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Orchideen: Beeindruckend raffiniert

Wem verdanken die Orchideen ihren Namen?

Den Knabenkräutern der Gattung Orchis. Diese sind nach dem griechischen Wort »orchis« (Hoden) benannt, an die ihre eirunden, paarweise zusammenstehenden Knollen erinnern. Nach Dioskurides, einem griechischen Arzt des 1. Jahrhunderts n. Chr., sollten Männer nach dem Verzehr der Knolle Jungen zeugen, Frauen nach dem Genuss Mädchen bekommen. Im Orient verwendet man heute noch gemahlene Orchideenwurzeln als Liebeszauber und Motor der Manneskraft. Dieses »Salep-Pulver«, das aus den Knollen verschiedener Orchideen, u. a. des Kleinen Knabenkrauts (Orchis morio), gewonnen wird, dient zudem als Beigabe zu Speiseeis und Backwaren. Tatsächlich enthalten die Wurzeln der Knabenkräuter Schleimstoffe, Stärke und Eiweißstoffe, die die Verdauung anregen. Als »Tubera Salep« wird das Pulver in der Kinderheilkunde bei Magen-Darm-Erkrankungen eingesetzt.

Übrigens: Die Knabenkräuter bilden eine relativ große Gruppe innerhalb der Orchideen und sind auch in Deutschland heimisch. Charakteristisch sind ihre helmartigen Blüten, die in einer lang gestreckten Ähre rund um den Blütenschaft stehen. Die Lippen tragen einen nach rückwärts gerichteten, mehr oder weniger langen und auffälligen Sporn. Häufig ist das Mannsknabenkraut (Orchis mascula), das auf Wiesen und in lichten Wäldern wächst.

Wie verschaffen sich Orchideen Nahrung?

Durch die Hilfe von bestimmten Pilzen, die in der Rinde ihrer Wurzeln siedeln. Über diese erhalten sie Nährstoffe, Enzyme, Hormone und Vitamine. Manche Arten ernähren sich ausschließlich mithilfe von Pilzen. Diese Orchideen haben ihre Blätter auf wenige Schuppen reduziert und besitzen kein Chlorophyll. Die wachsartig bleiche Nestwurz (Neottia nidus-avis) beispielsweise ist ein solcher sog. Saprophyt, der sich von toten organischen Stoffen ernährt, die von Pilzpartnern aufgeschlossen wurden.

Diese Symbiose mit Wurzelpilzen machte es lange Zeit unmöglich, Orchideen aus Samen heranzuziehen, denn zum Keimen benötigen die winzigen Samen die von den Pilzen produzierten Substanzen. Inzwischen haben die Züchter jedoch ein Kultursubstrat entwickelt, das die Nährstoffe enthält, die sonst von den Pilzen beigesteuert werden. Die meisten Orchideen, die heute in den Handel kommen, werden jedoch vegetativ vermehrt. Dazu zerlegt man ein bestimmtes Gewebe der Mutterpflanze, das sog. Meristem, in viele Teile, mit dem Resultat, dass jedes zu einer neuen, mit der Mutterpflanze identischen Pflanze heranwächst.

Weshalb heißen Orchideen auch Täuschblumen?

Weil sie die weiblichen Reize einer Insektendame so perfekt imitieren können, dass sie begierige Männchen magisch anziehen – und sie dann schamlos betrügen. Diese Taktik, die einzig der eigenen Liebe unter den Orchideen dient, beherrschen in besonders ausgefeilter Weise die Ragwurzarten (Gattung Ophrys). Die Lippen ihrer Blüten ahmen ein weibliches Exemplar der Bestäuber nahezu perfekt nach. Nicht nur Färbung, auch Behaarung sowie höckerige Strukturen sorgen für ein detailgetreues Abbild.

Doch dabei bleibt es nicht: Zusätzlich senden die Blüten Lockstoffe aus, die den Duftstoffen paarungsbereiter Weibchen in den entscheidenden seiner etwa 200 Komponenten gleichen. Der Duft ist wahrscheinlich ausschlaggebend, dass die Männchen »ins Schwarze« treffen und versuchen, an der Lippe zu kopulieren. Bis sie merken, dass sie auf einen Trick hereingefallen sind, haben die Tiere die Blüte bestäubt und neuen Pollen aufgeladen. Unfähig, aus ihrer Misere zu lernen, machen sie sich noch »liebestoller« zur nächsten Enttäuschung auf. Die Orchideenblüte indes hat bekommen, was sie wollte, und wechselt ihr Parfüm zur Marke »begattetes Insektenweibchen«.

Was haben die Waldvögelein mit Vögeln zu tun?

