Merkmalsausprägungen kreuzte, konnte Mendel Regeln für die Weitergabe dieser Merkmale über die Generationen aufstellen. Insbesondere gelangte er zu der fundamentalen Erkenntnis, dass durch die Vermischung von mütterlichem und väterlichem Erbgut neue Merkmalskombinationen entstehen können.

Ebenso wusste Mendel, dass es dominant und rezessiv vererbte Anlagen (oder in moderner Sprechweise: Gene) gibt: Im ersten Fall genügt es, dass ein Elternteil das entsprechende Merkmal aufweist, damit es in der nächsten Generation auftritt, im zweiten Fall muss es bei beiden Eltern vorliegen. Im obigen Beispiel waren gelbe Farbe und runde Form dominante, grün und runzlig rezessive Merkmale. Bei uns Menschen wird die Augenfarbe auf ähnliche Weise weitergegeben: Braune Augen werden dominant, blaue rezessiv vererbt.

Was sind Chromosomen?

Fadenförmige Gebilde im Inneren einer Zelle, die während der Zellteilung auftreten und sich mit bestimmten Farbstoffen anfärben lassen. Sie wurden 1850 entdeckt, doch erst nach 1900 erkannte man, dass sie die stofflichen Träger der Erbanlagen sind. Die Erbanlagen oder Gene sind in einer bestimmten Reihenfolge in den Chromosomen angeordnet. Sie bestimmen in Wechselwirkung mit der Umwelt die Ausbildung der besonderen Merkmale eines Lebewesens. Alle Gene zusammen bilden die genetische Ausstattung eines Organismus, das Genom. Die Anzahl der Chromosomen, der Chromosomensatz, ist für eine Tier- oder Pflanzenart immer gleich. Zwischen den Arten bestehen jedoch große Unterschiede: Taufliegen besitzen nur acht Chromosomen, bei manchen Farnen dagegen wurden rund 500 gezählt. Die Körperzellen des Menschen enthalten 46 Chromosomen. Während in gewöhnlichen Körperzellen jedoch jedes Chromosom immer genau zweimal enthalten ist, sind Ei- und Samenzelle (die Geschlechtszellen) nur mit je einer Version jedes Chromosoms ausgestattet. Man sagt, sie trügen einen halben Chromosomensatz; dies ist jedoch missverständlich, weil jede Geschlechtszelle den vollständigen Bauplan eines Organismus enthält.

Kann man Gene sehen?

Im Prinzip ja – es ist allerdings ein Elektronenmikroskop mit hoher Vergrößerung nötig. Anders als in früheren Zeiten angenommen, ist nämlich der Bauplan eines Lebewesens keine rein geistige Idee oder dem Willen eines übernatürlichen Wesens anheimgestellt. Tatsächlich ist ein Gen ein bestimmter Abschnitt eines Riesenmoleküls mit dem komplizierten Namen Desoxyribonucleinsäure (DNS oder englisch bzw. fachsprachlich DNA).

Die DNA ist ein kettenförmiges Molekül, das sich aus einzelnen Bausteinen, den Nucleotiden, zusammensetzt. Jedes Nucleotid wiederum besteht aus einem Desoxyribose genannten Zuckermolekül, einem Phosphorsäuremolekül und einer von vier organischen Basen, welche die Namen Adenin (A), Guanin (G), Cytosin (C) und Thymin (T) tragen. Diese Basen sind die Buchstaben des genetischen Codes, weswegen Wissenschaftler manchmal auch von der Basenabfolge eines Gens sprechen.

Der entscheidende Clou der DNA liegt darin, dass sie aus zwei umeinander verdrillten Strängen besteht, welche beide dieselbe Information tragen. Dadurch ist es möglich, auf einfache Weise bei der Zellteilung eine identische Kopie des Erbguts zu erstellen: Beide Stränge werden getrennt und jeweils zu neuen Doppelsträngen ergänzt.

Um ein Gen zu betrachten, müsste man an sich im Prinzip nur ein Foto des DNA-Moleküls machen, das so stark vergrößert ist, dass die einzelnen Nucleotide bzw. ihre Basen erkannt werden können. Solche Vergrößerungsfaktoren sind zwar technisch möglich. Im Zellkern allerdings liegt die DNA nicht als offener Strang vor, sondern ist auf komplexe Weise um Stützproteine herum aufgewickelt: die Chromosomen, denn bei ihnen handelt es sich molekularbiologisch betrachtet um nichts anderes als »schmutzige« DNA-Knäuel.

Was ist das Wörterbuch des Lebens?

Der genetische Code, also das Regelwerk, nach dem die Basenabfolge der DNA in Bauanleitungen für Proteine übersetzt wird. Das Prinzip ist überraschend einfach: Proteine sind Ketten von Aminosäuren. Diese sind zwar oft sehr lang und darüber hinaus auf komplizierte Art dreidimensional gefaltet, aber sie alle sind aus jeweils charakteristischer Abfolge von nur 20 verschiedenen Aminosäuren als Grundbausteinen aufgebaut. Nun bilden immer drei Basen ein »genetisches Wort«, das die Genetiker Basentriplett oder Codon nennen. Jedes Codon steht für genau eine Aminosäure, das Wörterbuch des Lebens ist demnach einfach eine Tabelle, die angibt, welches der 64 möglichen Codons für welche der 20 Aminosäuren steht. Beispielsweise stehen sowohl das Basentriplett GCA als auch GCC und GCG für die Aminosäure Alanin, und die Abfolgen UUU und UUC codieren den Aminobaustein Phenylalanin. Diese scheinbare Mehrdeutigkeit ist ein wichtiger Schutz vor zufälligen Übertragungsfehlern.

Wer knackte den genetischen Code?

Der US-Amerikaner James Watson (*1928) und der Brite Francis Crick (1916–2004) spielten die Hauptrolle bei der spannenden Suche nach den Übersetzungsregeln des genetischen Wörterbuchs. Bereits 1930 hatte der spätere Nobelpreisträger Linus Pauling (1901–1994) den schraubenartigen Aufbau wichtiger Zellmoleküle erkannt. 1953 schloss Rosalind Franklin (1920–1958) aus röntgenkristallographischen Aufnahmen, dass dies auch für die DNA gelten musste. Watson und Crick aber waren diejenigen, die zuerst auf die Idee kamen, die Abfolge der DNA-Bausteine könnte als Anweisung für die Aneinanderreihung von Aminosäuren aufzufassen sein.

Ist das Erbgut des Menschen entschlüsselt?

Im Wesentlichen ja, es gibt aber noch Lücken zu schließen. Das Erbgut (oder Genom) einfacher Lebewesen wurde schon in den 1990er Jahren vollständig decodiert oder – fachsprachlich ausgedrückt – sequenziert. Das riesige Genom unserer eigenen Art dagegen galt zunächst als viel zu groß für dieses Unterfangen.

Dennoch wurde beschlossen, das Humangenom-Projekt (HGP) ins Leben zu rufen. Zwei Gruppen, eine staatlich geförderte und ein Privatunternehmen, begannen 1990 die Entschlüsselungsarbeit am menschlichen Erbgut. Dank enormer Fortschritte der Computertechnik ging die Arbeit um ein Vielfaches schneller voran als zunächst angenommen. Schon 2001 veröffentlichten beide Gruppen eine erste Version der Basenabfolge des menschlichen Erbguts, der zufolge es etwa 30 000–40 000 Gene enthält, also Abschnitte, welche die Bauanleitung für jeweils ein Protein codieren. Von den damals 150 000 Lücken in der Liste sind mittlerweile fast alle geschlossen, so dass im Jahr 2005 der erfolgreiche Abschluss des Humangenom-Projekts verkündet wurde.

Übrigens: Schon in zehn Jahren soll es möglich sein, für wenige tausend Euro eine komplette Auflistung des eigenen Erbguts erstellen zu lassen. Die Kosten des Humangenom-Projekts beliefen sich dagegen auf mehrere Milliarden Euro.

Junge oder Mädchen – bestimmt es der Vater?

Ja, über das Geschlecht eines Babys bestimmt der Vater, wenn auch nicht willentlich. Genauer gesagt, sind zwei der 46 menschlichen Chromosomen, nämlich das X- und das Y-Chromosom, hierfür verantwortlich. Die Namen leiten sich von der ungefähren Form dieser beiden Chromosomen her. Männer tragen je ein Y- und ein X-Exemplar, Frauen dagegen zwei X-Chromosomen. Aus diesem Grund nennt man »X« und »Y« auch Geschlechtschromosomen oder Gonosomen. Die beiden unterschiedlichen Gonosomen von Jungen und Männern sind also die einzige Ausnahme von der Regel, dass Chromosomen in Körperzellen immer doppelt vorkommen.

Samenzellen und Eizellen haben, anders als Körperzellen, nur 23 Chromosomen, also den halben Chromosomensatz. Dies bedeutet, dass die Spermien eines Mannes sich in zwei Gruppen aufteilen: solche, die ein X-Chromosom tragen, und solche mit Y-Chromosom. Je nachdem, welcher Samenzellentyp die weibliche Eizelle (die ja immer ein X-Chromosom hat) befruchtet, bekommt der sich entwickelnde Embryo also zwei X-Chromosomen mit und wird ein Mädchen, oder er erhält ein X und ein Y und wird ein Junge.

Übrigens: Unter Biologen ist es immer noch umstritten, ob das Y-Chromosom ein verkümmertes X-Chromosom ist, also Männer Frauen »mit kleinem Defekt« sind – oder ob im Gegenteil Frauen Männer sind, denen im Laufe der Evolution das Y-Chromosom verloren gegangen ist.

Wofür steht das Kürzel »DNA«?

DNA ist die englische Abkürzung für den chemischen Namen des Moleküls, welches die Erbinformation aller Lebewesen und auch vieler Viren enthält: »deoxyribonucleic acid«. Die weniger gebräuchliche deutsche Abkürzung »DNS« steht für »Desoxyribonucleinsäure«.

Was ist Trisomie 21?

Eine auch als Down-Syndrom bezeichnete geistige Behinderung, deren Ursache eine überzählige Kopie des 21. Chromosoms ist (die griechische Vorsilbe »tri« bedeutet »drei«). Während ein Mensch normalerweise nicht leben kann, wenn ein Chromosom drei- statt zweifach vorliegt, ist das 21. Chromosom so klein, dass eine überzählige Version zwar zu Entwicklungsverzögerungen und motorischen sowie kognitiven Einschränkungen führt. Menschen mit dieser Behinderung können aber durchaus lernen und auch arbeiten, sie werden mit guter Lebensqualität bis zu 60 Jahre alt und haben in Einzelfällen sogar höhere Schulabschlüsse erworben.

Mendel – Mönch oder Wissenschaftler?

Mendel war beides und damit in doppelter Hinsicht Außenseiter. Geboren im Jahr 1822 als Johann Mendel im mährischen Heinzendorf (heute Hyncice), hatte er als Bauernsohn wenig Aussicht auf umfassende Bildung. Dennoch konnte er in Olmütz (Olomouc) erfolgreich drei Jahre das Philosophische Institut besuchen. Danach trat er v. a. aus finanziellen Gründen in den Augustinerorden ein und nahm den Ordensnamen Gregor an. Mendel studierte Theologie (Priesterweihe 1847), das Lehramt sowie Naturwissenschaft. Ab 1849 arbeitete er v. a. als Lehrer. 1856 bis 1863 führte er seine berühmten Kreuzungsversuche durch, die er 1865 in einem Vortrag mit dem Titel »Versuche über Pflanzenhybriden« erstmals vorstellte. Erst im Jahr 1900, 16 Jahre nach seinem Tod, wurde Mendels Arbeit von der Fachwelt entdeckt.

Wussten Sie, dass …

menschliche DNA eines der längsten natürlichen Moleküle ist? Bei einer Dicke von nur 2 nm (Milliardstel Meter) ist sie mehrere Zentimeter lang und enthält über 100 Milliarden Atome. Ein Kupferkabel mit entsprechenden Proportionen wäre 50 km lang!

man mit der Aufklärung der Basenabfolge im menschlichen Genom noch lange nicht alles über unser Erbgut weiß? Die Frage, welches Gen für welches Protein steht und welche Funktion das Protein hat, ist bisher erst in wenigen Einzelfällen beantwortet worden.

Gene lange Abschnitte enthalten, die nicht für irgendwelche Aminosäuren stehen und vor der Proteinsynthese aus den »Abschriftmolekülen« entfernt werden?

die Erbinformation nicht allein in den Genen steckt? Kleine, mit der DNA verknüpfte Moleküle können z. B. Gene aktivieren oder hemmen und dadurch u. a. die Embryonalentwicklung steuern.

das Erbgut mancher Viren nicht als DNA, sondern als Ribonucleinsäure (RNS bzw. RNA) vorliegt?

