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Glücksspielsucht: Das Spiel mit dem Risiko
Wer schon mal einen Fuß in ein Casino gesetzt hat, kennt sie: bunt blinkende Spielautomaten, drehende Rouletteräder oder klappernde Jetons in den Händen von Poker-Spielern. Das verspricht Spaß, Spannung und hohe Gewinne, doch das Spielen solcher Spiele kann auch in eine Sucht umschlagen und hohe Schulden verursachen. Um vor dieser Gefahr zu warnen, findet jeden letzten Mittwoch im September bundesweit der Aktionstag gegen Glücksspielsucht statt. Aber was macht das Spiel mit dem Risiko überhaupt so spannend?
Dopaminfalle Glücksspiel
Auch wenn manch einer hofft, dass seine Spielstrategie bei Roulette, Poker oder Lotto den ersehnten Gewinn bringt, basieren solche und ähnliche Spiele vor allem auf Glück und Zufall. Der Spieler weiß daher nie, ob er gewinnen wird oder nicht.
Doch genau diese Unvorhersagbarkeit aktiviert das Belohnungssystem in unserem Gehirn und lässt es das Glückshormon Dopamin ausschütten. Dieses Hormon sorgt dafür, dass wir uns wohl fühlen. Genau deswegen strebt das Gehirn allerdings auch immer wieder danach, in diesen Zustand des Glücks zurückzukehren.
Dieses Verlangen kann dann so stark werden, dass Spieler dem Impuls zum Glücksspiel nicht mehr widerstehen können – selbst dann, wenn das Spielen gravierende Folgen im persönlichen, familiären oder beruflichen Umfeld nach sich zu ziehen droht oder bereits nach sich gezogen hat. Dieses Verlangen ist eines der Symptome von suchthaftem Spielen.
Glücksspiel kann süchtig machen
Aber nicht nur der Nervenkitzel des möglichen Gewinns macht Glücksspiel für uns so anziehend und abenteuerlich: Vor allem die Art des Spiels beeinflusst den Suchtfaktor. Besonders riskant sind Angebote, die immer und schnell verfügbar sind, wie beispielsweise Online-Casinos oder Wett-Apps. Gleiches gilt für Spiele mit hoher Geschwindigkeit: Je kürzer der Abstand zwischen Einsatz und Gewinnausschüttung ist, desto stärker wird das Belohnungssystem im Gehirn aktiviert.
Auch sogenannte „Fast-Gewinne“, bei denen Spieler einen großen Gewinn knapp verfehlen – zum Beispiel, wenn die Walzen eines Automaten nur zwei gleiche Symbole statt der für einen Gewinn benötigten drei anzeigen – erhöhen den Suchtfaktor von Glücksspielen. Sie suggerieren, der nächste Einsatz könnte endlich den Gewinn bringen, und lassen Spieler so immer mehr Geld ausgeben. Speziell bei digitalen Spielautomaten können solche „Tricks“ auch gezielt programmiert werden.
Alle diese Effekte werden verstärkt, wenn Spieler nicht direkt mit Geld, sondern mit Jetons, virtuellen Credits oder Centbeträgen spielen. Dadurch geht ihr Bezug zum tatsächlichen Geldwert verloren und Verluste wirken kleiner. Die Spieler erhöhen so die Einsätze, während ihr Urteilsvermögen und ihre Hemmschwelle zum Weiterspielen sinken. Im schlimmsten Fall droht der „Ruin des Spielers“, der Verlust des letzten Spielkapitals.
Cool, reich und Frauenversteher?
Daten der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigen, dass Männer deutlich stärker zu einer Glücksspielsucht neigen als Frauen. Rund 80 bis 90 Prozent der Menschen, die sich aufgrund von Glücksspielsucht Hilfe suchen, sind männlich. Dass Männer überdurchschnittlich häufiger betroffen sind, liegt vor allem an traditionellen Rollenbildern: Glücksspieler gelten oft als cool, überlegen und beliebt bei Frauen. Zusätzlich gelten Geld und andere Gewinne – wovon Glücksspiele viel versprechen – als Statussymbole.
„Vieles weist darauf hin, dass Männer durch eine übermäßige Orientierung an diesen Normen emotional verkümmern: Sie finden keinen sinnvollen Umgang mit belastenden Ereignissen und den eigenen negativen Gefühlen“, erklärt die Suchtkooperation NRW. „Kränkende Erlebnisse im Berufs- oder Privatleben, die das idealisierte Selbstbild beeinträchtigen, können den Schritt zum Glücksspiel begünstigen.“
Der „perfekte“ Glücksspielsüchtige
Neben dem Geschlecht gibt es weitere Faktoren, die das persönliche Suchtrisiko erhöhen. So neigen junge und impulsive Menschen sowie Personen mit einem niedrigen Einkommen eher zur Glücksspielsucht. Hinzu kommen familiäre und kulturelle Einflüsse wie beispielsweise spielende Angehörige. Wer oft an Glücksspielen teilnimmt und dabei viel Geld einsetzt, erhöht ebenfalls sein Risiko einer Abhängigkeit.
Im Jahr 2023 waren in Deutschland 4,6 Millionen Erwachsene spielsüchtig oder spielsuchtgefährdet, wie aus dem Glücksspielatlas hervorgeht. Rund 1,3 Millionen von ihnen haben eine Glücksspielstörung, 3,3 Millionen zeigen ein riskantes Glücksspielverhalten mit ersten Anzeichen für eine Sucht.
Hilfe für Betroffene
Wer testen will, ob er suchtgefährdet ist, kann einen Selbsttest auf der Webseite der „Landeskoordinierungsstellen Glücksspielsucht“ machen. Dort finden Betroffene, Angehörige und Interessierte auch Angebote für kostenlose anonyme Hilfe bei Glücksspielsucht.