Nichts. Den Namen verdanken zwei Orchideenarten aus der Gattung Cephalanthera der Form ihrer Lippe, die an einen Vogelschnabel erinnert. Das Rote Waldvögelein (Cephalanthera rubra), das vorzugsweise auf eher hellen Waldstücken wächst, gilt als eine der schönsten Orchideen der heimischen Flora. Von Juni bis Juli entfaltet es viele große, dunkelrosafarbene Blüten.

Seine Verwandte, das an dunklen Standorten anzutreffende Bleiche Waldvögelein (Cephalanthera damasonium), öffnet die elfenbeinfarbenen Blüten nur bei sommerlichen Temperaturen, andernfalls bleiben sie fest verschlossen. Die Pflanze befruchtet sich dann meist selbst. Die recht weit verbreitete Orchidee trägt im Mai und Juni nur wenige Blüten. Sie ist lebenslang auf die Hilfe von Wurzelpilzen angewiesen. Doch sie kann selbst an stockdunkle Standorte vordringen, dort erbleicht sie, verliert alles Blattgrün und ernährt sich vollständig über die Pilze.

Welche Orchidee duftet nach Aprikosen?

Der heimische Frauen- oder Venusschuh (Cypripedium calceolus). Dieser Name geht auf die auffällige pantoffelförmige Lippe zurück, die als Kesselfalle ausgebildet ist. Ihre gelbe Farbe und ihr Glanz, vor allem aber der süße Aprikosenduft, den die Blüte verströmt, verleiten Insekten dazu, in den »Schuh« hineinzufliegen. Die steilen, glatten Wände machen es jedoch unmöglich, dass sie auf gleichem Weg wieder herauskommen können. Sie müssen dem vorgegebenen Pfad folgen, der zuerst über die Narbenfläche und dann über die Staubbeutel ins Freie führt. Dabei beladen sich die Insekten mit Pollen, die sie bei der nächsten Pflanze wieder abstreifen. Manche von ihnen verfehlen jedoch das dünnhäutige Fenster an der »Ferse« des Schuhs – und verhungern in ihrem Gefängnis. Ihre Dienste müssen sie übrigens ohne Lohn verrichten, denn die Lippe des Frauenschuhs enthält keinen Nektar.

Weshalb sind heimische Orchideen so selten?

Weil ihre Lebensräume immer stärker beschnitten werden. In Europa fallen Erdorchideen dem Straßenbau, wachsenden Gewerbegebieten, intensiver landwirtschaftlicher Nutzung, Aufforstung, Entwässerungsmaßnahmen und weiteren Eingriffen in die Natur zum Opfer. Besonders gravierend wirkt sich der zunehmende Stickstoffeintrag aus. Bodenpilze, von denen das Überleben der Orchideen abhängt, reagieren empfindlich auf Überdüngung und verschwinden. Damit ist auch das Schicksal der Orchideen besiegelt. Immer größer wird zudem der Konkurrenzdruck durch andere Pflanzen. Extensiv bewirtschaftete Flächen schwinden oder fallen brach, wodurch Büsche und höher wachsende Kräuter die Orchideen von ihren Standorten verdrängen.

Erheblichen Schaden richten aber auch Orchideenfreunde an, meist ohne es zu wissen: Sie betreten Wiesen zur Blütezeit und verdichten dabei den Boden oder zertrampeln durch ihre Unachtsamkeit den »Nachwuchs« der Orchideen. Noch schlimmer ist, dass viele von ihnen die Pflanzen unkontrolliert ausgraben, um sie im eigenen Garten auszupflanzen, auch wenn diese dort keine Überlebenschancen haben und nach einem Jahr zugrunde gehen. Alle heimischen Orchideen stehen mittlerweile unter Naturschutz und mit steigendem Umweltbewusstsein werden auch unseren Orchideen neue Chancen eingeräumt.

Warum leben tropische Orchideen auf Bäumen?

Weil sie dort als sog. Epiphyten bessere Bedingungen vorfinden als am Erdboden. Denn als Baumbewohner können sie dem Dunkel am Boden des Regenwaldes entkommen und das Sonnenlicht voll ausnutzen. Ihre Luftwurzeln verfügen in den Zellen über grüne Chloroplasten und betreiben Fotosynthese. Meist kranzförmig dem Spross entsprungen, klammern sie sich an die Äste und geben auch abgestorben den Pflanzen noch Halt.

