wissen.de Artikel

Die Psychologie hinter Film- und Serienbösewichten

Ob Walter White aus Breaking Bad, Frank Underwood aus House of Cards oder Miranda Priestly aus Der Teufel trägt Prada: Sie alle schrecken nicht davor zurück, für ihre Ziele über Leichen zu gehen. Das macht sie zu unangenehmen und gleichzeitig spannenden Persönlichkeiten. Doch was genau steckt psychologisch betrachtet hinter solchen Film- und Serienbösewichten? Und wo begegnen wir ähnlichen Charakteren in unserem Alltag?
AMA, 31.07.2023
Marionettenspieler, Symbolbild manipulativer Psychopath

© Gruppo_Teatrale_Universitario, GettyImages

„Böse“ zu sein, ist keine eigenständige Charaktereigenschaft. Die Psychologie nutzt stattdessen den Begriff der „Dunklen Triade“, um das Böse im Menschen zu charakterisieren. Sie setzt sich aus drei sozial unangepassten Persönlichkeitsmerkmalen zusammen: Narzissmus, Psychopathie und Machiavellismus. In den Bösewichten aus Filmen und Serien steckt typischerweise mindestens eine dieser Eigenschaften.

Narzissmus: „Ich bin besser als andere“

Der Begriff des Narzissmus stammt aus der griechischen Mythologie. Der junge Narziss soll sich einst in sein eigenes Spiegelbild verliebt haben, was Narzissten folglich als selbstverliebte Egomanen kennzeichnet. Tatsächlich steckt in jedem von uns ein wenig Narzissmus, nur unterschiedlich stark ausgeprägt. Wirklich kritisch wird diese Eigenschaft erst, wenn sie bei jemandem so stark ausgeprägt ist, dass man bereits von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung spricht. Das ist im Schnitt bei sechs von 100 Menschen der Fall.

„Für den Narzissten sind die anderen nur dazu da, um ihn zu bewundern“, erklärt Christian Blötner von der Fernuniversität Hagen. Narzissten neigen zu Wutausbrüchen und dazu, andere herabzuwürdigen. Ihre dunkleren Seiten kommen in der Regel aber erst dann zum Vorschein, wenn ihnen jemand bei ihrem Streben nach Bewunderung und sozialem Status im Weg steht.

Ein Beispiel für einen narzisstischen Filmbösewicht ist Miranda Priestly, die im Hollywood-Film „Der Teufel trägt Prada“ als Chefredakteurin beim fiktiven Modemagazin Runway arbeitet. Sie ist fest davon überzeugt, über allen anderen zu stehen und ihre uneingeschränkte Bewunderung zu verdienen. Mit Mitarbeitern, die ihren übermenschlichen Ansprüchen nicht gerecht werden, ist sie ungeduldig und mitunter grausam. Als ihre Position als Chefredakteurin in Gefahr ist, „opfert“ sie sogar einen ihrer treuesten Mitarbeiter, um ihre Stellung zu behalten.

Symbolbild Narzissmus
Narzissten legen ein übertriebenes Selbstwertgefühl an den Tag und haben ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Bewunderung, halten es gleichzeitig aber oft für unwichtig, sich mit den Angelegenheiten oder den Gefühlen anderer auseinanderzusetzen

© LUNAMARINA, GettyImages

Psychopathie: „Ich empfinde keine Reue“

Während der Narzisst anderen nur wehtut, um damit eigene Ziele zu erreichen, tut der Psychopath ihnen auch ohne solche Notwendigkeit weh. Psychopathen gelten als gefühlskalt, abgebrüht und reuelos. Für einen Psychopathen haben Menschen eher den Stellenwert von Objekten, weshalb sie selbst nach einer Straftat keine Gewissensbisse empfinden, erklärt Psychologin Corinna Hartmann. Sie verüben daher häufig schon im Jugendalter kriminelle Taten.

Ein Paradebeispiel für einen psychopathischen Bösewicht ist Hannibal Lecter aus „Das Schweigen der Lämmer“. Der Serienmörder tötet seine Opfer brutal und bereitet aus Teilen ihrer Körper sogar Gerichte zu. Schuldgefühle? Fehlanzeige.

Machiavellismus: „Der Zweck heiligt die Mittel“

Der dritte Bestandteil der Dunklen Triade ist der sogenannte Machiavellismus, benannt nach dem italienischen Staatsphilosophen Niccolò Machiavelli. Sein Motto: Der Zweck heiligt die Mittel. Genauso verhalten sich auch Machiavellisten. Sie gehen, wenn nötig, über Leichen, um ihre Macht zu mehren oder zu erhalten. Dabei verhalten sie sich anders als der Narzisst aber nicht impulsiv und aggressiv, sondern berechnend. Sie manipulieren Menschen gezielt und nutzen sie geschickt zu ihrem eigenen Vorteil. „Für den Machiavellisten nutze ich gerne das Bild des Puppenspielers. Er nutzt alle Menschen als seine Schachfiguren“, erklärt Blötner.

Machiavellisten stellen sich selbst besser dar, indem sie andere mobben oder Lügen erzählen. Man spricht auch von „Bullying“ und „Bullshitting“. Doch egal wie ausgeprägt diese Verhaltensweisen bei einer Person sein mögen: Machiavellismus zählt stets als Persönlichkeitsmerkmal, nicht als psychische Störung.

Ein typisch machiavellistischer Serienbösewicht ist Frank Underwood aus „House of Cards“. Der Kongressabgeordnete strebt nach mehr politischer Macht und um dieses Ziel zu erreichen, ist ihm jedes Mittel recht: Manipulation, Lügen, Intrigen und sogar Mord. Sowohl auf dem Bildschirm als auch in der Realität können die verschiedenen Charakterzüge der Dunklen Triade aber auch fließend ineinander übergehen oder gleichzeitig auftreten. So hat zum Beispiel Miranda Priestly auch machiavellistische Tendenzen, während in Frank Underwood auch ein Narzisst steckt.

Symbolbild Dunkle Triade
Die drei Merkmale Narzissmus, Machiavellismus und Soziopathie können bei einer Person gemeinsam und in bestimmten Kombinationen auftreten und sind unterschiedlich ausgeprägt.

© Olivier Le Moal / GettyImages

Die Dunkle Triade im Alltag

Auch in der realen Welt gibt es bekannte Persönlichkeiten, denen man Eigenschaften der Dunklen Triade zuschreibt. Zum Beispiel Steve Jobs, dem aufgrund seiner harten Unternehmensführung und Wutausbrüche häufig narzisstische Tendenzen nachgesagt wurden. Oder Donald Trump, der das gezielte Verbreiten von Fake News als machiavellistisches Instrument einsetzt.

Eigenschaften der Dunklen Triade stecken aber längst nicht nur in großen, bekannten Persönlichkeiten wie politischen Schachspielern und Konzernchefs. So können genauso gut Mobber in der Schule oder Arbeitskollegen machiavellistische Tendenzen haben. In mäßiger Ausprägung sind Narzissmus und Co. mitunter sogar ziemlich nützlich. Studien konnten zum Beispiel zeigen, dass machiavellistische Verkäufer im Schnitt mehr Grundstücke oder mehr Autos verkaufen, und dass Narzissten häufiger in Führungspositionen landen. Ob sie von ihren Kunden beziehungsweise Angestellten gemocht werden, steht allerdings auf einem anderen Papier.

Wer herausfinden will, wie viel von der Dunklen Triade in einem selbst steckt, der kann folgenden psychologischen Kurzfragebogen ausprobieren: https://openpsychometrics.org/tests/SD3/

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Großes Wörterbuch der deutschen Sprache

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon