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Absolutismus: Idee, Anspruch und Wirklichkeit

Welche staatstheoretischen Ansätze gab es?

Die politische Philosophie der frühen Neuzeit ging vom Gedankenexperiment des Naturzustands aus, einem vorstaatlichen Zustand, in dem alle Menschen gleich sind, über unbeschränkte Freiheit verfügen und wesentlich vom Selbsterhaltungstrieb beherrscht werden. Um dem Egoismus des Einzelnen Einhalt zu gebieten und ihn nicht zu einer Gefahr für alle werden zu lassen, wird als neutrale, Frieden garantierende Gewalt ein Staat gegründet. Der Einzelne verzichtet auf gewisse Freiheiten, um dadurch die Freiheit aller zu garantieren. Je nachdem, wie nun das Wesen des Menschen eingeschätzt wurde, fiel auch die Konzeption des Staates aus. Die pessimistische Anthropologie geht davon aus, dass die Menschen aggressiv sind, und fordert darum einen starken, autoritären Staat, dem sich der Einzelne zu unterwerfen hat. Die optimistische Anthropologie dagegen betrachtet die Menschen eher als gesellige, untereinander schnell einig werdende Wesen, die nur ein Minimum an staatlichem Regulativ benötigen, etwa in Form eines Staates, der viele Freiheiten und Mitsprachemöglichkeiten bietet.

Wer lieferte das Fundament des Absolutismus?

Der französische Philosoph Jean Bodin (1530–1596) forderte an der Spitze des Staates einen »Souverän« mit »ausschließlicher, unteilbarer, von den Gesetzen, nicht aber vom Recht gelöster Machtvollkommenheit«. Sein Konzept der »Staatsräson« (Raison d' État) degradiert die Bürger zu Erfüllungsgehilfen des Staates. Als Theoretiker des französischen Absolutismus folgte Jacques Bénigne Bossuet (1627–1704) nach, Hofprediger Ludwigs XIV. und Erzieher des Thronfolgers, der die monarchische als älteste, natürlichste, dauerhafteste und stärkste Staatsform bezeichnete.

Ein Anhänger der pessimistischen Anthropologie in England war der Philosoph Thomas Hobbes (1588–1679): Im Naturzustand herrsche ein ungezügelter Selbsterhaltungstrieb, der alles menschliche Handeln steuere, ein Kampf aller gegen alle (Homo homini lupus, »der Mensch ist des Menschen Wolf«). Zur Überwindung dieser Situation bedürfe es eines Staates mit absolutem Herrscher.

Welcher Denker trat für einen Verfassungsstaat ein?

Hobbes fand seinen Widerpart in dem Philosophen John Locke (1632–1704). Er ging von gesitteten Menschen aus und gelangte deshalb zum Ideal des humanen Verfassungsstaates. Dieser beruht auf der wechselseitigen Rücksicht aller gegen alle. Gleichheit, Freiheit und Rechte bleiben den in den Vertrag Eintretenden erhalten. Um einen einheitlichen Willen zu vertreten, ist der Staat verpflichtet, der Entscheidung der Mehrheit zu gehorchen. Zu diesem Zwecke werden gesetzgebende Gewalt (Legislative) und ausführende Gewalt (Exekutive) voneinander getrennt und erstere als höchste Gewalt im Staat über letztere gestellt. Als staatskritischer Aufklärer forderte auch der Franzose Charles de Secondat, Baron de La Brède et de Montesquieu (1689–1755) die Gewaltenteilung im Staat als Voraussetzung für politische Freiheit.

Was ist aufgeklärter Absolutismus?

Hier regiert der Monarch nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit, der Aufklärung und des Gemeinwohls. Eigentum und wirtschaftliche Freiheit der Bürger werden von ihm anerkannt. Er wurde seit den 1760er Jahren in der französischen Staatslehre statt der absoluten Monarchie zunehmend als perfekte Regierungsweise favorisiert. Le Mercier de la Rivière sprach in seinem Grundlagenwerk »Ordre naturel et essentiel des sociétés politiques« (1767) in diesem Zusammenhang vom »väterlichen und legalen Despoten«.

Wer galt als Inbegriff des Absolutismus?

