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Citizen Science: Wissenschaft zum Mitmachen für alle
In der modernen Forschung fallen wissenschaftliche Daten in enormer Menge an. Ob tausende Fotos aus den Ozeanen, Steppen und Urwäldern der Erde, Millionen Bilder vom Hubble-Weltraumteleskop oder Milliarden von Megabytes an Daten aus dem Teilchenbeschleuniger LHC: Diese Datenflut zu verarbeiten, auszuwerten und die wichtigen Informationen darin zu finden, gleicht oft der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Leistungsfähige Computer übernehmen mittlerweile einen großen Teil diese Arbeit.
Doch es gibt etwas, das Computer trotz aller technischen Fortschritte der letzten Jahre nur wenig beherrschen: Bilder erkennen und auswerten. Wir Menschen können dagegen mit einem einzigen Blick auf eine Abbildung einzelne Objekte unterscheiden und benennen. Darum setzen immer mehr Wissenschaftler auf massenhafte Unterstützung aus der breiten Öffentlichkeit – sogenannte "Citizen Science".
Vom Galaxienzoo ins Zooniversum
Wegbereitend für die Citizen Science war das Forschungsprojekt "Galaxy Zoo", das bis heute zu den bekanntesten Projekten seiner Art gehört. Astronomen wollten hunderttausende im Sloan Digital Sky Survey fotografierte Galaxien nach ihrer Form und Rotationsrichtung einordnen. Doch jedes Bild einzeln zu klassifizieren hätte Jahre gedauert. Eine riesige Anzahl von astronomiebegeisterten Freiwilligen nahm sich daher die über das Internet verfügbaren Bilder vor und klassifizierte die Galaxien online. In mehreren Folgeprojekten entstand seither eine gewaltige Datenbank von Galaxien, sortierbar nach unterschiedlichen Eigenschaften wie Form, Farbe, Größe und vielem mehr – eine unerschöpfliche Datenquelle für Astronomen.

Da "Galaxy Zoo" so erfolgreich war, entstanden schnell weitere Projekte nach demselben Muster. Viele davon sind nun über das aus "Galaxy Zoo" hervorgegangene Internet-portal "Zooniverse" erreichbar. "Planet Four" beispielsweise ist dem Planeten Mars gewidmet. Auf den vom Mars Reconnaissance Orbiter aufgenommenen Bildern des Roten Planeten gilt es, "Fächer" und "Flecken" zu erkennen. Im Folgeprojekt "Planet Four: Terrains" fragen die Planetenforscher auch danach, ob das Marsgelände an Spinnen, Babyspinnen oder Schweizer Käse erinnert.
Mittlerweile finden sich auf Zooniverse Mitmach-Projekte für Jedermann aus praktisch allen wissenschaftlichen Fachbereichen. Nicht mehr nur Astronomie, auch Zoologie, Meteorologie oder Paläontologie und Teilchenphysik sind vertreten, ebenso wie Kunstwissenschaften oder Geschichte.
Viele Augen sehen mehr als zwei
Solche wissenschaftlichen Projekte mit Beteiligung einfacher Bürger haben für alle Seiten große Vorteile: Zum einen können natürlich überhaupt erst die großen Datenmengen bewältigt werden. Gleichzeitig sinkt auch die Wahrscheinlichkeit, etwas zu übersehen: Vier Augen sehen mehr als zwei, doch vierzigtausend Augen sehen noch viel mehr.
Gleichzeitig können die freiwilligen Helfer an der Forschungsarbeit aktiv mitwirken und Einfluss darauf nehmen. Anstatt wissenschaftliche Sachverhalte nur verständlich erklärt zu bekommen, können Interessierte selbst ein Teil der Arbeit werden. So entsteht ein engerer Dialog zwischen Wissenschaftlern und Bevölkerung und das gegenseitige Verständnis wächst. Davon ist auch die Bundesministerin für Bundesministerin für Bildung und Forschung Johanna Wanka überzeugt: "Citizen Science hat das Potenzial, die Wissenschaft nachhaltig zu stärken."
Die deutsche Plattform "Bürger schaffen Wissen" folgt dem Beispiel von Zooniverse. Ziel ist, einen guten Überblick über Citizen-Science Projekte aus Deutschland zu bieten und gleichzeitig die Wissenschaften und wissenschaftliches Arbeiten verständlich zu präsentieren. Schülertaugliche Projekte fördern insbesondere den Austausch zwischen Forschung und Schule.