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Das war 2009 - der wissen.de-Jahresrückblick (Podcast 68)

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Obwohl die Jahresrückblick-Shows im Fernsehen bereits auf allen Sendern gelaufen sind, glauben wir bei wissen.de, dass man sich eigentlich bis kurz vor dem Jahresende Zeit nehmen sollte. Schließlich kann in wenigen Stunden und Tagen noch so einiges passieren. Während der Aufnahme zu diesem Podcast etwa feilschten die Staatschefs in Kopenhagen noch um die Zukunft der Erde. Mit für uns unsicherem Ausgang. Doch was waren die weiteren zentralen Ereignisse 2009? Barack Obama wird Präsident der USA und die neue schwarz-gelbe Bundesregierung geht an den Start, die Wirtschaftskrise hält viele Länder in Atem, der Amoklauf von Winnenden, der Tod Michael Jacksons und der Freitod Robert Enkes lösen weltweit Betroffenheit aus: Das (öffentliche) Jahr 2009 steht einerseits für Aufbruch, andererseits für Katastrophen und Trauer. Hören Sie heute im wissen.de-Jahresrückblick, welche Ereignisse uns im Jahr 2009 berührt haben.

 

Neubeginn in den USA und in der Bundesrepublik

Große und wichtige Themen wurden 2009 auf dem Feld der Politik verhandelt. Zu Beginn des Jahres schaute die Welt in die USA, wo am 20. Januar um kurz nach 12 Uhr Ortszeit Barack Obama vereidigt wurde, der 44. Präsident der Vereinigten Staaten. Die Inaugurationsfeierlichkeiten sind immer ein festlicher Akt, und sie wurden bei Obama sogar besonders aufwändig begangen – da kann es natürlich passieren, dass doch noch eine Kleinigkeit dazwischenkommt. Obama verhaspelte sich, und so wurde die Vereidigung sicherheitshalber am Folgetag noch einmal in kleinem Kreis nachgeholt.

Selten war die Wahl eines Präsidenten von Seiten der Bevölkerung von solchen Hoffnungen begleitet wie jene Obamas, der sich nun erst einmal im Amt bewähren musste. Und auch bei ihm zeigte sich schnell, dass das politische Tagesgeschäft aus Kompromissen besteht. Selbst die Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers von Guantanamo wird sich nun doch – anders als es am Anfang schien ­– verzögern. Trotzdem wurde ihm 2009 der Friedensnobelpreis zuerkannt, und zwar "für seine außergewöhnlichen Bemühungen, die internationale Diplomatie und die Zusammenarbeit zwischen den Völkern zu stärken“, wie es aus Oslo hieß. Ob Obama dieser frühen Auszeichnung gerecht wird, bleibt abzuwarten; als hochrangige Bestätigung für seine Arbeit mag sie aber helfen, (z. B. beim Klimagipfel in Kopenhagen.)

Eine entsprechende Bestätigung käme Angela Merkel vermutlich nicht ungelegen. Sie und ihr Kabinett wurden am 28. Oktober vereidigt, womit erstmals seit 1998 wieder eine christlich-liberale Koalition die Regierung bildet. Sie löste die Große Koalition ab, die seit 2005 bestand und ebenfalls von Angela Merkel geführt wurde. Die ersten gemeinsamen Schritte waren nicht ganz ohne Schwierigkeiten – so musste schon nach wenigen Wochen Arbeitsminister Franz Josef Jung zurücktreten, der in seiner vorangegangenen Funktion als Verteidigungsminister in die Kritik geraten war. Die Presse sprach schon bald von einem "Fehlstart“ der neuen Regierung.

Streitpunkt ist die militärische Notwendigkeit des Anfang September in Afghanistan durchgeführten Luftangriffs bei Kunduz, der entgegen früherer Angaben zahlreiche zivile Todesopfer nach sich zog. Die Angelegenheit ist noch nicht aufgeklärt und daher auch eine Belastung für Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg, dem jüngsten Verteidigungsminister der Republik. Doch Kunduz ist nur eines der vielen Problemfelder, das die neue von der alten Regierung vererbt bekommen hat. Neben den obligatorischen Streitigkeiten im Gesundheitssystem geht es vor allem um wirtschaftliche Probleme, die sich 2009 besonders häuften.