Vorbild für die europäischen Monarchen war der französische König Ludwig XIV. (persönliche Reg. 1661–1715). Dieser errichtete eine im Verständnis der Zeit »perfekte Monarchie«, in der Staat und Gesellschaft auf rationale Weise vollkommen organisiert und zentralistisch auf seine Person hin ausgerichtet waren. »Ein Glaube, ein Gesetz, ein König« lautete die Devise. Das Bild eines Theaters drängt sich auf, wenn man an sein Auftreten als »Sonnenkönig« oder an den Regierungssitz Versailles als Symbol königlicher Macht denkt: ein Gesamtkunstwerk mit einer Haus- und Gartenarchitektur, die Sinnbild für den Triumph über die Natur, für die Beherrschung von Technik und Idealen, Ein- und Unterordnung des Menschen ist.

Am Ende der Regierung Ludwigs XIV. aber hatten Macht- und Prachtentfaltung sowie der Unterhalt des großen Heeres die Staatsfinanzen ruiniert. Und in Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft fehlten die Hugenotten, die in großer Zahl ins Ausland geflohen waren. Zum größten Problem wurden die Missstände im Steuersystem. So entfielen auf die Bürger und Bauern die meisten Steuerlasten, während die nach wie vor privilegierten Stände von Adel und hoher Geistlichkeit, die zu den Großverdienern zählten, von Einkommens- und Grundsteuer (Taille) befreit blieben – ein Nährboden für Aufstände und Revolten.

Welchen politischen Sonderweg beschritt England?

England entwickelte sich im 17. Jahrhundert, nicht zuletzt infolge zweier sozial und religiös motivierter Revolutionen, von einer absolutistischen zu einer parlamentarischen Monarchie. Eine Schlüsselrolle spielte dabei das Parlament, das seit dem späten 13. Jahrhundert aufgrund seines Steuerbewilligungsrechts ein Gegengewicht zum Königshaus bildete.

Der Versuch von König Karl I. (Reg. 1625–1649), ab 1629 unter Ausschaltung des Parlaments absolutistisch zu regieren, scheiterte. Als er 1637 den Schotten die anglikanische Kirche aufzwingen wollte und sich daraufhin schottische Geistliche empörten, brauchte er höhere Einkünfte, um den Aufstand bekämpfen zu können – und war auf die Zustimmung des Parlaments angewiesen. Dieses verweigerte Karl I. nicht nur das Geld, es ließ auch die beiden mit der Ausführung des Edikts betrauten Politiker hinrichten. Ferner führten die Parlamentarier regelmäßige Tagungsabschnitte (= Unabhängigkeit von Einberufungen durch den König) ein und nahmen sich das Recht, Militärbefehlshaber zu ernennen.

Warum kam es zur Puritanischen Revolution?

Der Versuch Karls I., die Macht wieder an sich zu reißen, mündete 1642 in einen Bürgerkrieg (Puritanische Revolution), bei dem die Truppen des mit den Schotten verbündeten Parlaments unter Führung des puritanischen Landedelmanns Oliver Cromwell (1599 bis 1658) die königliche Armee 1644 und 1645 besiegten. Cromwell ließ Karl I. 1649 hinrichten und begründete eine elfjährige Militärdiktatur, der sich das Parlament beugen musste. Nach seinem Tod kehrte mit der Rückberufung des Adelsgeschlechts der Stuarts durch das Parlament die Monarchie zurück. König wurde Karl II. (Reg. 1660–1685). Sein größtes Verdienst wurde 1679 die Zustimmung zu der vom Parlament eingebrachten Habeas-corpus-Akte (lateinisch für »Du mögest die Person haben [um sie vor Gericht zu bringen]«), die den Bürgern Schutz vor willkürlichen Rechtsverletzungen sicherte. Verhaftungen bedurften von nun an immer eines gerichtlichen Befehls.

Was war die Glorious Revolution?

Die zweite Revolution (Glorious Revolution) führte 1688 dazu, dass der franzosenfreundliche, zum Katholizismus übergetretene König Jakob II. (Reg. 1685–1688) abgesetzt wurde. Neuer Monarch wurde der vom Parlament ins Land geholte Generalstatthalter der Vereinigten Niederlande, Wilhelm III. von Oranien (Reg. 1689–1702), der Schwiegersohn Jakobs II. Zuvor musste er die Rechte des Parlaments (neben dem Recht auf Steuerbewilligung vor allem das Recht auf Gesetzgebung) anerkennen.

Wie funktionierte die absolutistische Wirtschaft?