Orchideen sind jedoch keine Schmarotzer, die ihre Wirte schädigen. Sie leben vielmehr von der dünnen Humusschicht, die sich aus Pflanzenresten, Tierexkrementen und Staub angesammelt hat und die Baumrinde überzieht. Mit einer schwammartigen, weißlichen Außenhaut aus überwiegend abgestorbenen Zellen haben sich ihre dicken, oft drahtigen Wurzeln dem Leben an der Luft angepasst. Über die gesamte Oberfläche saugen sie Regen, Tau sowie Wasserdampf auf und speichern die Feuchtigkeit für trockene Zeiten. Darüber hinaus legen epiphytische Orchideen mithilfe verdickter Stängelknoten, der Pseudobulben, oder auch mittels sukkulenter Blätter Wasserreserven an.

Welche Staaten wählten sich Orchideen als Nationalblumen?

Beispielsweise Costa Rica und Brasilien. Das Wappen des mittelamerikanischen Staates ziert eine besonders seltene Vertreterin der Gattung Cattleya Cattleya skinneri, die mit Rispen aus gut 30 purpurnen Blüten aufwartet, deren gekräuselte Lippen im Schlund orange gefärbt sind. Alle der etwa 35 Cattleya-Arten Mittel- und Südamerikas tun sich durch atemberaubende Blüten hervor. So auch Cattleya labiata, deren Blüten einen Durchmesser von 18 Zentimetern erreichen können. Bis zu fünf der rosa- bis lilafarbenen Riesen trägt sie an einem Stiel.

Laelia purpurata ist die Nationalblume Brasiliens. Ihre zartrosafarbenen Blüten mit den tiefvioletten Lippen ständig zu verschönern, haben sich zahlreiche Züchter zur Aufgabe gemacht. Auf jährlichen Wettbewerben präsentieren sie ihre Ergebnisse. Von Laelia sind gut 60 Arten bekannt. Sie wachsen auf Geröll oder Steinen.

Orchideen als Zimmerpflanzen: Was muss man beachten?

Entscheidend ist zuallererst die richtige Auswahl der Pflanzen, die sich an dem vorgesehenen Standort orientieren muss. Direkte Sonne mag jedoch keine der vielen Arten. Allgemein sind viel frische Luft und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 60 Prozent wichtig. Außerdem sollten die Pflanzen in einer speziellen, besonders durchlässigen Orchideenerde stehen, um vor Staunässe geschützt zu sein. Zum Gießen sollte man nur Wasser verwenden, das mindestens einen Tag bei Zimmertemperatur gestanden hat.

Wussten Sie, dass …

die erste tropische Orchidee als Verpackungsmaterial nach Europa gelangte? Der aufmerksame Pflanzenfreund und Empfänger der Sendung, William Cattley, topfte die seltsam verdickten Stängelstücke ein – mit Erfolg: Als Cattleya blühte, war sie das Tagesgespräch.

es unterirdisch lebende Orchideen gibt? Die in Australien heimische Rhizantella beispielsweise gibt nur in der Trockenzeit ihren Standort preis: Wenn die Erdoberfläche aufbricht, werden die braunen Blüten in Erdspalten sichtbar und können dann von Fliegen bestäubt werden.

Wussten Sie, dass …

Orchideen den Germanen heilig waren? Geschmückt mit dem Knabenkraut (Orchis mascula), schickten sie die Kinder zum Frühlingsfest, das sie zu Ehren von Frigg, der Göttin der Liebe und Fruchtbarkeit, feierten.

es heute über 100 000 Orchideenzüchtungen gibt? So viele sind zumindest in dem erstmals 1901 angelegten Verzeichnis aufgelistet, das heute von der Royal Horticultural Society in Großbritannien geführt wird.

Was sind Parfümblumen-Orchideen?

Orchideenarten, die ihre Bestäuber durch betörende Düfte anlocken. In den Regenwäldern Süd- und Mittelamerikas sind Orchideen mit Prachtbienen (Gattung Euglossinae) eine so enge Symbiose eingegangen, dass beide völlig voneinander abhängen. Die Bienenmännchen werden von dem Blütenduft angelockt, der von Härchen der Blütenlippe ausströmt. Wie besessen bürsten die Insekten die Dufttröpfchen ab und füllen damit Taschen an den Hinterbeinen. Das Orchideenparfüm dient ihnen dann zur Markierung ihrer Territorien. Natürlich bezirzen sie damit auch die Damenwelt, indem sie die Düfte mit sanftem Flügelfächeln verbreiten. Jede Prachtbienenart bevorzugt in der Regel ein ganz spezielles Parfümbukett, das nur eine bestimmte Orchideenart anbietet. Fremdgehen ist nahezu unbekannt, weil die Bienen andere Orchideen gar nicht riechen mögen.

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