Ökologie: Vom Haushalt der Natur

Womit beschäftigt sich die Ökologie?

Die Ökologie als Wissenschaft ist ein anerkanntes Teilgebiet der Biologie und befasst sich, ganz allgemein gesagt, mit den vielfältigen Beziehungen zwischen Lebewesen und Umwelt – wobei diese Umwelt zu einem großen Teil aus wieder anderen Lebewesen besteht. Oft spricht man auch von der Lehre vom Haushalt der Natur, was zugleich die Wortwahl erklärt: Das griechische Wort »oikos« bedeutet Haus, Haushalt. Dass dieser Haushalt durch die Aktivitäten des Menschen immer mehr aus dem Gleichgewicht gerät, hat den Begriff Ökologie in den Bereich des Politischen wandern lassen. Doch faszinierende Wechselbeziehungen und komplexe Lebensgemeinschaften gab es schon im Altertum, in der Steinzeit, im Zeitalter der Dinosaurier und sogar im Urozean, wo einst das Leben entstand.

Was sind die wichtigsten Umweltfaktoren?

Licht, Wärme und Wasser sind die einflussreichsten physikalischen Faktoren, Nahrungskonkurrenten, Raubtiere, Krankheitserreger und Sexualpartner die entscheidenden Einflussgrößen der belebten Umwelt.

Licht ist die Grundlage der Fotosynthese, aus der alle pflanzlichen und damit auch alle tierischen Nährstoffe hervorgehen. Darüber hinaus ermöglicht es den Tieren, sich mithilfe ihrer Augen zurechtzufinden. Von der Außentemperatur hängen viele pflanzliche Vorgänge ab, so die Bildung von Blütenknospen, die Fruchtreife und der herbstliche Blätterfall. Wechselwarme Tiere, also alle außer Säugern und Vögeln, können ihren Stoffwechsel nur bei hinreichend hohen Außentemperaturen aufrechterhalten. Zu große Hitze oder Kälte schädigen jeden Organismus. Wasser wiederum ist für jedes Lebewesen lebensnotwendig: Der größte Teil der Körpermasse jedes Tieres und jeder Pflanze besteht aus Wasser.

Dass Fressfeinde und Nahrungskonkurrenten das Leben von Tier und Pflanze unmittelbar beeinflussen, leuchtet sofort ein. Doch auch Parasiten, bakterielle Keime und Viren können ganze Bestände bedrohen. Und schließlich spielt die Suche nach Sexualpartnern und nach möglichst effektiver Weitergabe der eigenen Gene eine so große Rolle für jedes Individuum, dass dafür der Fachbegriff »sexuelle Evolution« geprägt wurde. Folge sind z. B. der Gesang der Vögel, die bezaubernden Blüten der Orchideen und auch beim Menschen so manche Eigenart von Frau und Mann.

Wie dienen Räuber-Beute-Beziehungen der Natur?

Zwischen Fleischfressern und den von ihnen bejagten Arten herrscht – ebenso wie zwischen Pflanzenfressern und ihren Futterpflanzen – eine wechselvolle Beziehung mit gegenseitigen Abhängigkeiten. Frisst etwa ein Fuchs zu viele Hasen, so haben diese nicht genug Nachkommen, um die kommende Fuchsgeneration zu ernähren. Auch beugt die Tatsache, dass durch Krankheiten geschwächte Tiere von Füchsen bevorzugt erbeutet werden, der Ausbreitung von Krankheiten in der Hasenpopulation vor. Noch komplexer wird die Angelegenheit, wenn man bedenkt, dass die meisten Räuber mehr als nur eine Beuteart haben. Zugleich ist der Fressfeind eines Pflanzenfressers gewissermaßen der Beschützer von dessen Futterpflanze. Obwohl die Abhängigkeiten im sog. Nahrungsnetz eines Lebensraums fast beliebig kompliziert werden können, ist es gelungen, mit einfachen ökologisch-mathematischen Modellen das Auf und Ab der Populationen von Räuber und Beute in isolierten Lebensräumen erstaunlich gut nachzuvollziehen.

Warum gibt es im Naturhaushalt keinen Abfall?

Weil in einem Ökosystem (fast) perfektes Recycling herrscht. Die Reste jeder Mahlzeit, alle abgestorbene Biomasse dienen irgendeinem Organismus als Nahrung. Das Einzige, was dem Kreislauf von Synthese und Abbau entgeht, ist Materie, die in der Tiefsee (selten auch in Ablagerungen auf dem Festland) versinkt und sich zu sog. Sedimenten verfestigt. Bekanntes Beispiel hierfür sind Fossilien, die von Lebensformen früherer Erdzeitalter künden. Doch diese stellen im Vergleich zur Biomasse der Lebewesen der vergangenen Jahrmilliarde einen winzigen Bruchteil dar.

Tatsächlich sind Stoffkreisläufe das grundlegende Merkmal zur Beschreibung von Ökosystemen. Man unterscheidet dabei Produzenten (grüne Pflanzen), Konsumenten (Pflanzen-, Fleisch- und Allesfresser) und Destruenten (Zersetzer), deren »Abfall« als Nährstoff für die Produzenten dient. Konkret etwa bilden Gräser große Mengen an Grünfutter, das von Kühen gefressen wird. Deren Ausscheidungen, der »Dung«, dienen als Dünger für die Gräser. Wird die Kuh gefressen, so nimmt der Kreislauf den Umweg über die Verdauungsorgane des Fleischfressers, das Resultat ist dasselbe.

Was ist eine Symbiose?

Unter Symbiose versteht man eine oft sehr enge Gemeinschaft zwischen unterschiedlichen Arten zu beiderseitigem Vorteil. Die Partner können dabei sehr verschieden sein, etwa Kuh und Einzeller, wobei Letztere davon leben, im Darm der Kuh bei der Zelluloseverdauung zu helfen, oder die giftigen, festsitzenden Seeanemonen, in deren Fangarmen Clownfische ihr Zuhause finden.

Besonders faszinierende Symbiosen mit mehr als zwei Partnern findet man bei Ameisen. So gibt es eine Ameisenart, die für ihre Ernährung in ihrem Bau Pilze auf selbst zusammengetragenem Kompost züchtet. Die Brust der Arbeiterinnen ist mit Bakterien bewachsen, die ein Gift absondern, mit dessen Hilfe die Ameisen Parasiten bekämpfen, die andernfalls die Pilzkultur zerstören würden.

Wer hat die Ökologie erfunden?