Der so genannte Merkantilismus betrieb die staatliche Lenkung der Wirtschaft mit dem Ziel, Geldüberschüsse zur Tilgung der steigenden staatlichen Ausgaben zu erzielen. Dazu war es nötig, eine aktive Handelsbilanz zu erzielen, also mehr Waren aus- als einzuführen. Um möglichst alle Güter im Land herstellen zu können, förderte Jean-Baptiste Colbert (1619–1683) in Frankreich durch Steuerbegünstigungen die Anlage großer Manufakturen, um so Güter in arbeitsteiliger Produktion und in größeren Mengen herstellen zu können. Gegen den Merkantilismus traten in Frankreich die so genannten Physiokraten an, die den Reichtum eines Staates mit seiner Landwirtschaft erklärten, so der Begründer dieser Lehre, François Quesnay (1694–1774), und vor allem Anne Robert Jacques Baron de l'Aulne Turgot (1727–1781).

Oliver Cromwell gelang es, mit der 1651 erlassenen Navigationsakte die englische Wirtschaft erheblich zu stärken: Waren durften nur noch auf englischen oder aus den Erzeugerländern der Waren stammenden Schiffen nach England oder zu seinen Kolonien gebracht werden. Der zuvor fast konkurrenzlose holländische Zwischenhandel wurde dadurch ausgeschaltet. England stieg bis etwa 1700 zur größten See- und Handelsmacht auf.

Welche Ausprägung hatte die Kultur im Barock?

Kunst und Musik des Barock, die an den Fürstenhöfen gepflegt wurden, spiegelten deren Repräsentationsdrang und Prachtentfaltung wider. Die Kunst zeigte eine Vorliebe für leidenschaftliche Szenen mit scharfen Licht- und Schattenkontrasten, leuchtender Farbgebung und bewegter Gebärdensprache. Der Spanier El Greco (1541–1614), der römische Baumeister Gian Lorenzo Bernini (1598 bis 1680) und der flämische Maler Peter Paul Rubens (1577–1640) wirkten hier exemplarisch.

In der Musik wurde die Oper zur dominierenden höfischen Gattung. Ausgehend von Claudio Monteverdi (1567–1643) fand sie europaweit Verbreitung. Neben dem gebürtigen Italiener Jean-Baptiste Lully (1632–1687) am französischen Königshof sind hier Georg Friedrich Händel (1685–1759) als Leiter der vom englischen König subventionierten Opernakademie in London zu nennen. Den Gegenpol bildete Johann Sebastian Bach (1685 bis 1750), der Ruhm als Organist und Schöpfer kunstvoller Werke für die Kirche (Fugen, Kantaten, Passionen) erwarb.

Die Literatur des Barock zeichnete sich in Deutschland durch die Tendenz zur Gelehrtheit und Schwülstigkeit aus. Die französische Literatur brachte durch Orientierung an den Formgesetzen der klassischen Antike Tragödien vor allem von Pierre Corneille (1606 bis 1684) und Jean Racine (1639–1699), aber auch geistvolle Lustspiele von Molière (1622 bis 1673) und die Fabeln von Jean de La Fontaine (1621–1695) hervor.

Wann gab es die meisten Hexenverfolgungen?

Die meisten Todesurteile gegen Zauberer und Hexen wurden nicht im Mittelalter, sondern zwischen 1580 und 1650 vollstreckt. Zur Zeit des Absolutismus unterlag die Verfolgung nicht mehr geistlicher (Inquisition), sondern weltlicher Gerichtsbarkeit. Den zur Massenhysterie gesteigerten Verfolgungswahn begründete der Hexenhammer (»Malleus maleficarum«, 1486) der beiden Dominikanermönche Heinrich Institoris und Jakob Sprenger. In Frankreich wurde die Hexenverfolgung von keinem Geringeren als dem königlichen Staatsrechtler Jean Bodin (1530–1596) befürwortet, für den Hexerei das schlimmste Verbrechen überhaupt darstellte. Rationalismus und Aufklärung führten zur Entkriminalisierung des so genannten Hexenverbrechens. Kaiser Joseph II. strich 1787 den Artikel über Zauberei aus dem Strafrecht, in Frankreich wurde die Hexereigesetzgebung 1791 aufgehoben.

Wussten Sie, dass …

der kostspielige Unterhalt eines stehenden Heeres nach französischem Vorbild nicht selten durch Vermietung der Truppen mitbestritten wurde? So nahmen deutsche Soldaten zum Beispiel am Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775–1783) im Dienst des englischen Königs Georg III. teil.

die Soldaten vielfach zwangsweise zum Dienst im Ausland verpflichtet wurden? Friedrich Schiller sprach die Zwangsrekrutierungen des württembergischen Landesherren Carl Eugen unter anderem in seinem bürgerlichen Trauerspiel »Kabale und Liebe« (1784) an.

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