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Shakespeares Hamlet: Der berühmteste Monolog des Welttheaters

Wann schrieb Shakespeare seine Tragödie?

Als »The Tragicall Historie of Hamlet, Prince of Denmark« 1602 in London mit triumphalem Erfolg auf die Bühne kam, stand William Shakespeare (1564–1616) vor dem Zenit seiner Karriere als Theaterdichter. »Hamlet«, mit 4000 Versen sein längstes Stück, eröffnete den Reigen seiner großen Tragödien (»Othello«, »König Lear«, »Macbeth«), deren Stoff mittelalterlichen Quellen entlehnt ist.

Welche Handlung hat das Stück?

Anlässlich des Todes seines Vaters kehrt der dänische Prinz Hamlet an den Hof in Helsingör zurück. Seine Mutter Gertrud hat den vermutlichen Mörder ihres Gemahls Claudius geheiratet und zum König gemacht. Hamlet wird vom Geist des Verstorbenen zur Rache angestachelt. Um seine Widersacher zu täuschen, stellt sich Hamlet wahnsinnig. Der misstrauische Claudius versucht vergeblich, ihn mit einer Intrige zu beseitigen. Der Prinz entlarvt ihn mit einem Trick als Königsmörder, zögert indes, ihn zu töten. Während eines Streits mit seiner Mutter ersticht er den Hofmeister Polonius, den er für Claudius hält. Polonius' Tochter Ophelia, die Hamlet liebt, verfällt dem Wahnsinn und ertränkt sich. Ihr Bruder Laertes, von Claudius beauftragt, Hamlet mit einem präparierten Dolch zu töten, vertauscht versehentlich die Waffen und stirbt. Gertrud leert unabsichtlich den Hamlet zugedachten Giftbecher und gesteht sterbend Claudius' Täterschaft. Hamlet richtet ihn und dann sich selbst mit der blanken Klinge.

Was charakterisiert die Figur Hamlet?

Hamlets Zaudern bringt den Gang der Handlung kaum voran, am Ende erfüllt er beinahe zufällig seine Mission: Er ist ein introvertierter Zweifler, der dem Gebot der Blutrache die Hoffnung auf höhere Gerechtigkeit entgegensetzt und schließlich an einer korrupten Welt scheitert, die solch integre Absicht nicht zulässt.

Um dieses Problem von Schein und wahrem Sein geht es nicht nur im bekanntesten seiner sieben langen Monologe. Hamlet ist ein Wanderer zwischen den Welten (schon in der ersten Szene angedeutet durch das Meeresufer, später durch die Begegnung mit den Totengräbern auf dem Friedhof); auch durch seinen vorgespiegelten Wahnsinn agiert er in einer Doppelrolle. Sein Außenseitertum wird durch markante Kontrastfiguren hervorgehoben: durch den skrupellosen Machtmenschen Claudius, den geschwätzigen Heuchler Polonius, den naiven Laertes, den heldischen Fortinbras und den stoischen Freund Horatio, seinen einzigen Verbündeten neben Ophelia.

Wen liebt Hamlet?

Seine Beziehungen zu Frauen sind problembelastet. Die Mutter verdammt er als Hure, die reine »schöne Nymphe« Ophelia verstößt er aus Zorn über ihre Hörigkeit gegenüber dem Vater und einem diffusen Ekel vor dem weiblichen Geschlecht. Aus Enttäuschung über seine Mitmenschen gerät er, »von des Gedankens Blässe angekränkelt«, in eine Art Starre, ein unschlüssiges und untätiges »Bereitsein«.

Wie wurde das Drama rezipiert?

Hier sei »eine große Tat auf eine Seele gelegt, die der Tat nicht gewachsen ist«, heißt es in Goethes Roman »Wilhelm Meisters Lehrjahre«, voller Respekt vor einem sensiblen Helden im Konflikt mit einer Welt, die der erlösenden Perspektive noch entbehrt.

In der faszinierenden Titelfigur liegt wesentlich der enorme Erfolg dieser Tragödie begründet, die mit ihrer Länge von sechs Stunden fast ein dramaturgischer Fehlschlag zu nennen ist. Die erste vollständige Aufführung erfolgte 1899 in Stratford, die deutschsprachige Premiere war 1773 in Wien. Vor allem in Deutschland wurde die Gestalt Hamlets populär, sie galt lange Zeit als ideale Verkörperung deutschen Wesens. Erst Friedrich Nietzsche empfand sie als das Beispiel eines Charakters, »bei dem das Lebendige zu Schaden kommt und zuletzt zugrunde geht, sei es nun ein Mensch oder ein Volk oder eine Kultur«.

Mit seiner Kritik am lähmenden Wankelmut Hamlets griff Nietzsche aber zu kurz, denn dieser rührt aus einer Haltung, die das moderne Weltverständnis prägte: Wahrheit ist nur in absurdem Gewand erfahrbar und bietet keine verlässliche Basis für menschliches Handeln.

Wie kam der Bürgermeistersohn aus der Provinz nach London?

William Shakespeare wurde 1564 im englischen Stratford upon Avon geboren. Über sein Leben ist relativ wenig bekannt. 1582 heiratete er Ann Hathaway, mit der er insgesamt drei Kinder hatte.

Vermutlich Ende der 1580er Jahre wurde er Schauspieler und zog mit einer reisenden Theatertruppe nach London. Unter anderem mit Auftritten vor der englischen Königin Elisabeth I. erwarb er sich ein nicht unerhebliches Vermögen, mit dem er in seinem Geburtsort Besitz erwerben konnte. 1597 wurde er Mitinhaber des Globe-Theaters und hatte auch mit seinen Dramen zunehmend Erfolg.

1603 übernahm King James die Patronage über Shakespeares Truppe, die sich in The King's Men umbenannte. 1609 erwarb die Truppe das – im Gegensatz zum Globe überdachte – Blackfriar's Theatre.

1610 verkaufte der Dramatiker die Anteile an den Theatern und kehrte vermögend nach Stratford zurück, wo er 1616 starb.

Wussten Sie, dass …

»Hamlet« die Umarbeitung einer älteren Vorlage ist? Diese Praxis war zu Shakespeares Zeit am Theater üblich.

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