Gerade einmal eine Million Dollar kostete sie, die Verfilmung des Romans „Doktor No“ von Ian Fleming. In der Hauptrolle als weltgewandter britischer Geheimagent - ein gewisser Sean Connery, Schotte und ehemaliger Bodybuilding Meister. Als der Film am 5. Oktober 1962 in London Premiere feierte, ahnte niemand, am wenigsten die Beteiligten selbst, dass dies später ein geschichtsträchtiges Datum sein würde. Es war der Beginn einer einzigartigen Filmserie, die ein ganz eigenes Filmgenre schuf: angesiedelt zwischen Thriller-, Action- und Science-Fiction-Film und immer groß angelegtem Unterhaltungskino. Es war die Geburt einer popkulturellen Ikone. Der Name - ein Allerweltname, den Fleming einem amerikanischen Vogelkundler entlieh - ist zu einer globalen Marke wie Coca-Cola geworden, mit dem Millionenumsätze generiert werden: Der Name ist Bond, James Bond. 007 mit der Lizenz zum Töten, berühmtester Martini-Trinker und Aston Martin-Testfahrer der Welt. Die Figur, die sich von der literarischen Vorlage längst gelöst hat, ist zu einer Projektionsfläche für einen modernen Helden geworden. James Bond ist eine Kunstfigur „all men wanted to be and all women just wanted“, wie Steven Spielberg die Erfolgsformel einmal plakativ zusammenfasste. wissen.de-Autor Christoph Marx, selbst eingefleischter Fan, blickt zurück auf 50 Jahre Bond und versucht, die ungebrochene Faszination einer Filmreihe zu ergründen, die es geschafft hat, mit einem festen Muster eine weltweite Fangemeinde zu binden. Und die es gleichzeitig vermag, ihre Figuren dem Zeitgeist anzupassen, so dass die Bond-Filme auch neue Generationen für sich begeistern.
James Bond knallhart
1962, als der erste Bond in die Kinos kam, war der Kalte Krieg nach der Kuba-Krise auf dem Siedepunkt, harte Männer waren gefragt. Die Zeit schien wie geschaffen für Ian Flemings literarische Männerfantasie eines Killers im britischen Staatsdienst, ausgestattet mit Sinn für die angenehmen Dinge des Lebens, mit einem ausgeprägten Hang zu Alkohol und Frauen. Bond jagte Verbrecher, die häufig nicht weniger als die gesamte freie Welt bedrohten, kämpfte und siegte. Flemings zwischen 1953 und 1964 geschriebenen Romane und Kurzgeschichten wurden Anfang der 1960er-Jahre besonders populär, als sie US-Präsident Kennedy öffentlich zu seiner Lieblingslektüre erklärte. Der US-amerikanische Filmproduzent Harry Saltzman erwarb 1961 sämtliche Filmrechte und gründete zusammen mit seinem Partner Albert R. Broccoli die Eon Productions, jene Filmproduktionsgesellschaft, die bis zum heutigen Tage die Bondfilme produziert. Dass diese Rechte einer Lizenz zum Gelddrucken gleichen, ist immer noch wesentlich „Urbond“ Sean Connery und dem Regisseur Terence Young zu verdanken, der in den ersten beiden Filmen den typischen Bond-Mix aus Sex, Sophistication, Action, Exotik und Humor kreierte. Connerys männliche Härte und gleichzeitiger Charme definierten eine neue Art von Coolness.
James Bond in „Goldfinger“
Eine weltweite „Bondmania“ löste 1964 der dritte Bondfilm aus, „Goldfinger“, bis heute DER James-Bond-Klassiker schlechthin und derjenige, der in Machart und Style eine Blaupause für die weiteren Filme war: ein überlebensgroßer diabolischer Bösewicht im Verbund mit gefährlichen Helfershelfern, zur Strecke gebracht von Bond, James Bond, in abenteuerlichen Verfolgungsjagden, mit Hilfe technischer Spielereien und nachdem Bond die Herzen einiger Frauen erobert hatte. Das alles inszeniert in den surrealistischen Bauten des genialen Setdesigners Ken Adam und getrieben von den grandiosen Kompositionen eines John Barrys. Die schon immer prinzipiell “larger than life“ angelegten Filme wurden mit der Zeit gigantomanisch, James Bond mutierte zu einem Superman, der mit ausgefeilter Technik die Welt vor immer neuen Schurken rettete. Als Connery 1967 die Lust am Bond-Dasein verlor und die Serie verließ, stand diese vor ihrem ersten Bruch, zumal sich mit dem Aufkommen der 1968-Bewegung die gesellschaftliche Grundströmung änderte. Dem machohaften Weltretter drohte der kulturelle Resonanzboden wegzufallen.
