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Löwenhof der Alhambra in Granada: Ein schwebender Schrein

Wer residierte in der Alhambra von Granada?

Den Grundstein für die Alhambra legte Mohammed Ibn Yusuf Nasr, der 1238 die Herrschaft der Nasriden-Dynastie in Granada begründete. Alle ihm folgenden 23 nasridischen Fürsten residierten in der Alhambra (arabisch al-hamra bedeutet »die Rote«). Erst im Januar 1492 ging die maurische Herrschaft in Spanien nach fast 800 Jahren zu Ende. Der letzte Nasriden-Herrscher Boabdil übergab die Festung kampflos an die Katholischen Könige Isabella und Ferdinand.

Mit der Eroberung Granadas fand die Reconquista, Spaniens Kreuzzug im eigenen Land, ihr Ende. Noch im selben Jahr erhielt Kolumbus den Auftrag, im Westen neue Länder für die spanische Krone zu erobern. So steht die Alhambra am Ende beziehungsweise Beginn zweier weltpolitisch bedeutender Epochen.

Welche Funktion hat der Löwenhof?

Der Patio de los Leones ist das Herzstück der Anlage. Er ist benannt nach zwölf kleinen Löwen in der Mitte, die eine breite Brunnenschale tragen. Der Hof bildete den Kern des Palastes von Mohammed V. aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Dem Grundmuster maurischer Wohnarchitektur folgend, gruppieren sich separate Wohnsäle um den Innenhof. Er war der Mittelpunkt aller Wohnkultur – die Orientierung der Baukunst nach innen ist das Wesensmerkmal islamischer Architektur. Diesem Prinzip entspricht die gesamte Alhambra: Die massiven Außenmauern haben Festungscharakter, während das Innere kaum filigraner ausgestaltet sein könnte.

Wie ist der Löwenhof angelegt?

Der unter Mohammed V. 1378 begonnene Löwenhof ist mit den Ausmaßen von 28,50x15,70 Metern nicht sonderlich groß. Das dennoch eindrucksvolle Raumgefühl hat seinen Ursprung im Wechsel der Bauglieder und der reichen Ornamentik. Neu in der maurischen Hof- und Gartenarchitektur ist die umlaufende Säulengalerie, die zu jener Zeit nur bestimmten Fassaden vorgeblendet worden war. Ihre eleganten, zierlich wirkenden Einzel- und Doppelsäulen mit schlanken Blattkapitellen, die gestelzten Arkaden sowie das feinmaschig gewobene Stuckornament, das die Wände in Spitzenvorhänge verwandelt, lassen die Hofarchitektur kostbar und schwerelos erscheinen. Die Schmalseiten werden zudem durch pavillonartige Vorbauten akzentuiert. Die Umgänge bieten Schatten und führen zu den königlichen Wohngemächern.

Wozu dienten die umliegenden Räume?

Wie bei allen Räumen der Alhambra ist die Funktion auch dieser Säle durch ihre einstigen Besitzer nicht definiert. Sie bilden vielmehr die kunstvolle Kulisse für beliebige Tätigkeiten. Die heutigen Bezeichnungen gehen größtenteils auf die Fantasie der Romantik im frühen 19. Jahrhundert zurück. An der Nordseite, nahe dem Durchgang zum Myrtenhof, befindet sich die Sala de los Mozárabes und im Osten schließt sich die Sala de los Reyes (Königssaal) an. Die südlich gelegene Sala de los Abencerrajes ist ein quadratischer, überkuppelter Raum mit zwei Nischen und einem Gewölbe, das mit einem Gespinst aus stuckiertem Holz überzogen ist und dabei feinzellige Stalaktiten bildet. Im Norden schließlich folgt die Sala de las dos Hermanas (Saal der zwei Schwestern).

Raumbestimmend ist überall das Ornament in Gestalt farbiger Fayencemosaiken sowie in Form von Modellierungen im frisch aufgetragenen Stuck. Die geheimnisvolle Atmosphäre in den Höfen der Alhambra verdankt sich vor allem der ornamentalen Dekorationskunst. Der reich verwendete Stuck legt sich wie eine zweite Haut über Wände und Gewölbe. Dabei wirkt islamisches Ornament weder wandfüllend noch überladen. Der Wechsel mit leeren Wandflächen ist wohlüberlegt und Ornament wird nur dort eingesetzt, wo Bau- oder Wandteile eine Auszeichnung verdienen.

Welche Auffassung von Baukunst ist erkennbar?

Offenbar erhob die Alhambra keinen Anspruch auf Ewigkeit, denn manche verwendeten Baustoffe wie Holz, Ziegel und Gips versprechen keine lange Lebensdauer. Immerhin aber konnte jeder Bauherr damit rechnen, den von ihm in Auftrag gegebenen Bau selbst noch bewohnen zu können. Aus dieser Auffassung von Baukunst spricht die Erinnerung an die Zeit des Nomadentums in Nordafrika.

Wahrscheinlich war es genau diese Andersartigkeit des Bauens, die Leichtigkeit und spielerische Eleganz maurischer Wohnkultur, welche die Katholischen Könige daran hinderte, die Maurenresidenz in Granada – immerhin ein Symbol maurisch-islamischer Macht auf spanischem Boden – zu zerstören. Im Gegenteil: Sie nahmen höchstpersönlich Quartier in der Hochburg der früheren Glaubensfeinde.

Auf wen übte die Alhambra eine besondere Anziehung aus?

In späteren Jahrhunderten zog es Adelige und Mönche, Zigeuner und Romantiker wie François René Chateaubriand, Washington Irving und Théophile Gautier hinauf zur einstigen Maurenresidenz. Die meisten der im 19. Jahrhundert angereisten Schriftsteller ließen sich vom Löwenhof zu faszinierenden Liebesromanen und Heldenepen inspirieren. In Irvings »Tales of the Alhambra« heißt es, die Alhambra zeuge noch heute trotz der verfallenen Szenerie von vergangener Pracht und Herrlichkeit und bringe im Besucher verborgene Saiten zum Klingen. In diesem Punkt kann man Irving nur beipflichten.

Wussten Sie, dass …

die Alhambra der kostbarste historische Baukomplex Andalusiens und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit Spaniens ist?

die »rote Burg« auf einem Berg Granadas einst eine wahre Palaststadt war? Sie verfügte über 23 Türme, vier Tore, sieben Paläste, etliche Moscheen, Bäder, Nutzgärten und eine eigene Trinkwasserversorgung. Noch heute erhält man hier eine Vorstellung vom ehemaligen Glanz der Maurenresidenz.

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