Den Begriff »Ökologie« prägte der deutsche Zoologe Ernst Haeckel (1834–1919), erstmals verwendete er ihn im Jahr 1866. Er war der wichtigste und einflussreichste Verteidiger des Darwinismus in Deutschland und machte sich auch als Philosoph einen Namen.

Wussten Sie, dass …

Pfauenweibchen Männchen mit besonders großem Rad deshalb bevorzugen, weil nur die stärksten Männchen mit solch einem hinderlichen Organ überleben können?

sich in langen Nahrungsketten Schadstoffe anreichern können und darum große Raubtiere wie auch der Mensch leicht durch Umweltgifte geschädigt werden?

Verhaltensforschung: Von Instinkten und Geistesblitzen

Was bringt der Instinkt?

Angeborene Verhaltensweisen, auch Instinkte genannt, lassen lebensnotwendige Reaktionen schnell und sicher ablaufen und entlasten das Gehirn.

Typische Instinkthandlungen sind die sog. unbedingten Reflexe. Diese werden immer von einem ganz bestimmten äußeren Reiz ausgelöst, dem Schlüsselreiz. Dass sie für das Überleben eines Tiers wichtig sind, sieht man auch daran, dass sie bei praktisch allen Arten inklusive des Menschen und innerhalb einer Art bei allen Individuen anzutreffen sind. Sie können jederzeit hervorgerufen werden und laufen schnell ab. Wird ein unbedingter Reflex in einem Lernvorgang mit zusätzlichen Reizen verknüpft, spricht die Wissenschaft von einem bedingten Reflex.

Ein Beispiel für einen unbedingten Reflex ist das Schnabelsperren, das bei den Nestlingen der meisten Vogelarten zu beobachten ist. Jungvögel sind in ihrem Nest den vielfältigsten Reizen aus ihrer Umwelt ausgesetzt, wie beispielsweise Wärme, Kälte oder Erschütterungen. Aber nur Erschütterungen rufen das Schnabelsperren der noch blinden Jungen hervor: Sobald sich ein Altvogel auf dem Nestrand niederlässt, reißen die Jungen ihre Schnäbel auf. Dabei treten die gelben Wülste am Rand des Schnabels deutlich hervor und das Innere des Rachens wird sichtbar. Es ist meist intensiv gefärbt und manchmal mit einer Zeichnung versehen, die für die Art charakteristisch ist. Der Sperrrachen seinerseits ist wiederum für den Altvogel der auslösende Reiz, die Jungen mit Futter zu versorgen.

Gibt es auch beim Menschen Reflexe?

Ja. Bereits direkt nach der Geburt können auch beim Menschen unbedingte Reflexe nachgewiesen werden. So führt ein Neugeborenes mit dem Kopf Drehbewegungen aus und verzieht den Mund, wenn man es an der Wange berührt. Die Berührung löst nämlich den Suchreflex aus, der dazu dient, die mütterliche Brust zu finden. Auf die Berührung der Lippen reagiert der Säugling dann mit Saugbewegungen. Such- und Saugreflex bleiben etwa bis zum dritten Lebensmonat erhalten.

Auch beim erwachsenen Menschen lassen sich unbedingte Reflexe beobachten, beispielsweise der Kniesehnenreflex, der durch einen Schlag auf die Kniesehne hervorgerufen wird und oft bei allgemeinärztlichen Untersuchungen mit einem kleinen Hämmerchen überprüft wird. Weiterhin gibt es den Lidschlussreflex, der das Eindringen von Fremdkörpern ins Auge verhindert, den Speichelreflex, der bereits beim Anblick von Essbarem den Speichelfluss in Gang setzt, oder den Pupillenreflex, der die Pupillengröße den Lichtverhältnissen anpasst.

Wille oder Instinkt: Was steuert den Menschen?

Beides. Dass Menschen frei Willensentscheidungen treffen können, gehört zu den zentralen Grundüberzeugungen der europäischen Kultur. Doch es gibt auch bei uns komplexe Verhaltensweisen, die auf angeborenen Mechanismen beruhen. Dies lässt sich beispielsweise zeigen, wenn man das Verhalten von Menschen unterschiedlicher Kulturkreise miteinander vergleicht. So konnte der österreichische Verhaltensforscher Irenäus Eibl-Eibesfeldt belegen, dass Ausdrucksbewegungen des Grüßens, Flirtens, Lachens und Weinens, der Abwehr und der Verachtung in allen Kulturen im Wesentlichen übereinstimmen, also mit großer Wahrscheinlichkeit angeboren sind. Dies scheinen auch Beobachtungen an taubblind Geborenen nahe zu legen, die wie Menschen mit gesunden Augen und Ohren lachen, schmollen, zürnen und weinen, obwohl sie keine Möglichkeit hatten, diese Ausdrucksformen ihrer Gefühle durch Nachahmung zu lernen.

Auch bei der Partnerwahl spielen angeborene Verhaltensweisen eine Rolle. Obwohl man sich dessen nicht bewusst ist, erregen zunächst bestimmte äußere Merkmale, die als sexuelle Schlüsselreize wirken, die Aufmerksamkeit. Bei Männern gehören dazu breite Schultern, ein schmales Becken, ein flacher Bauch und ein muskulöser Körperbau. Diese Merkmale werden als Mann-Schema zusammengefasst. Das entsprechende Frau-Schema im westlichen Kulturkreis umfasst einen schlanken Körper, lange Beine, große Augen, einen wohlgeformten Busen, lange Haare sowie eine schmale Taille mit breiten Hüften. Solche sexuellen Schlüsselreize werden auch erfolgreich in der Werbung eingesetzt, um den Blick der Käufer auf ein Produkt zu lenken.

Wie lernen Tiere?

Es gibt verschiedene Formen des Lernens im Tierreich: Prägung, Lernen durch Belohnung und Strafe oder durch Nachahmung bis hin zum Lernen durch Einsicht, was viele nur dem Menschen zutrauen, aber bei verschiedenen Arten zweifelsfrei nachgewiesen wurde. Allen Lernformen ist gemeinsam, dass in einer Reizsituation zunächst neue Informationen aufgenommen und im Gedächtnis gespeichert werden (Lernphase); sie können dann bei Bedarf abgerufen werden und bewirken aufgrund der Erfahrung ein geändertes Verhalten (Kannphase).

Denken Tiere beim Lernen nach?