 

Das Ende der Rezession

Die gute Nachricht zuerst: Wie es sich darstellt, markiert 2009 das Ende jener Rezession, die den Euroraum seit langem im Griff hält. Seit dem Frühjahr 2008 war die Wirtschaftsleistung beständig geschrumpft – mit gravierenden Folgen, gerade auch für den Arbeitsmarkt. Im dritten Quartal 2009 wuchs sie erstmals wieder – in Deutschland zwar "nur“ um 0,7 Prozent, aber dies ist angesichts der Tatsache, dass das Land mit Abstand die größte Volkswirtschaft Europas darstellt und unter den gegebenen schlechten wirtschaftlichen Umständen ein beachtlicher Erfolg. Nun soll es weiter aufwärts gehen. Die Bundesregierung unterstützt diese Tendenz mit verschiedenen Maßnahmen, die sie in einem „Wachstumsbeschleunigungsgesetz“ zusammengefasst hat. Obwohl dessen Details umstritten sind, hat die Gesetzesvorlage am 18. Dezember den Bundesrat passiert. Die parteiinternen Kritiker haben – wieder einmal – vor der Kanzlerin gekuscht.

Ein großer Erfolg für die Regierung wie für die Industrie war die "Abwrackprämie“, mit der Autobesitzer unter bestimmten Umständen beim Kauf eines Neuwagens unterstützt wurden. Die Idee machte Furore, führte aber auch dazu, dass geplante Käufe schlicht vorgezogen wurden, um die Prämie kassieren zu können. Vereinzelt war da schon das böse Wort vom "Strohfeuer“ zu hören. Welche Probleme die Autoindustrie noch immer hat, zeigt das Beispiel von Opel. Die Rüsselsheimer hofften, durch einen Verkauf dem Abstiegssog ihres maroden Mutterkonzerns General Motors entkommen zu können. Doch als bereits alles vereinbart war, sagten die US-Amerikaner das Geschäft ab. Nun geht für die Mitarbeiter das Bangen um Standort- und Arbeitsplatzerhalt in eine weitere Runde.

Keine Hoffnung mehr gibt es hingegen für Quelle. Das große, 1927 in Fürth gegründete Unternehmen ist pleite und wird "abgewickelt“; damit verlieren 3.300 Mitarbeiter ihren Job. Eine traurige Nachricht, denn es gibt wohl kaum jemanden, der nicht irgendwann einmal etwas bei Quelle bestellt hätte. Doch das Rad der Zeit lässt sich nicht zurückdrehen.

 

Katastrophen und Verbrechen

Die wohl schlimmste Katastrophe ereignete sich 2009 in Mittelitalien: Inmitten der Abruzzen kam es zu einem schweren Erdbeben, das insbesondere der Stadt L’Aquila und dem umliegenden Gebiet sehr zusetzte. Etwa 300 Menschen verloren ihr Leben, um die 17.000 wurden obdachlos. Ministerpräsident Berlusconi nutzte die Gelegenheit, um sich wie gewohnt medienwirksam in Szene zu setzen, doch inwieweit beispielsweise die mittelalterlichen Bauwerke von L’Aquila wieder aufgebaut werden können, bleibt abzuwarten.

