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Was wird am jüdischen Feiertag Jom Kippur gefeiert?
Noch drei Monate und schon wieder bricht ein neues Jahr an – zumindest gemäß christlichem Kalender. Im jüdischen Kalender hat das neue Jahr dagegen bereits vor zehn Tagen begonnen und wurde im Rahmen des Neujahrsfests Rosch Haschana vom 15. bis 17. September 2023 gefeiert. Das bedeutet gleichzeitig, dass heute der zehnte Tag des jüdischen Kalendermonats Tischri ist und somit das höchste jüdische Fest des Jahres ansteht: Jom Kippur.
Was ist Jom Kippur?
Jom Kippur ist der sogenannte Versöhnungstag, ein ernstes Fest der Einkehr und Besinnung. Es dauert rund 25 Stunden – von Sonnenuntergang bis Sonnenuntergang – und hat zum Ziel, mit Gott ins Reine zu kommen. Nur wenn diese Versöhnung gelingt, vergibt Gott der jüdischen Religion zufolge die begangenen Sünden und trägt den Namen des Gläubigen ins sogenannte Buch der Frommen ein, womit er ihm ein gutes Jahr schenkt. Andernfalls landet er im Buch für schlechte oder durchschnittliche Menschen. Deshalb wünscht man sich an Jom Kippur auch „Chatima tova!“, was so viel wie „Gutes Eintragen!“ bedeutet.
Um den Sprung ins Buch der Frommen zu schaffen, haben gläubige Juden zehn Tage Zeit: vom Beginn des neuen Jahres bis zu Jom Kippur. In dieser Zeit müssen sie sich zunächst mit ihren Mitmenschen versöhnen und sich bei ihnen für alles Schlechte entschuldigen, was im vergangenen Jahr vorgefallen ist. Ab dem Vorabend von Jom Kippur ist dann die Versöhnung mit Gott an der Reihe. Ein erster Schritt in diese Richtung ist das Eröffnungsgebet Kol Nidre, in dem man alle leichtfertig gegebenen Versprechen gegenüber Gott zurücknimmt.
An Jom Kippur selbst gestehen die Gläubigen dann Gott alle Sünden des vergangenen Jahres. Oft findet dieses Bekenntnis im Kollektiv statt, mit gemeinsam gesprochenen Litaneien wie „Arrogant waren wir, boshaft, charakterlos, Diebstahl haben wir begangen ...“ – auch wenn nicht jeder der Anwesenden jede einzelne aufgezählte Sünde tatsächlich begangen hat.
Strenge Regeln prägen den Tag
Damit die Besinnung auf Gott und Gemeinschaft gelingt, sollen gläubige Juden an Jom Kippur außerdem zahlreiche Regeln befolgen. Unter anderem ist strenges Fasten angesagt. Essen und Trinken ist ebenso verboten wie Waschen, Schminken, Sex und jede weitere Form von Genuss. Viele Juden tragen an Jom Kippur außerdem Weiß und verzichten auf bequeme Lederschuhe.
Wer den Tag nicht ohnehin betend in der Synagoge verbringt, lässt es heute extrem langsam angehen. Keine Schule, keine Arbeit. Und auch sonst steht das öffentliche Leben still. Die Autobahnen und Städte sind wie leergefegt, der Flugverkehr eingestellt und es laufen nicht einmal Fernseh- und Radioprogramme.
Goldenes Kalb als Ursprung
Doch wie sind Jom Kippur und das Bedürfnis nach dieser allumfänglichen Versöhnung mit Gott überhaupt entstanden? Der Ursprung des Festes ist in der jüdischen Tora und der Bibel beschrieben. In der entsprechenden Erzählung geht es darum, dass Moses die Israeliten gerade von der ägyptischen Herrschaft befreit hat und mit ihnen seit 40 Tagen durch die Wüste zieht. Moses besteigt während einer Rast den Berg Sinai, um dort mit Gott zu reden. Doch als er lange Zeit nicht zurückkehrt, bauen die Israeliten sich ein eigenes Gottesabbild in Form eines goldenen Kalbes und beten es an.
Gott ist daraufhin erzürnt, denn damit haben die Israeliten gegen eines der zehn Gebote – „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir“ – verstoßen. Erst am zehnten Tischri verzeiht er den Gläubigen – zur Erinnerung daran wird das Fest Jom Kippur gefeiert gefeiert. Anders als der christliche Heiligabend, der jedes Jahr auf den 24. Dezember fällt, findet Jom Kippur allerdings an unterschiedlichen Tagen statt, denn der traditionelle jüdische Kalender richtet sich nach Zyklen von Sonne und Mond und variiert daher stark.
Kreisende Hühner und ein Widderhorn
Der Überlieferung nach soll das jüdische Volk nach dem Gebotsverstoß außerdem einen Ziegenbock mit den eigenen Sünden beladen und in die Wüste geschickt haben. Er war der erste sprichwörtliche „Sündenbock“, der mitsamt den menschlichen Sünden sterben sollte. Einige jüdisch-orthodoxe Gemeinden haben das Konzept auf ein Huhn übertragen. Beladen mit den Sünden der Gläubigen wird es an Jom Kippur dreimal über den Kopf geschwungen und dann geschlachtet.
Jom Kippur endet, wenn das Widderhorn Schofar in einem langgezogenen Ton erklingt. Dann versammeln sich die Familien zum gemeinsamen Festmahl und wünschen sich ein gutes Jahr.