Ja. Nachgewiesen wurde dies in sog. Umwegversuchen. Dabei kann das Tier ein Ziel nicht auf direktem Weg erreichen, sondern ist gezwungen, einen Umweg zu nehmen. Findet es diesen Weg auf Anhieb, ohne dass es einfach alle Möglichkeiten ausprobiert, so kann man auf Einsicht schließen. Solche gedanklichen Leistungen sind nicht nur von Säugetieren bekannt. Versuchen beispielsweise Kolkraben ein Stück Fleisch zu ergattern, das an einem Bindfaden außerhalb ihrer Reichweite hängt, so können sie dafür Strategien entwickeln, die ebenfalls auf ein Lernen durch Einsicht schließen lassen. Und auch beim intelligentesten Weichtier, dem Kraken, sind erstaunliche Lernleistungen beobachtet worden.

Bei Menschenaffen ist zielgerichtetes Verhalten besonders ausgeprägt. So entwickelten etwa Orang-Utans und Schimpansen in verschiedenen Versuchen die unterschiedlichsten Techniken, um an für sie unerreichbare Bananen heranzukommen. Sie stapelten herumliegende Kisten aufeinander oder steckten mehrere kurze Stöcke zu einem langen Stock zusammen, bis sie das Futter schließlich erreichen konnten. Der Handlungsphase ging dabei immer eine Planungsphase voraus, die sich von ihr deutlich unterschied. Während dieser Phase verhielten sich die Tiere still und schienen sich eingehend in Gedanken mit der Situation zu beschäftigen.

Übrigens: Man hat herausgefunden, dass Tiere Werkzeuge nicht nur nutzen, sondern sogar selbst herstellen. Die britische Biologin Jane Goodall beobachtete 1960 zum ersten Mal, dass Schimpansen in freier Wildbahn nicht nur einen Stock als Werkzeug gebrauchten, um damit nach Termiten zu angeln, sondern dass sie zum Teil die Zweige erst für diesen Zweck brauchbar machten, indem sie gezielt alle Blätter entfernten.

Wie organisieren Tiere ihr Zusammenleben?

Sofern die Angehörigen einer Art nicht, wie etwa die Eisbären, als strenge Einzelgänger jede Gesellschaft meiden, bilden sich zwischen mehr oder weniger gemeinsam lebenden Individuen Rang- oder Hackordnungen aus. Ein Wolfsrudel, eine Gorillahorde oder eine Hühnerschar bilden einen Verband aus nur wenigen Tieren, die sich durch Geruch, Stimme und Aussehen persönlich kennen. Innerhalb einer solchen Gruppe nimmt jedes Tier seinen Platz ein, an dem es eine bestimmte Funktion erfüllt. An der Spitze steht das ranghöchste Tier, das auch als Alpha-Tier bezeichnet wird. Zwar werden ihm bei der Fortpflanzung und der Nahrungsaufnahme Vorrechte eingeräumt, dafür muss es aber auch die Gruppe führen und verteidigen sowie Streitigkeiten zwischen den Mitgliedern schlichten. Zuweilen gibt es für Männchen und Weibchen getrennte Ordnungen – im Wolfsrudel etwa paaren sich in der Regel nur Alpha-Männchen und Alpha-Weibchen. Es gibt aber auch Arten, bei denen nur die Weibchen Gruppen mit Rangordnung bilden, während die Männchen allein umherziehen.

Wandernde Huftiere wie Gnus, Zebras oder Antilopen, Heuschrecken und Vögel bilden dagegen offene, anonyme Verbände, in denen sich die einzelnen Individuen nicht kennen. Einem solchen Sozialverband können sich Tiere jederzeit anschließen oder sich aus ihm verabschieden. Eine weitere Variante sind Ameisen- und Bienenstaaten oder Mäusesippen, wo sich die Mitglieder an einem gemeinsamen Merkmal erkennen, beispielsweise am Nestduft. Tiere, die nicht zur Gruppe gehören, werden erkannt und ausgestoßen bzw. nicht aufgenommen.

Gibt es Hackordnungen auch im zwischenmenschlichen Bereich?

Ja, auch wenn sie das Zusammenleben weniger zwangsläufig beherrschen als das von Wölfen oder Hühnern. Dennoch bestimmen in Betrieben, Behörden oder Armeen Arbeitskleidung, Rangabzeichen oder gar die Farbe des Kugelschreibers eindeutig den Platz des Einzelnen in der Hierarchie. Im privaten Bereich zeugen ein teures Auto, Markenkleidung, das Ausüben von Trendsportarten und die Benutzung von Szene- und »In-Jargons« vom Bemühen, in der Gesellschaft oder innerhalb einer Subkultur Ansehen und eine hohe Rangposition zu erlangen.

Warum war Konrad Lorenz der »Vater der Graugänse«?

Weil er erkannte, dass Gänseküken das erste Lebewesen, das sie nach dem Schlüpfen sehen, als »Mutter« ansehen – und er dies bei vielen Tieren praktisch demonstriert hatte. Auf diese Weise konnte Lorenz (1903–1989) beweisen, dass angeborene Instinkte auch das Zusammenleben zwischen Tieren beeinflussen. Mit diesem und anderen Versuchen schuf der österreichische Zoologe die Grundlagen für das Fachgebiet der vergleichenden Verhaltensforschung.

Schon als Kind zeigte Lorenz großes Interesse für Tiere, die in seinem weitläufigen Elternhaus in großer Zahl anzutreffen waren. Dennoch studierte er zunächst Medizin (u. a. in New York), um dann doch zur Zoologie zurückzukehren; beide Studien schloss er mit der Promotion ab. Während seine Rolle während des Nationalsozialismus umstritten ist, erntete er als Wissenschaftler großen Ruhm und wurde 1973 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet.

Wussten Sie, dass …

Hunde ihren angeborenen Schutzinstinkt für Jungtiere auch auf menschliche Babys ihrer Halterfamilie übertragen?

bei vielen Tierarten Kämpfe nach einem ganz bestimmten Schema ablaufen, das bewirkt, dass ohne Verletzungen Rangfragen geklärt werden können? Bei manchen Arten finden solche »Kämpfe« sogar ohne jeden Körperkontakt statt.

genau wie bei Tieren auch bei Menschen in Konfliktsituationen Übersprunghandlungen auftreten können? Verlegenheit kann sich beispielsweise in Übersprungbewegungen äußern: Man kratzt sich am Kopf, streicht sich den (nicht vorhandenen) Bart oder fährt mit den Fingern durch die Haare.

nicht nur Konrad Lorenz, sondern auch der deutsche Verhaltensbiologe Oskar Heinroth einen Spitznamen hatte? Er galt in der Fachwelt als »Entenheinrich«, da er für seine Studien zwischen 1898 und 1913 fast alle europäischen Entenarten von Hand aufzog.

