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Machen Tablets Kinder unkreativ?
Einigen Eltern ist es lieber, wenn ihre Kinder ganz klassisch mit Puppen und Bauklötzchen spielen. Digitale Technik wie iPads sehen sie als Gefahr für Entwicklung und Gesundheit des Nachwuchses. Und auch die Wissenschaft empfiehlt Kindern maximal drei Stunden Bildschirmzeit pro Tag. Doch digitale Spielgeräte sind beliebt und auch in Vorschulen längst kein ungewohnter Anblick mehr.
iPad versus Bauklötzchen
Unabhängig davon, ob Kinder in der digitalen oder in der echten Welt spielen, lassen sich bei ihnen grob gesprochen zwei Formen des Spiels beobachten: exploratives und imaginatives. Beim explorativen, erforschenden Spiel lernen Kinder etwas über ihre Umwelt, indem sie verschiedene Dinge ausprobieren. Beim imaginativen, fantasiegeleiteten Spiel setzen die Kinder ihre Vorstellungskraft ein, zum Beispiel für Rollenspiele wie „Vater-Mutter-Kind“.
Forschende um Robin Samuelsson von der schwedischen Universität Uppsala haben kürzlich untersucht, wie ausgeprägt diese beiden Spielformen beim Spielen mit iPads und beim Spielen mit klassischem Spielzeug wie Bauklötzchen, Verkleiden oder Puppen sind. Dafür beobachteten und filmten sie das Spielverhalten von insgesamt 30 Kindern aus zwei verschiedenen schwedischen Vorschulen.
An der ersten Schule waren die gefilmten Kinder vier bis fünf Jahre alt, an der zweiten Schule konzentrierten Samuelsson und seine Kollegen sich auf zweijährige Kinder. In beiden Einrichtungen ist das Spielen mit iPads Alltag. Die Forschenden werteten dann aus, wie oft sie jeweils exploratives und imaginatives Spielen beobachtet hatten.
Kreativitäts-Killer Tablet?
Das Ergebnis: Die Kinder spielten mit den iPads fast nur explorativ und mit klassischen Spielzeugen vorrangig imaginativ. Bei den Zweijährigen zeigte sich das explorative Spiel mit dem iPad etwa, indem sie verschiedene iPad-Funktionen, Menüpunkte und die Kamera ausprobierten. Die vier- bis fünf-jährigen Kinder probierten neue Apps aus. Auch außerhalb von der Beschäftigung mit iPads spielten die Kinder explorativ. Sie testeten zum Beispiel, wie gut verschiedene Gegenstände schwimmen können.
Doch fantasiegeleitetes, kreatives Spiel kam bei den Kindern deutlich häufiger vor, wenn sie auf klassische, analoge Weise spielten. Dazu gehörten vor allem verschiedene Arten des Rollenspiels. Die jüngeren Kinder führten zum Beispiel ihre Puppen mit dem Kinderwagen aus, während die älteren Kinder so taten, als wären sie Batman oder ein Polizist. Bei der Beschäftigung mit dem iPad beobachteten die Wissenschaftler dagegen so gut wie keine kreativen Spielformen. Lediglich bei den jüngeren Kindern, die mithilfe von Emojis Nachrichten formulierten.
Digitales Spielen muss nicht schlechter sein
„Eine Neigung zu explorativen Spielformen sollte jedoch nicht mit einer Minderwertigkeit gegenüber fantasievollen Spielformen gleichgesetzt werden“, betonen Samuelsson und seine Kollegen. Auch ohne iPads spielten die Kinder schließlich explorativ. Und sowohl in der digitalen als auch in der realen Welt konnten sie dabei Neues ausprobieren und daraus lernen.
Der Einsatz von Tablets bei Vorschulkindern ist also nicht generell zu verteufeln. Man müsse sich nur im Klaren darüber sein, dass er auf Kosten kreativerer Spielformen gehen könnte, so die Forschenden.
Quelle: Schwedischer Forschungsrat