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Globalisierung: Die Welt rückt zusammen

Wieso investieren immer mehr Unternehmen im Ausland?

Dort kann billiger als im Inland produziert werden. Die Kosten, die für Transporte zu ausländischen Standorten aufgewendet werden müssen, können dadurch mehr als ausgeglichen werden. In Schwellen- oder Entwicklungsländern sind die Löhne und Steuern unvergleichlich niedriger als in den Industriestaaten, Sozialabgaben sind vielfach gar nicht zu entrichten. Durch die viel besseren Kommunikationsmöglichkeiten ist es für Unternehmen heute meist problemlos möglich, auch in ferner liegenden Weltgegenden Fertigungsanlagen zu unterhalten.

Im Dienstleistungssektor ist die Globalisierung, die weltweite Verflechtung der Volkswirtschaften, besonders einfach, denn hier ist ein Gütertransport im eigentlichen Sinne nicht mehr nötig oder aber kostenmäßig zu vernachlässigen. Was hin- und herbewegt wird, sind Daten. Softwarefirmen in Indien und Taiwan lassen sich von den großen Unternehmen in Nordamerika ebenso gut beschäftigen wie einheimische Fertiger. In der Regel sind aber die Dienstleistungen in den genannten Ländern viel billiger und ebenso gut.

Was bringt die Globalisierung den Industriestaaten?

Die Chancen für Hightechfirmen und hoch qualifizierte Mitarbeiter haben sich verbessert. Andererseits werden Industrien mit arbeitsintensiven Fertigungsprozessen abgebaut, weniger qualifizierte Arbeiter finden immer schwerer einen Arbeitsplatz.

Im Grunde findet eine Spezialisierung statt. Vor allem Komponentenfertigung wird ins billige Ausland verlagert. Entwicklung, eventuell Endmontage sowie Qualitätskontrolle verbleiben in den hoch entwickelten, technisierten Staaten.

In der Konsequenz bedeutet dies, dass eine gute Ausbildung für den Einzelnen immer wichtiger wird, gleichzeitig bleibt es aber auch zweifelhaft, ob die Arbeitsplatzverluste überhaupt ausgeglichen werden können. Noch einen Schritt weiter gedacht, gefährdet die Globalisierung in den Industriestaaten die hoch entwickelten sozialen Absicherungssysteme, da es vorrangig die Sozialabgaben sind, die Arbeit in diesen Ländern derart verteuern, dass die Unternehmen die Entscheidung zur Abwanderung in andere Länder fällen.

Stehen die Entwicklungsländer auf der Gewinner- oder Verliererseite?

Für die Entwicklungs- wie auch die Schwellenländer bedeutet die Globalisierung zunächst einmal, dass Arbeitsplätze entstehen. Oft liegen die Arbeitsplätze in Bereichen, in denen die Länder bisher überhaupt keine Rolle gespielt haben und die für die Verhältnisse in diesen Ländern sehr gut bezahlt sind. Mit den ausländischen Betrieben kommt zudem Wissen ins Land, denn die mittlere Führungsebene wird in der Regel mit Arbeitskräften aus dem Land besetzt. Es findet also ein Wissens-, ein Know-how-Transfer statt.

Andererseits nimmt die Abhängigkeit der sog. Dritten Welt von den mächtigen multinationalen Konzernen zu. So hat sich mehrfach gezeigt, wie konsequent marktwirtschaftlich viele große Unternehmen auf regionale Krisen oder Marktveränderungen reagieren. Milliarden von US-Dollar wurden aus Südostasien abgezogen, als es 1997 durch Währungsspekulationen zur Asienkrise kam. Ganze Wirtschaftszweige in diesen Ländern brachen zusammen, die Arbeitslosigkeit stieg sprunghaft an, eben weil diejenigen Firmen, die von ausländischen Geldern und Aufträgen abhängig waren, zahlungsunfähig geworden waren.

Was kritisieren die Globalisierungsgegner?

Für Globalisierungsgegner steht Globalisierung für eine unsoziale, entmoralisierte Wirtschaftsauffassung. Die Gegner einer solchen Perspektive sehen das weltweite freie Wirtschaften als eine neue Form der Ausbeutung und des Kolonialismus in den ärmeren Weltregionen. Globalisierung ist daher ein Aspekt des Nord-Süd-Konfliktes zwischen Industrie- und Entwicklungsländern.

Gleichzeitig ist die Argumentation über soziale Standards in die Industriestaaten selbst zurückgekehrt. In vielen dieser Länder ist die soziale Sicherung bereits reduziert worden, in anderen wird ein Abbau intensiv diskutiert. Dabei werden vor allem die Unternehmen entlastet, denn damit sie ihre Konkurrenzfähigkeit erhalten oder zurückgewinnen können, wird ihr Anteil am Budget für die Absicherung der Menschen verkleinert.

Übrigens: Nicht erst heute rückt die Welt näher zusammen. Schon mit dem flächendeckenden Ausbau des europäischen Verkehrsnetzes im 19. Jahrhundert, dem Zeitalter der Industrialisierung, wurden alte Grenzen überwunden – ein ähnlicher Prozess, wie es heute die Globalisierung leistet.

Was ist eigentlich ...

G-8? Eine Vereinigung der Staaten mit dem weltweit höchsten Bruttosozialprodukt, der Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan, Kanada, die USA und seit 1997 auch Russland angehören; die G-8 treffen sich jährlich zum Weltwirtschaftsgipfel.

G-77? Eine 1964 von 77 Entwicklungsländern gegründete Gruppe, die für die Gleichberechtigung der armen Länder kämpft; heute gehören ihr 134 Mitgliedsstaaten an.

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