Was ist ein Pawlow'scher Hund?

Ein sprichwörtlich gewordenes Versuchstier des russischen Verhaltensforschers Iwan Pawlow (1849–1936), das man dazu gebracht hatte, beim Klang eines Glöckchens Speichel abzusondern. Der sog. Speichelflussreflex bewirkt normalerweise bei Hunden, dass beim Anblick von Nahrung Speichel produziert wird, damit die für die Verdauung wichtige Substanz beim Fressen in genügender Menge vorhanden ist. Pawlow läutete nun immer dann, wenn sein Hund einen Knochen zu sehen bekam, ein Glöckchen. Nach einer Weile lief dem Tier auch dann der Speichel, wenn es ohne Knochen nur das Glöckchen hörte. Der Versuch zeigte, wie Reflexe antrainiert werden können. Im übertragenen Sinn bezeichnet man als Pawlow'schen Hund jemanden, dessen Verhalten leicht zu »programmieren« ist.

Lebensmittel- und Biotechnologie: Mehr als Käse und Bier

Was macht die Milch zum Käse?

Die wichtigste Zutat ist ein Enzym (oder Ferment) mit Namen »Lab«. Dieses Biomolekül wurde ursprünglich aus Kälbermägen gewonnen und wird der Milch von Kühen, Schafen oder Ziegen zugesetzt. Heute produzieren in vielen Industrieländern genetisch veränderte Bakterien diesen wichtigen Hilfsstoff der Lebensmitteltechnologie. Zuvor wird allerdings die Milch mit einer Starter-Bakterienkultur versetzt und beiseite gestellt, so dass sie eindickt. Das daraufhin zugefügte Lab lässt diese Masse gerinnen. Der feste »Bruch« entsteht, und die dünnflüssige Molke scheidet sich ab. Der Bruch wird gepresst und nach einer Wärmebehandlung für Stunden, für Tage – je nach Sorte – in ein Salzbad getaucht. Die anschließende Reife geschieht bei 90 Prozent Luftfeuchtigkeit in klimatisierten Räumen. Während der Reifezeit wird Eiweiß durch sortentypische Bakterien abgebaut, wodurch der charakteristische Geschmack entsteht. Der Reifeprozess dauert bis zu mehreren Monaten, bei Hartkäse wie dem italienischen Parmesan sogar mindestens drei Jahre.

Steckt ein Pilz im Pils?

Ja, nicht nur Hefeweizen, sondern jede Biersorte verdankt ihren Alkoholgehalt einzelligen Hefepilzen. Diese ernähren sich von Malzzuckermolekülen, das Abbauprodukt ist Alkohol. Mit Malz bezeichnet der Brauer gekeimte, enzymatisch aufgeschlossene und dann getrocknete Gerstenkörner. Aus geschrotetem Malz und Wasser entsteht Maische, die geklärt (»geläutert«) wird, der feste Rückstand dient als Tierfutter.

Bekanntlich hat Bier aber neben dem (Gersten-)Malz noch eine zweite Hauptzutat: den Hopfen. Dieser wird mit der geläuterten Maische aufgekocht, wodurch die »Würze« entsteht. Die Inhaltsstoffe des Hopfens bewirken nicht nur den charakteristischen bitteren Geschmack des Bieres, sondern – zusammen mit der Hitzeeinwirkung – auch ein Ausfällen von Eiweißen und das Abtöten von Keimen. Die Hopfenrückstände werden entfernt, die Würze gekühlt und mit Hefe versetzt. Nun schließt sich die Gärung an, während der die Hefe den Malzzucker zu Alkohol umsetzt.

Übrigens: Auch in Wein und Fruchtwein geht der Alkoholanteil auf die Aktivität von Hefebakterien zurück. Diese werden zwar bei der professionellen Herstellung dem Fruchtsaft oder Most gezielt zugesetzt. Dies ist jedoch nicht zwingend erforderlich: Auf natürlich wachsenden Trauben oder anderem Obst siedeln meist genügend Hefepilze, so dass die Gärung von ungekühltem Saft nach einer gewissen Zeit auch von alleine beginnen würde.

Kann man Hefepilze züchten?

Ja. Hefezellen sind ausgesprochen vermehrungsfreudig: Unter optimalen Bedingungen verdoppeln sie sich etwa alle 90 Minuten, so dass nach 24 Stunden aus einer einzigen Hefezelle bereits knapp 70 000 und nach zwei Tagen sogar ungefähr 5 Mrd. Zellen entstanden sind. Im Vergleich dazu benötigen Gräser zur Verdoppelung ihrer Biomasse ein bis zwei Wochen und Schweine sogar vier bis sechs Wochen. Außerdem haben Hefen einen relativ hohen Gehalt an hochwertigem Protein und die Erhöhung der Ausbeute durch gentechnische Maßnahmen ist relativ einfach. Wegen dieser beeindruckenden Fähigkeit hat man immer wieder versucht, die schnell wachsenden Organismen bei der Produktion proteinreicher Nahrungs- und Futtermittel heranzuziehen. So wurden in Deutschland bereits im Ersten Weltkrieg Versuche unternommen, Hefen großtechnisch auf den Abfallprodukten der Zuckerraffinerien zu züchten. Weitere Pilotprojekte folgten in den 1960er und 1970er Jahren. Heute werden jährlich Millionen Tonnen Hefe produziert. Die wichtigste Art hat den biologischen Namen Saccharomyces cerevisiae (frei übersetzt »Zuckerpilz des Bieres«). Außer Hilfsmitteln zur Lebensmittelherstellung wird dabei auch Tierfutter hergestellt. Außerdem werden Bierhefepräparate als Vitaminlieferanten und für kosmetische Anwendungen produziert.

Warum ist geräucherte Wurst haltbarer?

Das Räuchern konserviert Wurst, Schinken oder Fisch aus zwei Gründen: Zum einen wird das Lebensmittel getrocknet und der Wasserentzug schädigt auch darin enthaltene Krankheitskeime bzw. tötet sie ganz ab. Zum anderen entstehen bei der unvollständigen Verbrennung im Räucherofen eine Reihe von Substanzen mit desinfizierender Wirkung, so etwa verschiedene Phenole und Formaldehyd. Letzteres hat allerdings auch eine Krebs fördernde Wirkung. Andere, früher in Räucherwaren anzutreffende Krebs erregende Stoffe (z. B. Benzopyren) werden heute aus dem Rauch herausgefiltert. Dies soll – zusammen mit dem verbreiteten Einsatz von Kühlschränken – zu einem spürbaren Rückgang bei Magenkarzinomen geführt haben.