Weitgehend gerettet werden konnten hingegen die kostbaren Artefakte des Historischen Archivs der Stadt Köln. Obwohl Anfang März offenbar als Folge von Grabungsarbeiten eingestürzt, gelang es bis in den Sommer, etwa 90 Prozent des rund dreißig Regalkilometer umfassenden Archivbestands zu sichern. Allerdings sind die einzelnen Stücke – darunter Akten und Urkunden, Handschriften und Bücher – in sehr unterschiedlichen Zuständen erhalten, so dass teilweise eine aufwändige Restaurierung erforderlich wird. Diese dürfte alles in allem mehrere Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Während der Einsturz von Köln nur zwei Todesopfer forderte, hatte der Amoklauf von Winnenden – einer Kreisstadt in der Nähe von Stuttgart – erheblich tragischere Folgen. Ausgestattet mit Waffen aus dem Sportbestand seines Vaters, ermordete der Täter fünfzehn Menschen, bevor er sich nach mehrstündiger Flucht erschoss. Winnenden warf damit erneut die Frage auf, mit welchem Gewaltpotenzial man in Alltagssituationen rechnen muss, und welche Gegenmaßnahmen zu treffen sind. Doch in einer freien Gesellschaft ist völlige Kontrolle eben nur bei Verlust jener Freiheit möglich.

Die Notwendigkeit von Zivilcourage wurde spätestens nach der S-Bahn-Attacke von München erneut diskutiert. Der Unternehmer Dominik Brunner hatte einigen bedrohten Kindern helfen wollen und war von deren beiden Angreifern zu Tode geprügelt worden. Ein schlimmes Zeichen und ein fatales Signal, wenn Hilfsbereitschaft zur Bedrohung für das eigene Leben führt. Dennoch: Wer das Handy herausholt und die Nummer 110 wählt, ist meist auf der sicheren Seite.

 

Von Mauern und Minaretten

1989 fiel die Mauer, die das geteilte Deutschland trennte, womit der Prozess der Wiedervereinigung in Gang kommen konnte. Sieht man heute die Fernsehbilder aus diesen Tagen, dann mag man die damalige Begeisterung kaum glauben – so ausgelassen wurde erst 2006 bei der Fußballweltmeisterschaft wieder gefeiert. Zwanzig Jahre später ist zwar schon manches zusammengewachsen, was vielleicht tatsächlich zusammen gehört, doch in den Köpfen hat sich manche Grenze gehalten. Dabei war die Wiedervereinigung nicht nur ein historischer Glücksfall, sondern ein klarer Triumph über die Unfreiheit – auch wenn sich seither nicht alle Probleme lösen ließen.

Wie schwierig es ist, offen und aufnahmefähig zu bleiben, zeigt ein Blick in die Schweiz. Dort hat eine Volksinitiative bei der Abstimmung darüber, ob der Bau weiterer Minarette zu verbieten sei, 57,5 Prozent der abgegebenen Stimmen erhalten. Auch wenn nur knapp die Hälfte aller Stimmberechtigten mitgemacht hat und der Vorschlag kaum in die Tat umgesetzt werden dürfte, ist der Schaden nun groß. Schließlich gehört die über Jahrhunderte erstrittene Religionsfreiheit zu den elementaren Menschenrechten, wie sie von der UNO festgehalten worden sind. Wird hier also leichtfertig ein wichtiges Stück Freiheit aufs Spiel gesetzt? Es bleibt abzuwarten, wie sich die Debatte entwickelt.

 

Aus Sport und Spiel

Neben vielen anderen Ereignissen wird das Sportjahr 2009 vor allem aus zwei Gründen in besonderer Erinnerung bleiben. Die Werksmannschaft VFL Wolfsburg wird erstmals Deutscher Fußballmeister und verweist den FC Bayern München auf den 2. Platz. Ein ebenso überraschendes wie verdientes Ergebnis, das von nicht wenigen dem Trainer Felix Magath zugeschrieben wird, der die Niedersachsen bereits im Vorjahr als Fünfter in den UEFA-Pokal führen konnte.