Bond wird zur Familienunterhaltung
Bis Mitte der 1970er-Jahre war es nicht sicher, ob die Serie unabhängig von Connery überleben und sich der neuen Zeit anpassen konnte. Nach einem einmaligen Gastspiel des australischen Models George Lazenby 1969 und einer sehr kostspieligen, ebenfalls einmaligen Rückkehr Connerys 1971, übernahm 1973 mit Roger Moore ein britischer Schauspieler den Topact. Moore brachte verstärkt Selbstironie und Humor in die Bond-Filme ein und konnte damit ein neues Publikum für 007 gewinnen. Insbesondere der 1977 gedrehte Blockbuster „Der Spion, der mich liebte“ gilt als Musterbeispiel für den neuen leichten Ton der Filme. Diese lebten zwar mehr denn je von unglaublichen Stunts und exotischen Drehorten, ähnelten inhaltlich aber verstärkt Comics und wandelten sich vom Agententhriller zum komödiantischen Abenteuerfilm, kurz: zum Märchenfilm für Erwachsene. In Zeiten von Entspannungspolitik und friedlicher Koexistenz zwischen Ost und West überlebten die Bondfilme mit Roger Moore nicht zuletzt auch als Parodie ihrer selbst. Auch die Rollen der Bond-Girls, der weiblichen Hauptrolle, passten sich dem emanzipatorischen Zeitgeist der Frauenbewegung an. Wurden sie in der Anfangszeit mehrheitlich als bikinitragende Schönheiten inszeniert, die dem Helden klar unterlegen waren, agierten sie nun mit Bond auf Augenhöhe. Wenn sie auch schließlich Bonds Charme verfielen. Als Roger Moore 1985 altersbedingt aufhörte, versuchten die Produzenten mit der Verpflichtung Timothy Daltons 1987 wieder einen ernsteren Ansatz zu verfolgen. Ein Vorhaben, das aber 1989 zunächst durch langwierige juristische Probleme und vor allem durch den epochalen politischen Wandel gestoppt wurde.
Der Bond des 21. Jahrhunderts
Wie konnte ein Bondfilm nach dem Zusammenbruch des Kommunismus aussehen? Welche Aufgabe konnte der Held der freien Welt in der neuen Weltunordnung spielen, dieser „sexistische, frauenfeindliche Dinosaurier“, wie die Bond-Macher mit den Worten der neuen Geheimdienstchefin M die allgemeinen Zweifel in dem Film „Goldeneye“ so wunderschön selbstironisch aufgriffen? Mit dem irischen Beau Pierce Brosnan wurde 1995 ein langjähriger Favorit als neuer Bond gekürt, der bis 2002 insgesamt vier erfolgreiche Filme drehte, dabei aber kein eigenes Profil entwickeln konnte. Trotz aller spektakulären Stunts, Explosionen und allem Bombast boten die postmodernen Brosnan-Bonds nur noch wenig Überraschungen und drohten als „Hommage an die Hommage“ an den eigenen Traditionen zu ersticken und in die kulturelle Belanglosigkeit zu fallen. Das erkennten auch die Macher und zeigten Mut, als sie sich 2006 für einen radikalen Neustart der Serie entschieden. Bis dahin unantastbare inhaltliche Rituale wie der ewige Flirt Bonds mit Miss Moneypenny und die Spielzeuge aus der Q-Waffenschmiede wurden fallengelassen und mit Daniel Craig ein ausgewiesener Charakterschauspieler als Bond engagiert, der die Figur zum ersten Mal wirklich menschlich darstellte und ihr einen gewissen Tiefgang verlieh. In „Casino Royale“ wird erzählt, wie Bond zu dem Überbond mutierte, als denn wir ihn kennen. Der Film zeigte Bond als Mensch mit Gefühlen, als Killer mit Fehler, blieb aber gleichzeitig mit atemberaubenden Stunts und „larger than life“-Szenarien immer als Bondfilm erkennbar. „Casino Royale“ wurde von Kritikern wie Publikum bejubelt und machte die Figur wieder interessant. Erneut scheint es gelungen zu sein, Bond dem aktuellen Zeitgeist anzupassen. Millionen von Fans warten gespannt auf den 25. Oktober 2012, wenn „Skyfall“ der neue Bond in der Royal Albert Hall in London Weltpremiere feiert. Und wieder wird es am Ende des Filmabspanns (verheißungsvoll) heißen: „James Bond will return“. Wie auch immer.
von wissen.de-Autor Christoph Marx, Oktober 2012
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