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Katharina die Große

Es soll Voltaire gewesen sein, der berühmte Vertreter der Aufklärung, der ihren Beinamen "die Große" geprägt hat. Mit ihm stand sie in regem Briefwechsel. Groß war vieles von dem, was sie für Russland getan hat und vor allem auch für dessen Ansehen im Westen. Jekatarina II. Aleksejewna oder Katharina die Große, die Deutsche auf dem russischen Zarenthron, war eine begabte, vielschichtige, aber auch widersprüchliche Frau. Sie war fasziniert von den Ideen der Aufklärung, aber auch von der Macht. Sie hat das Leben geliebt, die Pracht, und auch die Männer. Ihr Lebenshunger allerdings wurde am russischen Hof erst einmal herb zurechtgestutzt. Dabei hatte alles irgendwie so einfach angefangen.
aus der wissen.de-Redaktion

Am 2. Mai 1729 wurde in Deutschland Sophie Auguste Friederike von Anhalt-Zerbst geboren. Sophie war erst 14 Jahre alt, als sie mit ihrer Mutter nach Osten, nach Moskau, reiste. Die Zarin Elisabeth hatte das junge Mädchen als geeignete Gattin für ihren Nachfolger und Neffen Peter, den späteren Zaren Peter III., auserkoren. Der Ehrgeiz wird Sophie über die schwierigen Anfangsjahre hinweggeholfen haben. In ihren Memoiren heißt es: "In ihrem Innersten hatte sie sich ja schon lange für den russischen Thronfolger bestimmt, und zwar deshalb, weil von allen vorgeschlagenen Partien diese die glänzendste war." Zum großen Gefallen ihrer neuen Landsleute lernt sie recht schnell Russisch, tritt zum orthodoxen Glauben über und wird auf den Namen Jekatarina II. Aleksejewna getauft.

 

Schwere Zeiten

Mit 16 wird Jekatarina II. Aleksejewna verheiratet, die Ehe ist eher schrecklich denn vergnüglich, der Ehemann bleibt bis zum Ende seines Lebens kindisch, wehleidig, geistig und psychisch problematisch, dabei tob- und trunksüchtig. Nach neun Jahren erst kommt der Sohn zur Welt, wohl von Peter, weil er einmal ähnliche Wesenszüge haben wird, vielleicht aber auch von Serge Saltykow, einem Mann, mit dem Katharina eine heftige Liebesbeziehung verband.

Die Großfürstin Katharina hat es schwer bei Hofe, sie fühlt sich eingeengt und überwacht, ganz allerdings lässt sie sich nicht brechen.

Katharina die Große bei Ihrer Armee in St. Petersburg
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Moderne Zarin

Die kluge und gebildete Frau, die sich mit der Aufklärung und den Ideen Voltaires und Diderots befasste, hatte Menschen um sich gesammelt, die ihr wohl gesonnen waren. Nach dem Tod Elisabeths war Peter III. Zar geworden, doch nur für wenige Monate. 1762 wird er ermordet.

Endlich ist Katharina Alleinherrscherin über Russland. Nach außen hin ist sie offen, das Land wird europäischer als es je war, auch prunkvoller. Die Zarin stellt sich ein aufgeklärtes Russland vor. Sie modernisiert die Industrie, baut Wasserstraßen und Handelswege aus, sie stärkt die Wirtschaft und das marode Militär, sie reformiert die teils korrupte Verwaltung und legt erstmals einen Staatshaushalt vor. Katharina ist eine disziplinierte Arbeiterin, ihr Tag dauert oft bis weit in die Nacht. Im Sommer 1767 beruft die Zarin eine Ständeversammlung nach Moskau ein. Neue Gesetze sollen auf den Weg gebracht werden. Sie plant unter anderem ein gigantisches edles Waisenhaus im Herzen Moskaus und unterstützt ein Mädcheninternat.

Pferdekutsche vor der Eremitage in Sankt Petersburg
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Alles Schöngeistige liegt ihr am Herzen. Die Eremitage in Petersburg wird mit neuen Gemälden geschmückt, das Theater hat Hochkonjunktur, die Kaiserin schreibt selbst Stücke, doch die zeugen nicht von großer Genialität. Dafür aber ist die Kunstmäzenin geschickt in Macht- und Winkelzügen, kämpft erfolgreich gegen die Türken und baut ihr Reich im Süden bis zum Schwarzen Meer und auch gen Westen aus. Dort nutzt sie die Gunst der Stunde und teilt sich mit Österreich und Preußen das durch einen Bürgerkrieg unregierbar gewordene Polen. 1783 kommt die Krim hinzu. Fürst Potjomkin, einer ihrer Günstlinge und Liebhaber, siedelt in ihrem Namen in den neuen Territorien Kolonisten aus Südost- und Mitteleuropa an, unter ihnen Deutsche.

 

Die Kehrseite

Die russische Zarin Katharina die Große, eine der mächtigsten Frauen der Geschichte und Freidenkerin, ist weiß Gott nicht frei genug, um nicht ein Überschwappen und Eindringen der neuen Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit als Folge der Französischen Revolution zu fürchten.

Vom Beginn ihrer langen Regentschaft an begünstigt sie den mächtigen Adel und stützt sich auf ihn. Ein Großteil der Bevölkerung hat überhaupt nichts von dem neuen Reichtum, ja, die Not der russischen Bauern wird immer größer. Durch die Stärkung des Adelsstands sind sie die der Willkür der Grundbesitzer ausgeliefert. Sie verarmen weiter, ihre Familien können auseinandergerissen werden, weil Leibeigene als Zwangsarbeiter nach Sibirien oder in andere abgelegene Ecken des Riesenreichs verschickt werden können. Unter dem Donkosaken Pugatschow kommt es zu einem großen Volksaufstand, der allerdings blutig niedergeschlagen wird. Pugatschow wird hingerichtet, die Knechtschaft der Bauern ist auf dem Höhepunkt.

Die "liberale" Zarin scheitert an der Unmenschlichkeit gegenüber der Mehrzahl ihrer Untertanen. Katharina die Große stirbt 67-jährig, im November des Jahres 1796, an den Folgen eines Schlaganfalls. Aus der einmal liberal denkenden Zarin war eine diktatorische Alleinherrscherin geworden.

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