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Botticellis Geburt der Venus: Keusche Schönheit
In was für einem geistig-kulturellen Umfeld entstand »Die Geburt der Venus«?
Sandro Botticelli malte das Bild 1484 bis 1485 in Florenz. Der wohlhabende Stadtstaat am Arnoufer war damals eines der Kulturzentren Europas und Ursprung sowie Mittelpunkt der Renaissance. Antike Schriftquellen und Ruinen wurden studiert, das dunkle Mittelalter schien überwunden – eine neue Zeit brach an. Der reichste Florentiner, Bankier Cosimo de' Medici, förderte diese Bewegung, indem er unter anderem die so genannte Platonische Akademie gründete: einen Kreis von Gelehrten, in den auch Maler und Bildhauer aufgenommen wurden. Mit Unterstützung der Medici hatte der Arzt Marsilio Ficino 1462 bis 1468 die Werke des griechischen Philosophen Platon übersetzt, die nun das Fundament neuer Denkmuster und Bildthemen bildeten.
Die philosophische Schule des Neuplatonismus geht von der Vorstellung aus, dass die Seele unsterblich ist und dass es eine Urweisheit gibt, welche die gesamte Geschichte kennzeichnet. Vom obersten Schöpfer ausgehend, ist sie auch im Menschen als Idee oder Möglichkeit vorhanden.
Auftraggeber des Venusbildes war vermutlich Lorenzo di Pier Francesco de' Medici aus einer Nebenlinie der Medici-Dynastie. Das Werk war für einen Raum in seiner Villa Castello nahe Florenz bestimmt.
Was stellt das Gemälde eigentlich dar?
Das Gemälde beschreibt die Ankunft der Liebesgöttin Venus auf Erden. Der Szene ist eine grausame Begebenheit vorausgegangen: Im Kampf der Götter hat Kronos seinen Vater Uranos entmachtet und ihn dabei entmannt, wobei sein Samen ins Meer fiel. Aus der wundersamen Verbindung von Himmel und Wasser ward die Liebesgöttin in einer Muschel geboren. Von links naht der Windgott Zephyr in Begleitung seiner Ehefrau Chloris. Er bläst der soeben aufgetauchten Venus den Westwind zu und treibt sie damit ans Ufer. Dort wartet der weibliche Genius des Frühlings, um Venus in ein blumenbesticktes Gewand zu hüllen. Doch Botticelli zieht es vor, dem Betrachter die schöne unbekleidete Venusgestalt zu offerieren.
Wie ist die Venusfigur gestaltet?
Die zauberhafte junge Frau ist das Ergebnis exakter anatomischer Studien. Sie ist von bestechender Plastizität, vollführt einen sinnlichen Hüftschwung und versucht, mit keuscher Geste – wenngleich nur halbherzig – ihre Brust zu verbergen. Mit der Ankunft der Liebesgöttin regnet es Rosen. Dank der Gegenwart von Venus gewinnt die Natur wieder Kraft, kehrt der Frühling nach hartem Winter zurück. Alles in diesem Bild ist von neuem Leben erfasst: Der Windstrom des Zephyr bewegt Gewänder und Haare, Wellen, Zweige und Blütenblätter.
Was sind die besonderen Merkmale des Werkes?
Die Formen leben vom leichten Fluss der Linien, die Figuren scheinen zu schweben. Das Bild ist ein einziger Ausdruck von Grazie und Eleganz, ein typisches Werk des dolce stilo, des »Weichen Stils«, wie er nach dem Ausklang der Spätgotik im Werk Botticellis weiterlebte. Die »Geburt der Venus« ist ein geglückter Versuch, antike Philosophie und christliche Heilslehre zusammenzubringen. Bereits die Komposition zeugt davon. Mangels direkter Vorbilder für das Thema griff Botticelli auf ein altbekanntes Motiv zurück, die Taufe Christi im Jordan, und ersetzte die biblischen Personen einfach durch mythologische.
Wussten Sie, dass …
Botticellis »Venus« mit einem Tabu brach? Sie ist der erste weibliche Akt der Neuzeit. Zuvor hatte Donatello den ersten männlichen Akt nach der Natur modelliert, einen jungen David aus Bronze (um 1430).
das Bild »Der Frühling« als Hochzeitsbild der Medici deren dynastische, politische und wirtschaftliche Ziele ausdrücken soll?
Botticelli eine Handschrift der »Göttlichen Komödie« Dante Alighieris mit 92 Federzeichnungen illustrierte?
Welche Einflüsse prägten den Maler in seiner künstlerischen Laufbahn?
Der Florentiner Sandro Botticelli war gemeinsam mit Leonardo da Vinci ein Schüler von Andrea del Verrocchio. Malerei studierte er schließlich auch bei dem bedeutenden Fra Filippo Lippi.
Das Malen frommer Andachtsbilder brachte Botticelli Ruhm ein, seine Spezialität waren fließende Gewänder. Durch die Protektion der Medici kam er in Kontakt mit der geistigen Elite der Zeit. Die Humanisten führten ihn ein in die Welt der griechisch-römischen Mythologie. Wahrscheinlich befanden sich in der Kunstsammlung der Medici antike Venusstatuen, die Botticelli studieren konnte. Am Ende seines Lebens geriet er in den Bann des fanatischen Bußpredigers Savonarola, der ihn veranlasste, einige seiner Bilder zu vernichten.
1480–1484 malte er, berufen von Papst Sixtus IV., drei Fresken in der Sixtinischen Kapelle in Rom, die biblische Szenen darstellen.
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