Warum waren Wein und Bier früher gesünder als Wasser?

Alkohol ist zwar für die Gesundheit des Menschen schädlich, für viele Krankheitserreger ist er dagegen absolut tödlich. Darum waren im Mittelalter Bier und Wein weitgehend keimfrei, wohingegen Wasser aus meist verschmutzten Flüssen und Seen gewonnen wurde. Wer davon trank, setzte sich der Ansteckung mit gefährlichen Durchfall- und andern Erkrankungen aus.

Übrigens: Auch Essig tötet Keime ab. Die Säure bereitet zwar weniger Genuss als ein guter Tropfen Wein, sauer eingelegtes Obst und Gemüse ist aber gesundheitlich gesehen die bessere Konservierung als das Einlegen in Rum oder Wein. Auch andere Konservierungsmethoden haben eine lange Tradition: Einkochen (hier tötet die Hitze die Keime), Zuckerzusatz (Zuckermoleküle lassen durch die sog. Osmose Bakterien platzen), Einsalzen bzw. Pökeln (auch Salz löst osmotische Prozesse aus) und Dörren (die Wirkung des Wasserentzugs wurde ja bereits angesprochen). Die heute am weitesten verbreitete, schonendste und effektivste Methode zum Haltbarmachen von Nahrungsmitteln ist jedoch die Kühlung bzw. Tiefkühlung. Sie sind aus Haushalt und Lebensmittelindustrie nicht mehr fortzudenken.

Design-Food: Kommt der Genuss heute aus dem Labor?

In vielen Fällen ja. Die Produkte der modernen Lebensmittelindustrie können im unterschiedlichsten Grade künstlich sein – von der bloßen Verwendung einer Vielzahl von Zusatzstoffen bis hin zum Design-Food, bei dem aus preisgünstigen Rohstoffen Zutaten wie Stärke, Proteine oder Fettaustauschstoffe gewonnen und dann zu scheinbar natürlichen Nahrungsmitteln wieder neu zusammengesetzt werden.

In der Europäischen Union sind zurzeit ca. 300 Zusatzstoffe zugelassen, die im Klartext auf der Packung aufgeführt oder durch Angabe der E-Nummern kenntlich gemacht werden müssen. Aus dem angegebenen Cocktail an Zusatz- und Austauschstoffen stellt man z. B. Fleischersatzprodukte her. Viele Verbraucher stehen allerdings der Künstlichkeit einer solchen Nahrung skeptisch gegenüber.

Gibt es Gene im Essen?

Das Misstrauen gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln ist zwar groß, allerdings sind »Gene« natürlich in jedem Lebewesen und damit auch in allen Nahrungsmitteln enthalten. Wovor aber manche Experten warnen und was andere als großartige Chance ansehen, ist die gezielte Veränderung des Erbguts von Tieren und Pflanzen, mit deren Hilfe Lebensmittel produziert werden. Man kann beispielsweise Pflanzen mittels Gentechnik so manipulieren, dass sie gegen bestimmte Krankheiten immun oder unempfindlich gegen sonst giftige chemische Pflanzenschutzmittel werden. Solche oft patentrechtlich geschützten Saaten können zu wirtschaftlicher Abhängigkeit der Landwirte führen. Ein anderer Ansatz lässt Bakterien artfremde, in der Lebensmitteltechnologie benötigte Enzyme produzieren.

Risiken beim Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen sind neben einer Bedrohung der Artenvielfalt auch Nebeneffekte wie das Auftreten neuer unerwünschter Eigenschaften bei den Pflanzen, aber auch allergische Reaktionen bei den Verbrauchern. Dabei ist zu beachten, dass Gene zwischen niederen Organismen »springen« können und dass höhere Lebewesen »stumme« Abschnitte im Erbgut haben, die durch neuartiges genetisches Material in unvorhergesehener Weise aktiviert werden könnten. In der heftigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung steht der prognostizierte Wirtschaftsboom den befürchteten unkontrollierbaren Schäden gegenüber.

Was ist obergäriges, was untergäriges Bier?

Der Unterschied zwischen ober- und untergärigem Bier liegt im Verhalten der Hefe beim Brauvorgang. Obergärig wird es, wenn die verwendeten Hefen zum Ende der Gärung nach oben steigen, untergärige Hefen setzen sich entsprechend am Boden des Gärtanks ab. Zu den obergärigen Bieren zählen Kölsch, Weizen- oder Altbier. Nur für obergärige Biere darf Weizen anstelle von Gerste verwendet werden. Obergärige Hefen sind zwar empfindlicher als untergärige, aber mit ihnen verläuft die Gärung deutlich schneller und ohne moderne Kühltechnik.

Wussten Sie, dass …

es Käse gibt, der nicht reift? Hierzu zählen z. B. Sauermilchkäsesorten wie Quark oder Feta, die durch Zugabe von Milchsäurebakterien entstehen.

der Name »Weißbier« sich nicht auf eine Farbe bezieht, sondern die bayerische Form von »Weizenbier« ist?

alkoholfreies Bier meist durch nachträglichen Entzug des Alkohols entsteht? Dieses enthält zwar noch bis zu 0,5 % Alkohol, was aber mit dem Alkoholgehalt von Fruchtsaft vergleichbar ist.

Malzbier einen Alkoholgehalt von 0,5–1 % hat und damit nur bedingt als Kindergetränk zu empfehlen ist?

Hefe beim Abbau von Zucker nicht nur Alkohol, sondern auch Kohlendioxid abgibt und deshalb zur Auflockerung von Backwaren verwendet wird?

die »Type« eines Mehls angibt, wie viel Milligramm Mineralstoffe pro 100 g Mehl enthalten sind? In 100 g »Type 405« befinden sich z. B. 405 mg Mineralstoffe.

Weinfässer während der Reife des edlen Getränks randvoll sein müssen, weil Luftkontakt den Geschmack spürbar beeinträchtigen würde?

Enthalten Lebensmittel Medikamente?

Alltägliche Nahrungsmittel, die Impfstoffe oder andere medizinisch wirksame Zusatzstoffe enthalten, gibt es zwar noch nicht zu kaufen, sie sind aber schon Gegenstand der Forschung. Möglich wird dies durch Änderungen im Erbgut von Pflanzen oder Tieren, wodurch diese pharmazeutisch wirksame Stoffe produzieren. Man verspricht sich davon eine bessere Versorgung der Bevölkerung mit diesen Arzneimitteln und Impfstoffen. Kritiker verweisen darauf, dass Medikamente gezielt und nicht unbewusst mit dem täglichen »Butterbrot« eingenommen werden sollten.

