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Vincent van Goghs Selbstbildnis: Vision aus dem Inneren

Welche Ausbildung machte van Gogh zunächst?

Vincent, der Pfarrerssohn, begann mit 16 Jahren eine Lehre im ungeliebten Kunsthandel seines Onkels in Den Haag, später in London und Paris. Es folgten Anstellungen als Hilfslehrer und Buchhändler, eine abgebrochene Ausbildung zum Pfarrer und die erfolglose Bewerbung bei einer Missionarsschule.

Von einer Stelle als Prediger bei den Kohlegruben im belgischen La Borinage rief man ihn wegen seines fanatischen Eifers wieder ab. Aus Holland brachte er nervöse Erschöpfung und gefüllte Skizzenbücher mit Szenen aus dem armseligen Leben der Arbeiter zurück. In den folgenden Jahren malte van Gogh dort in einem dunkeltonigen Realismus bäuerliche Alltagsszenen wie die Darstellung der Kartoffeln essenden Bauern aus Nuenen.

Wie kam der Maler mit dem Impressionismus in Kontakt?

Im März 1886 zog van Gogh unangemeldet zu seinem jüngeren Bruder Theo, der in Paris als Kunsthändler arbeitete. Theo kümmerte sich von da an um ihn und machte ihn mit den Malern des Impressionismus bekannt. Camille Pissarro führte den jungen Holländer in die Freilichtmalerei ein. Im Atelier des Malers Cormon lernte er Henri de Toulouse-Lautrec und Émile Bernard kennen. Ein Förderer und Freund van Goghs wurde der Farbenhändler Père Tanguy, der etliche Bilder gegen Leinwand und Farbe in Zahlung nahm. Zwei Jahre verbrachte van Gogh in Paris und verarbeitete in Bildern wie den Stadtansichten die Anregungen des Impressionismus.

Was führte den Maler in die Provence?

Das Licht Südfrankreichs. Auf der Suche nach lichtdurchfluteten Landschaften reiste van Gogh im Februar 1888 in die Provence. In Arles malte er einige seiner berühmtesten Bilder: die Ansichten der Brücke von Langlois, Arles bei Sonne und beim Licht der Gaslaternen und die »Sonnenblumen«, die heute zu den teuersten Bildern der Welt zählen. Von seiner Sammlung japanischer Farbholzschnitte inspiriert, wählte er originelle Bildausschnitte, die das Hauptmotiv aus der Bildmitte verbannten und am Rand einfach abschnitten; außerdem arbeitete er mit starken Verkürzungen und einer flächigen Vereinfachung der Formen in leuchtenden Farben, die er durch Umrisslinien noch verstärkte.

Mit wem lebte van Gogh in Arles zusammen?

Im »Gelben Haus« richtete der Maler für seinen Freund Paul Gauguin, mit dem er eine Künstlerkolonie gründen wollte, ein Zimmer ein. Das Zusammenleben fand nach zwei Monaten ein dramatisches Ende. Aus Enttäuschung über Gauguins geplante Abreise in die Südsee wollte Vincent vermutlich zunächst mit dem Messer auf ihn losgehen und schnitt sich dann wohl selbst ein Stück seines Ohres ab. Gauguin verließ noch am gleichen Abend Arles und van Gogh wurde ins Hospital eingeliefert.

Was tat der Maler in Saint-Rémy?

Van Gogh begab sich 1889 freiwillig in die Nervenheilanstalt in Saint-Rémy und blieb dort, völlig unzureichend behandelt, ein Jahr. Noch heute kann man in diesem Ambiente die Motive seiner Bilder aufspüren wie das Atelier und den Innenhof des Hospitals. In den Bildern aus Saint-Rémy erscheint ein neuer Pinselduktus, Spiegelbild seines aufgewühlten Inneren. Die Zypressen wirken wie züngelnde Flammen, die Olivenbäume scheinen ebenso zu leiden, wie er es tat: Die Hoffnung, geheilt zu werden, wurde enttäuscht, Anfälle und Halluzinationen nahmen zu.

Wie lässt sich das Selbstbildnis in van Goghs Werk einordnen?

In Saint-Rémy malte van Gogh sein vorletztes Selbstporträt. Schonungslos und unsentimental zeigt es sein Leiden und seine Verzweiflung. Ernst, fast feindlich schaut sein hageres Gesicht aus dem Bild. Auch hier ist der für ihn charakteristische, dynamische Pinselstrich zu erkennen und wie so oft arbeitet van Gogh mit den kontrastierenden Primärfarben. 38 Bildnisse hat der Künstler insgesamt von sich gemalt, immer war es eine Erforschung des eigenen Wesens. Inneres Erleben und Geschautes, Vision und Expression fielen in seinen Bildern zusammen, fanden Ausdruck in heftiger Farbigkeit, die zum Teil direkt aus der Farbtube auf die Leinwand gestrichen wurde.

Wie wirkte das Werk van Goghs weiter?

Die Expressivität seiner Bilder sollte neben Cézannes Werk und Gauguins Arbeiten den Weg bereiten für die Malerei der Moderne. Die Sensibilität des zutiefst leidenden Menschen schwingt bis heute in seinen Werken nach.

Ein Jahr vor seinem Freitod malte Vincent van Gogh (1853–1890) sein vorletztes Selbstportrait. Schonungslos und unsentimental zeigt es sein Leiden und seine Verzweiflung. Zu Lebzeiten nicht ernst genommen, wurde van Gogh zum Vorbild der Expressionisten und zu einem der bekanntesten Künstler der Geschichte.

An welcher Krankheit litt der Wegbereiter der modernen Malerei?

Vermutlich handelte es sich bei van Goghs Krankheit um eine psychische Erkrankung, auch wenn die Ärzte in der Nervenheilanstalt von Saint-Rémy Epilepsie diagnostizierten. Halluzinationen und Depressionen prägten van Goghs Leben nach seinem ersten Anfall. Da sich diese Phasen immer wieder mit Zeiten ekstatischer Schaffensfreude abwechselten, vermuten heutige Psychiater eine bipolare affektive Störung, auch als manisch-depressive Erkrankung bekannt.

Nach einem Besuch bei dem Bruder Theo in Paris, wo es zu Differenzen über Vincents wirtschaftliche Situation kam, zog der Maler im Mai des Jahres 1890 nach Auvers-sur-Oise zu dem Arzt und Kunstsammler Dr. Paul Gachet. Hier konnte er sich frei bewegen und malte etliche Meisterwerke wie das Bild der Kirche von Auvers. Am 27. Juli nahm er sich eine Waffe mit aufs Feld, das er kurz zuvor noch gemalt hatte, und schoss sich in die Brust. Er starb zwei Tage später.

Wussten Sie, dass …

sich der Maler durch seine zahlreichen Selbstporträts die Kosten für ein Modell sparen wollte?

die Bilder van Goghs, heute die teuersten auf dem Kunstmarkt, zu seinen Lebzeiten unverkäuflich die Wohnung seines Bruders Theo in Paris verstopften?

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