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Meiji Tenno: Gründer des imperialen Japan

Wie kam Meiji Tenno an die Macht?

Europäische und amerikanische Kriegsschiffe fuhren 1854 ungehindert in den Hafen von Tokio. Dadurch wurde die Schwäche des Regimes der Familie Tokugawa offenbar, die 250 Jahre lang geherrscht hatte. In dieser Situation erschien die von Traditionalisten lange geforderte Wiedereinsetzung des Tenno als der einzige Ausweg. Nach einer Phase bewaffneter Kämpfe zwischen Anhängern des Shogun und Kaiserlichen wurde im Januar 1868 die Rückgabe der Herrschaft an den Tenno feierlich proklamiert. Der 1852 geborene Mutsuhito übernahm mit 16 Jahren unter dem Namen Meiji den Thron.

Welchen Einfluss hatte der Westen?

Die Regierungszeit des Meiji Tenno ist von beispiellosen Umwälzungen geprägt: Dazu zählen die Abschaffung des Feudalstaats mit seinem starren Ständesystem, die Errichtung eines zentralistischen Staatswesens nach europäischem Vorbild, der Aufbau eines schlagkräftigen Militärs und die Etablierung Japans als Kolonialmacht in Ostasien. Vor allem in den ersten beiden Jahrzehnten nach Amtsantritt des Tenno stand die japanische Gesellschaft unter dem Bann westlicher politischer, philosophischer und religiöser Ideen. Sie strömten derart schnell ins Land, dass selbst Intellektuelle beklagten, es bliebe kaum noch Zeit, sie gründlich zu verarbeiten.

Wie waren Tradition und Fortschritt vereinbar?

Diesen Spagat hat die japanische Gesellschaft scheinbar mühelos bewältigt. Der Tenno hatte längst das traditionelle japanische Hofgewand gegen eine schicke Uniform nach französischem oder preußischem Vorbild eingetauscht. Andererseits warnte der Tenno stets vor einer zu weit gehenden Verwestlichung und setzte sich sehr für den Erhalt historischer Stätten in Japan ein. 1873 wirkte er mäßigend auf die Bestrebungen ehemaliger Samurai ein, die einen Feldzug gegen Korea planten. Auch das 1875 auf öffentlichen Druck hin ergangene Edikt, für Japan endlich eine Verfassung zu erarbeiten, fand seine volle Unterstützung. Den Ausbruch des Kriegs mit China 1894 soll er bedauert haben.

Welchen Status hatte der Kaiser?

Nach dem Willen der politischen Elite, die seit der Meiji-Restauration die Schaltstellen realer Macht besetzt hatte, sollte der Tenno, »göttlich, heilig und unverletzlich«, gleichsam über der Verfassung schweben. Auch im kaiserlichen Erziehungserlass von 1890 wird die Göttlichkeit des Tenno betont. Traditionelle Herrschaftsvorstellungen wurden zur Durchsetzung konkreter politischer Ziele eingesetzt. Nach langwierigen innenpolitischen Auseinandersetzungen wurde 1889 schließlich die Verfassung proklamiert.

In der zweiten Hälfte der Meiji-Zeit wurde eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte spürbar. Im Gleichklang mit dem internationalen Konzert wurden nun zunehmend nationalistische Töne laut. Die Führer der Meiji-Restauration wollten die Institution des Tenno als Achse des japanischen Staats und als Mittelpunkt japanischer Identität wiederbeleben.

Wirkt die Meiji-Zeit fort?

Ja. Meiji Tenno starb am 30. Juli 1912 und wurde in einem Mausoleum in Fushimi, am südlichen Rand Kyotos, beigesetzt. Der »Geist der Meiji-Zeit« begann und endete mit ihm, doch die in diesem Geist enthaltene Ambivalenz zwischen Öffnung und Isolierung Japans, zwischen Internationalität und Nationalismus blieb bis in die Gegenwart wirksam.

Wussten Sie, dass …

Meiji der 122. Tenno der offiziellen (nicht streng historischen) Chronologie auf dem Thron war?

Meiji »erleuchtete Regierung« bedeutet und als Bezeichnung für die neue Ära gewählt wurde?

mit Anbruch dieser neuen Ära die Burg des Shogun in Edo zum Kaiserpalast, Edo zu Tokio (östliche Hauptstadt) und zur Hauptstadt des modernen Japan wurde?

Wie lauteten die Erziehungsziele?

Vor allem Entwicklung eines Untertanengeistes. Der kaiserliche Erziehungserlass wurde bis zur Niederlage Japans 1945 in den Schulen neben dem Bild des Tenno wie eine Reliquie verehrt. In ihm ist der Gedanke von Japan als Familienstaat niedergelegt. Der »Urquell«, aus dem die Erziehung entspringt, ist die »unverbrüchliche Treue« des Untertanen gegenüber seinem Herrscher, die der »kindlichen Liebe« zu den Eltern gleicht. Die Tugend des Tenno beruht auf seinem göttlichen Ursprung.

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