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Warum „bingewatchen“ wir?

Wenn die neue Staffel der eigenen Lieblingsserie endlich draußen ist, heißt das für viele: mit einem warmen Getränk auf die Couch setzen, in die Decke einkuscheln und so viele neuen Folgen wie möglich schauen. Bei einem derart übereifrigen Serienkonsum ist auch von „Bingewatching“ die Rede. Aber warum bingewatchen wir? Welchen Einfluss hat unser Charakter darauf? Und warum können häufige Serienmarathons unserer Gesundheit schaden?
SSC, 16.04.2025
Liegende junge Frau mit asiatischem Takeout-Food beim Anschauen eine TV-Show

© AleksandarNakic, iStock

Im Unterschied zum klassischen linearen Fernsehen, bei dem der Sender das Programm festlegt und Serienepisoden oft über längere Zeiträume verteilt ausstrahlt, veröffentlichen Streamingdienste wie Netflix oder Amazon Prime meist alle Episoden einer Staffel auf einen Schlag. So können wir – mit genügend Zeit und Willenskraft – mehrere Folgen oder sogar die ganze Staffel an einem Stück schauen und müssen nicht bis zur Veröffentlichung der nächsten Folge warten. Bei solchen Serienmarathons spricht man auch von „Bingewatching“, was sich als „Komaglotzen“ übersetzen ließe.

Düstere Serien mit langen Handlungssträngen verführen besonders

Aber woher kommt der Hang zum Bingewatchen? Gibt es vielleicht bestimmte Arten von Serien, die besonders dazu verführen? „Eine düstere Tonalität und episodenübergreifende Handlungsstränge korrelieren sehr positiv mit Bingewatching; eine alltägliche Umgebung der Handlung deutlich negativ“, erklärt Christian Zabel von der Technischen Hochschule Köln, der mit seinem Team anhand von knapp 2.000 Studienteilnehmern analysiert hat, warum wir bingewatchen.

Das Ergebnis: Behandelt eine Serie eher bedrückende Themen und hat lange Handlungsstränge, neigen wir eher dazu, gleich viele Folgen hintereinander anzusehen. Die Länge der Episoden oder wie schnell und komplex die Handlung erzählt wird, wirkt sich wiederum nicht darauf aus, ob wir direkt die nächste Folge der Serie gucken wollen oder nicht.

Lieber Drachen als Zombies

Neben dem allgemeinen Aufbau einer Serie beeinflusst auch ihr Genre, ob wir bingewatchen, wie Zabel und seine Kollegen herausgefunden haben. „Comedy, Crime und Fantasy werden eher ‚gebinged‘, Familienserien, Horror und animierte Formate eher weniger“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler. „Dies gilt auch für das Sport-Genre insgesamt.“ Ob wir zum „Komaglotzen“ neigen, hängt also auch davon ab, ob wir eher Fantasy-Serien wie „Game of Thrones“ oder Horror-Serien wie „The Walking Dead“ bevorzugen.

Bingewatchen, um der Realität zu entfliehen?

Doch hat auch unser Charakter Einfluss darauf, ob wir eher bingewatchen als andere? Tatsächlich ja, wie Zabel und seine Kollegen festgestellt haben. „Wir haben herausgefunden, dass vor allem jüngere Menschen bingewatchen, die einem hedonistischen oder eskapistischen Lebensstil zugeneigt sind – also vor allem Spaß und Genuss suchen oder der Welt entfliehen wollen“, erklärt Zabel. „Dementsprechend ist der Wunsch nach Spannung, Spaß, Unterhaltung oder Zeitvertreib eng mit diesem Verhalten verbunden.“

Ergibt Sinn: Beim Serienmarathon können wir uns einige Stunden lang dem Alltag entziehen und uns ablenken. Menschen, die dazu neigen, Stress, Sorgen oder Langeweile ausblenden zu wollen, konsumieren Medien daher häufig lange am Stück. Dazu passt auch eine weitere Erkenntnis der Studie: Je weniger wir daran interessiert sind, uns mit dem Weltgeschehen auseinanderzusetzen, desto eher neigen wir zum Bingewatching.

Gesundheitsrisiko Serienmarathon

Wer sich regelmäßig bei langen Serienmarathons auf der Couch erwischt, sollte aufpassen, sich nicht in diesem Konsum zu verlieren. Denn Bingewatching kann zahlreiche gesundheitliche Probleme mit sich bringen. So bedingt das lange Sitzen auf der Couch zum Beispiel Bewegungsmangel und damit Übergewicht, Bluthochdruck und Rückenbeschwerden. Gerade beim abendlichen Bingewatching häufen wir zudem oftmals eine ordentliche Portion Schlafentzug an. 

Wie aber sagt man dem Bingewatching den Kampf an? Wer dem Hamsterrad der Seriensucht entkommen will, muss es sich selbst leichter machen, einen Schlusspunkt zu setzen, etwa indem er das automatische Abspielen der nächsten Folge deaktiviert. Auch kann es sinnvoll sein, vor dem Serienmarathon festzulegen, wann Schluss sein soll, und einen entsprechenden Handywecker zu stellen. Wenn nichts hilft und die Seriensucht zunehmend das eigene Leben beherrscht, kann im Notfall auch eine Verhaltenstherapie ratsam sein.

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