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So beeinflusst Germany‘s Next Topmodel unser Körperbild

Die Castingshow Germany’s Next Topmodel steht oft für das unrealistische von ihr vermittelte Schönheitsideal in der Kritik. Zwar versucht Moderatorin und Chef-Jurorin Heidi Klum seit einigen Jahren, mehr Diversität in die Sendung zu bringen, aber hat sich das Format damit wirklich weiterentwickelt? Und wie beeinflusst es das Körperbild der Zuschauer?
SSC, 13.03.2025
Junge Schauspielerin in der Schminke
Nicht nur das Publikum, auch die Kandidatinnen – und inzwischen auch Kandidaten – sind oft sehr jung.

© LightFieldStudios, iStock

Zurzeit läuft die 20. Staffel von Germany’s Next Topmodel auf ProSieben. Die älteste Kandidatin ist 56 Jahre alt, denn seit 2022 dürfen sich auch Ältere vor der Kamera und auf dem Laufsteg beweisen. Mit dabei sind seit dem letzten Jahr auch Männer. Das eigentliche Konzept der Sendung ist seit der Erstausstrahlung 2006 jedoch recht unverändert geblieben.

„Sie hat sich schlichtweg verdoppelt“

Medien und Zuschauer kritisieren Germany’s Next Topmodel seit jeher für das durch die Sendung vermittelte Schönheitsideal und dafür, dass zuschauende Mädchen und junge Frauen dadurch negativ beeinflusst werden. Im schlimmsten Fall kann der Wunsch danach, so dünn wie die Idole im Fernsehen zu werden, zu einer gefährlichen Essstörung führen. Besonders in den älteren Staffeln war das Gewicht der Kandidatinnen oft ein Kritikpunkt, wie folgendes Beispiel zeigt:

„Sie hat sich schlichtweg verdoppelt“, sagte das damalige Jury-Mitglied Thomas Rath 2012 über eine Kandidatin. „Sie war einfach moppelig.“ Die in Kenia lebende Kandidatin war zuvor an Malaria erkrankt und während des Castings durch die vorangegangene Krankheit entsprechend dünn. Beim Wiedersehen mit der Jury hatte sie wieder ein gesundes Gewicht erreicht, welches die drei Jurymitglieder allerdings abwertend kommentierten.

Mit der Zeit schien Heidi Klum dieses Image ihrer Sendung jedoch verändern zu wollen. Ab 2018 lud Klum auch „Plus-Size-Models“ – also Models ab einer Konfektionsgröße 38 – ein und betonte immer wieder die Diversität ihrer Sendung. Vor zwei Jahren gewann mit Vivien Blotzki sogar erstmals ein Plus-Size-Model die Castingshow.

Finalisten der vierten Staffel von GNTM auf der Präsentation von C&A im April 2009
Finalisten der vierten Staffel von GNTM – damals noch durch die Bank groß und schlank.

Wie beeinflusst die Sendung unser Körperbild?

Doch wie effektiv waren die Neuerungen wirklich? Sind die Zuschauerinnen durch sie zufriedener mit dem eigenen Körper? Das hat nun ein Forschungsteam um Friederike Holtmann von der Universität Osnabrück untersucht. Um herauszufinden, ob Germany’s Next Topmodel nach wie vor das Körperbild von Frauen beeinflusst, sollten sich weibliche Testpersonen zwischen 18 und 52 Jahren die 18. Staffel, welche Vivien Blotzki gewann, ansehen und fortlaufend Angaben zu ihrer Zufriedenheit mit dem eigenen Körper, ihrem idealen Körperbild und ihrem Selbstwertgefühl machen.

Unter den teilnehmenden Frauen waren auch einige mit einer Essstörung wie beispielsweise Magersucht oder Bulimie. Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper ist ein zentrales Merkmal vieler Essstörungen. Sie entsteht durch die Diskrepanz zwischen der eigenen Wahrnehmung des Körpers und dem verinnerlichten Schönheitsideal der Betroffenen.

Weniger zufrieden mit dem eigenen Körper

„Die Ergebnisse zeigen, dass sowohl Frauen mit als auch ohne Essstörung nach dem Anschauen der Sendung unzufriedener mit ihrem eigenen Körper waren als zuvor“, berichtet Holtmann. Das Selbstwertgefühl der Studienteilnehmerinnen hat sich nach dem Anschauen der Sendung jedoch nicht verändert.

„Besonders Frauen mit Essstörungen berichten zudem von einer Verschlechterung der Stimmung sowie der verstärkten Wahrnehmung einer Diskrepanz zwischen ihrem eigenen Körper und ihrem verinnerlichten Ideal eines optimalen Körpers“, so die Psychologin weiter. „Diese Diskrepanz zum eigenen Schönheitsideal nahm im Laufe der Staffel Germany’s Next Topmodel weiter zu.“

Trotz Heidi Klums angestrebter Diversität beeinflusst die Castingshow also weiterhin die Zufriedenheit von Frauen mit dem eigenen Körper. „In einer Gesellschaft, in der Sendungsformate wie Germany’s Next Topmodel und Soziale Medien allgegenwärtig sind und somit das Selbstbild vieler Menschen prägen, ist es umso wichtiger, sich deren Auswirkungen bewusst zu sein und eine kritischere Medienkompetenz zu entwickeln“, betont Holtmann. Dann lassen sich die negativen Folgen solcher Formate zumindest ein wenig abfedern.

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