Nur als tragisch hingegen ist der Suizid von Robert Enke zu bezeichnen, der sich im November das Leben nahm. Nach wechselhafter internationaler Karriere bei Hannover 96 und damit wieder in der Bundesliga angekommen, schien der Torhüter auf dem besten Weg sich die nationale Nummer 1 für die WM 2010 zu sichern, denn in der Saison 2008/09 war Enke bei sechs von elf Spielen dabei. Doch diese Erfolge waren offenbar nicht geeignet, den sympathischen Fußballer von seinen Depressionen zu befreien, unter denen er seit Jahren litt. Enkes Tod löste nicht nur in der Sportszene große Betroffenheit aus, und der Abschied von ihm wurde zur beeindruckenden Demonstration ungetrübter Solidarität: 40.000 Gäste kamen zur Trauerfeier in die AWD-Arena. Und das Thema Depression scheint seit Enkes Freitod nicht mehr tabuisiert zu werden.

 

Ein Blick in die Kulturlandschaft

Doch noch ein Todesfall wird lange in Erinnerung bleiben; Michael Jackson starb überraschend nur wenige Wochen vor seinem 51. Geburtstag. Dem Ausnahmekünstler, der sich mitten in den Proben für eine neue und aufsehenerregende Reihe von Konzerten befand, wurde eine Überdosis Schlafmittel zum Verhängnis, die ihm sein Arzt verabreicht hatte. Jacksons Karriere, die einerseits zahlreiche Superlative bereithielt, andererseits von Missbrauchsvorwürfen und exzentrischen Angewohnheiten überschattet wurde, schien sich nach einer langen kreativen Durststrecke wieder gefangen zu haben. Ob er die angekündigten fünfzig Konzerte rein gesundheitlich durchgehalten hätte, bliebt nun ebenso offen wie die Frage, ob er der gravierenden finanziellen Probleme, die sein Leben dominierten, schlussendlich Herr geworden wäre.

Und noch ein Superlativ kündigte sich für 2009 an: James Cameron, Regisseur von Titanic, einem der teuersten und zugleich erfolgreichsten Filme aller Zeiten, legt eine neue Arbeit vor: Avatar – Aufbruch nach Pandora. Der extrem aufwendige Science-Fiction-Film, an dem Cameron bereits seit 1995 gearbeitet hat, erzählt eine Abenteuergeschichte mit ökologischem Hintergrund. Dabei kommen neuartige Techniken zum Einsatz, die z.T. für den Film erst entwickelt werden mussten. Doch ob Avatar – Aufbruch nach Pandora das in ihn gesteckte Vertrauen rechtfertigen kann, wird sich zeigen.

Eine schöne Bestätigung für ihr Schaffen erhielt hingegen die Schriftstellerin Herta Müller, der der Nobelpreis für Literatur zugesprochen wurde. Müller, deren Eltern der deutschen Minderheit in Rumänien angehörten und die dort auch geboren ist, hat sich in ihrem ganzen Werk immer wieder mit Aspekten der Diktatur auseinandergesetzt. Mit dieser Würdigung ging der Nobelpreis für Literatur insgesamt dreizehnmal in den deutschsprachigen Raum.

 

Dekade hin, Dekade her: Eine Frage zum Schluss

Hier darf man schlaumeiern: Schließt 2009 das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts ab? Oder endet die erste Dekade erst 2010? – Wie so oft im Leben, haben durchaus beide Seiten ihre Berechtigung. Es ist nämlich so: Eigentlich beginnt ein Jahrzehnt mit dem Jahr 1 und endet daher mit dem Jahr 10. Nach diesem Zeitraum bemessen sich z. B. bestimmte politische Vorhaben, beispielsweise von der UNO, und grundsätzlich ist dies die korrekte Sichtweise. Doch im alltäglichen Sprachgebrauch wird die Dekade von 0 bis 9 gezählt – die "Fünfziger Jahre“ begannen 1950 und endeten 1959, ganz so, wie das 20. Jahrhundert (und mit ihm sogar das zweite Jahrtausend) bereits zu Silvester 1999 abgezählt wurde. Genau in diesem Sinn gehen wir nun also mit dem Jahreswechsel 2009/2010 in das zweite Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Und diesen Jahreswechsel sollte man sich auf keinen Fall durch Zahlenspiele eintrüben lassen. Deswegen feiern Sie also schön, und kommen Sie gut ins nächste Jahrzehnt!

 

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