Bionik: Die Natur als Vorbild

Wer ist besser: Vogel oder Flugzeug?

Auch wenn heutige Flugzeuge größer und schneller als Vögel sind, sind diese den Maschinen doch in vielerlei Hinsicht weit überlegen: Vögel sind wendiger, können fast überall starten und landen und haben außerdem einen gemessen an ihrer Größe viel geringeren Energieverbrauch.

Schon die alten Griechen, aber auch Leonardo da Vinci und die Flugpioniere der vorletzten Jahrhundertwende versuchten, die Kunst des Fliegens den Vögeln abzuschauen. Doch ein direkter Nachbau schlagender Vogelflügel ist bisher noch niemandem gelungen. Dennoch taugt die Flugtechnik von Vögeln als Vorbild für neuartige Konstruktionen, etwa an den Tragflächen.

Die Tragflächen eines herkömmlichen Flugzeugs gleichen einem rundlich geformten, weitgehend starren Brett. Vogelflügel dagegen – besonders bei Arten, die wie Störche oder Adler lange gleichmäßig durch die Luft gleiten – spreizen die Federn an den Flügelspitzen ab. Damit verändern sie die Luftströmung an ihren Flügeln, denn durch die Aufspreizung wird die Wirbelbildung vermindert, was wiederum den Auftrieb verstärkt. Die Vögel benötigen daher weniger Kraft zum Fliegen. Durch Anlegen der Federn an der Flügelspitze dagegen erzeugt der Vogel gezielt zusätzliche Wirbel, die den Flug abbremsen, auch dies wieder mit minimalem Energieverbrauch. Flugzeuge mit vergleichbaren Tragflächen wurden bereits entwickelt und haben in Tests vielversprechend abgeschnitten.

Wer erfand den Klettverschluss?

Die Klette! Lange bevor Textilingenieure diesen Trost schnürsenkelgeplagter Schulanfänger auf den Markt brachten, hatte das natürliche Vorbild, die Große Klette, ihre Samen mit diesem genialen Haftmechanismus ausgestattet. Menschliche Ingenieure entwickelten den ersten Klettverschluss in den 1950er Jahren. Wie das natürliche Vorbild besteht er aus flexiblen Haken und Schlingen, die sich bei Berührung fest ineinander verhaken. Heute findet man ihn nicht nur an Schuhen, sondern beispielsweise auch bei Funktionskleidung für Ausdauersportler, Rucksäcken oder zur Befestigung von Fliegen- und Pollenschutznetzen an Zimmerfenstern.

Welche Pflanze wird nie schmutzig?

Die Indische Lotosblume (Gattung Nelumbo). Ihren Status als heilige Pflanze verdankt sie u. a. der Tatsache, dass an ihren Blättern Wasser und Verschmutzungen wie durch Zauberei abperlen. Mittlerweile ist es der Bionik nicht nur gelungen, den zugrunde liegenden Mechanismus zu entschlüsseln, sondern auch, auf dieser Basis selbstreinigende Fensterscheiben und Autolacke zu kreieren.

Das Geheimnis liegt in der Oberfläche der Lotosblätter. Diese sind nicht etwa besonders glatt, wie man vielleicht erwarten könnte, sondern tragen auf ihrer Oberfläche winzige Erhebungen, die in Form und Größe unterschiedlich sind und eine Sperre für die meisten Schmutzpartikel bilden. Sie können sich nicht festsetzen, sondern werden spätestens mit dem nächsten Regen abgespült – denn auch das Wasser kann am Blatt nicht haften. Denselben Effekt zeigen übrigens auch einige andere Pflanzen, zum Beispiel die heimische Kapuzinerkresse, deren Blüten nicht nur viele Gärten zieren, sondern auch als essbare Salatdekoration verwendet werden.

Diese Struktur nachzuahmen, ist mithilfe der Nanotechnologie gelungen, also der Herstellung und Bearbeitung von Strukturen, die kaum größer als ein Nanometer, d. h. ein Milliardstel Meter, sind. Auf diese Weise gelang es, Alltagsgegenstände mit einer feinen Noppenstruktur zu überziehen, deren Größe und Gestalt der Oberflächengestalt von Lotosblättern entspricht. So gibt es heute Dachziegel, Fassadenfarbe oder Autolacke, die diesen »Lotos-Effekt« zeigen und damit – im Prinzip – selbstreinigend sind. Textilien und Glasscheiben, die sozusagen mit dem nächsten Regenguss gewaschen werden, sind in der Entwicklung. Diese Produkte werden übrigens meist unter Markennamen wie »Nanotec« angeboten – eigentlich sollten sie aber »Lotos-Tec« heißen, um dem natürlichen Vorbild zu seiner Ehre zu verhelfen!

Was ist Bionik?

Die Bionik ist ein Zweig der Ingenieurwissenschaften, der versucht, biologische Strukturen als Vorbild für technische Konstruktionen zu nutzen. Am Beginn steht dabei gewöhnlich die Entschlüsselung der genialen Erfindungen von »Mutter Natur«. Eine Eins-zu-eins-Übertragung gelingt allerdings selten, meist werden bestimmte Aspekte herausgegriffen und dem technisch Machbaren angepasst.

Wussten Sie, dass …

Haie deshalb so schnell schwimmen, weil ihre Haut mit mikroskopisch kleinen Noppen besetzt ist, und bionische Badeanzüge mit derselben Eigenschaft bereits zu kaufen sind?

das Dach des Münchner Olympiastadions nach dem Vorbild der Natur entstand? Der Architekt Otto Frei orientierte sich am Stützgewebe von Pflanzen und am Netz der Zitterspinne.

Messer, die den sich selbst schärfenden Nagezähnen von Ratten nachempfunden sind, nicht stumpf werden?

Verpackungsmaterialien, die sich wie Bienenwaben aus sechseckigen Strukturen zusammensetzen, leichter und stabiler als herkömmliche Stoffe sind?

es auch Parallelentwicklungen von Technik und Natur gibt, die vermutlich unabhängig voneinander erfolgten? Beispiele sind Flugzeugpropeller und Ahornsamen, Injektionsspritzen und Wespenstachel oder die Echolotortung, die bei Schiffen wie bei Fledermäusen und Delfinen zu finden ist.

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