wissen.de Artikel

Wie wirksam sind Sanktionen?

Im Rahmen des Ukrainekrieges haben die EU und die USA verschiedene Sanktionen gegen Russland verhängt. Immer wieder wird über die Effektivität dieser wirtschaftlichen Maßnahmen diskutiert. Nun hat eine Studie versucht, das Ganze aus wissenschaftlicher Sicht zu betrachten. Was beeinflusst die Effektivität von Sanktionen? Hätten stärkere Sanktionen den Krieg sogar gänzlich verhindern können? Welche Rolle spielt dabei die USA?
SSC, 04.10.2024
Symbolbild Sanktionen

© bymuratdeniz (Hintergrund), merovingian (Blitze), beide iStock

Die Annexion der Halbinsel Krim durch das russische Militär im Jahr 2014 gilt als ausschlaggebender Punkt für den Ausbruch des Ukrainekrieges im Jahr 2022. Damals verweigerte der russlandnahe ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch ein Abkommen, dass eine engere wirtschaftliche Kooperation zwischen der EU und der Ukraine ermöglicht hätte. Im Zuge dessen demonstrierten hunderttausende Ukrainer. Die Demonstrationen schlugen in gewaltsame Auseinandersetzungen um und Janukowitsch floh.

Unter einer neuen Regierung strebte die Ukraine eine engere Anbindung an den Westen an. Putin reagierte auf den Regimewechsel in der Ukraine mit der Annexion der Krim. Er gibt seither an, er habe wegen Janukowitschs Flucht die Krim besetzen müssen, um die Halbinsel wieder Russland zugehörig zu machen.

Schon damals verhängten sowohl die Europäische Union als auch die USA wirtschaftliche Sanktionen gegen Russland: Bestimmte Güter, darunter vor allem Hightech-Bauteile und Maschinen, durften nicht mehr nach Russland geliefert werden, umgekehrt konnten keine Güter, die auf der Krim hergestellt werden an die EU geliefert werden.

Mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 verhängten die westlichen Staaten weitere Sanktionen gegen Putins Regierung. So wurde unter anderem der Import von Erdöl und Erdgas durch EU-Länder aus Russland stark reduziert. Zusätzlich wurde das Vermögen von mehr als 2000 Einzelpersonen eingefroren und mehrere von der russischen Regierung kontrollierte Medienunternehmen verboten.

Sanktionen können nach ihrer Stärke unterschieden werden

Doch haben diese Sanktionen etwas gebracht? Hätten noch restriktivere Maßnahmen möglicherweise sogar den Angriff Russlands auf die Ukraine verhindern können? Das haben nun Thies Niemeier und Gerald Schneider von der Universität Koblenz näher untersucht. Mit Hilfe eines Modells ermittelten sie am Beispiel von Ägypten, Burundi, Mali und Russland - sowie der EU und den USA als sanktionierenden Staaten - den Einfluss von Sanktionen. Dazu unterschieden die beiden Autoren verschiedene Stärken von sanktionierenden Maßnahmen.

Wenn bestimmte russische Unternehmen nicht mehr investieren oder Oligarchen nicht mehr in bestimmte Länder einreisen dürfen, zählt das als eine leichte Maßnahme. Zum mittleren Bereich zählen die Unterbindung von Waffenhandel oder das Einfrieren von Entwicklungshilfe. Umfassende wirtschaftliche Einschränkungen - wie die Gas und Öl Embargos - gelten als schwerste Sanktionen.

Stärkere Sanktionen für mehr Erfolg

Das Ergebnis: “Je glaubwürdiger die ökonomischen Zwangsmaßnahmen sind und je kostenträchtiger, desto wahrscheinlicher ist es, dass das Zielland zu Konzessionen bereit ist”, erklärt Schneider. Fallen die Sanktionen stärker aus und bedeuten sie hohe wirtschaftliche Einbußen für das betroffene Land, so ist es demnach eher bereit, klein beizugeben. Besonders hoch ist die Erfolgschance für Sanktionen zudem dann, wenn die betroffenen Länder in engem wirtschaftlichem Verhältnis oder sogar in ökonomischer Abhängigkeit zum sanktionierenden Staat stehen. Auch wenn es sich um ehemalige Kolonien handelt, sind die Erfolgschancen erhöht.

Doch wie sieht es mit Russland aus?  “Unsere Modelle lassen darauf schließen, dass intensive Sanktionen im Jahr 2014 mit hoher Wahrscheinlichkeit den Preis für künftige Aggressionen in die Höhe getrieben und Präsident Putin verhandlungsbereiter gemacht hätten, wenn sie auch wahrscheinlich nicht ausgereicht hätten, um einen russischen Rückzug von der Krim zu erreichen”, erklärt Schneider. Dazu zählen sie vor allem Maßnahmen, die das Gas und Öl in Russland betreffen.

Doch die nach der Annexion der Krim verhängten Sanktionen reichten für einen solchen Abschreckungseffekt nicht aus: “Die durch Lobbying der Finanz- und Energieindustrie verwässerten Sanktionen im Jahr 2014 haben Präsident Putin in seinem Irrglauben bestärkt, dass er bei einer Verschärfung seiner Aggressionen gegenüber der Ukraine nur mit wenig kostenträchtigen Zwangsmaßnahmen zu rechnen habe”, sagt Schneider.

Die Rolle der “Supermacht” USA

Die USA spielt bei solchen politischen Entscheidungen eine wichtige Rolle. Durch die wirtschaftliche Macht der USA lenken betroffene Länder meist schon bei der bloßen Androhung von Sanktionen ein. Oftmals werden dann gar keine tatsächlichen Maßnahmen mehr nötig. “Ein weiterer Faktor ist, dass die USA manchmal starke ökonomische Maßnahmen gegen Länder einsetzen, die wenig von der USA abhängen. Ohne wirtschaftlichen Druck zu erzeugen, kann die Sanktion nicht gelingen,” sagt Niemeier.

Die Studie hält fest, dass Politikanalysen den Erfolg von Sanktionen vorhersagen und Politikern bei wichtigen Entscheidungen unterstützen können.

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon