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Als das erste Düsenflugzeug abhob

Für uns sind sie längst Alltag: Dank ihrer Strahltriebwerke bringen uns moderne Flugzeuge schnell in den Urlaub oder zum Geschäftstermin. Doch als das erste Düsenflugzeug am 27. August 1939 seinen Jungfernflug absolvierte, ahnte kaum jemand, dass dies eine ganz neue Ära der Luftfahrt einleiten würde. Erst Jahre später, nach Ende des Zweiten Weltkriegs, begannen die Düsenflugzeuge ihren Siegeszug.
NPO, 27.08.2019

Ernst Heinkel (1888-1958), war die treibende Kraft hinter dem Bau des ersten Flugzeugs, das von einem Strahltriebwerk angetrieben wurde.

Als Menschen begannen, sich mit Flugzeugen in die Luft zu erheben, geschah dies zuerst mit Propellermaschinen. Bei diesen sorgten sich drehende Rotoren für den Antrieb, der das Flugzeug vorwärtsbewegte und schließlich schnell genug zum Abheben machte. Doch die Fluggeschwindigkeit dieser Propellerflugzeuge ist begrenzt – Verkehrsmaschinen erreichen meist nur wenig mehr als 200 Kilometer pro Stunde (km/h). 1932 war das schnellste Verkehrsflugzeug der Welt die sechssitzige Heinkel He 70 Blitz mit immerhin 362 km/h.

Vom Propeller zum Düsenantrieb

Dennoch ist der Bau solcher Propellermaschinen durchaus lukrativ. Vor allem der deutsche Flugzeugkonstrukteur Ernst Heinkel hält in den 1930er Jahren tausende Patente im Flugzeugbau und produziert in seinem Werk in Rostock sowohl Flugzeuge für die zivile Luftfahrt als auch für das deutsche und japanische Militär. Doch Heinkel will noch mehr: Sein Ziel ist es, noch schnellere Flugzeuge zu entwickeln. In einem ersten Ansatz tut der Flugzeugbauer sich dafür mit dem Raketenpionier Wernher von Braun zusammen und konstruiert ein Flugzeug mit einem Triebwerk nach Vorbild der Feststoffraketen. Dieses erweist sich zwar als schnell, aber wenig praktikabel und zu gefährlich.

Deshalb verfolgt Heinkel dann einen anderen Ansatz – ein Strahltriebwerk. Das Prinzip dahinter: Ein Strahltriebwerk saugt über seine Turbine vorne Luft ein und verdichtet sie. Diese komprimierte Luft wird dann in eine Brennkammer geleitet, wo sie mit Treibstoff vermischt und entzündet wird. Das resultierende heiße Gas-Luftgemisch wird hinten unter Druck ausgestoßen und sorgt für den Vortrieb. Im Gegensatz zum Propeller ermöglicht es diese Konstruktion, die Luft stärker zu beschleunigen und damit höhere Geschwindigkeiten zu erreichen.

Die Heinkel He 178 war ein Versuchsflugzeug der Ernst Heinkel Flugzeugwerke in Rostock.

Heinkel / Gemeinfrei

Der erste Düsenflug

Um das erste Flugzeug mit einem solchen Turbinen-Strahltriebwerk zu bauen, holt sich Heinkel die Unterstützung des Physikers Hans von Ohain. Durch ihr gemeinsames Experimentieren entsteht so das Triebwerk He S3. Nun müssen sie nur noch ein Flugzeug bauen, dass den Beschleunigungskräften dieses Triebwerks standhalten und sich damit in die Lüfte erheben kann. Damit dies gelingt, nutzt Heinkel für den Rumpf seines neuen Düsenflugzeugs eine besonders stabile Aluminiumlegierung. Die Tragflächen sind zum Schutz vor den heißen Abgasen teilweise mit Asbest beschichtet. Statt der beidseits an den Tragflächen aufgehängten Propeller besitzt die Maschine ein Düsentriebwerk, das im Heck sitzt.

Am 27. August 1939 ist es dann soweit: Am frühen Sonntagmorgen um 04:00 Uhr rollt die 7,50 Meter lange Heinkel HE 178 auf die Startbahn des Heinkel-Werks in Rostock-Marienehe – unter strikter Geheimhaltung. Heinkel hat weder das nationalsozialistische Reichsluftfahrtsministerium über seine Neuentwicklung informiert, noch den Großteil seiner Belegschaft. Am Steuer des neuen Flugzeugs sitzt der Testpilot Erich Warsitz – auch für ihn ist das Fliegen eines Düsenflugzeugs eine absolute Premiere.

Der Jungfernflug gelingt: Das Düsentriebwerk zündet und der Pilot hebt mit der Heinkel He-178 ab. Auf dem acht Minuten langen Flug erreicht das Flugzeug eine Geschwindigkeit von rund 600 Stundenkilometern – und das trotz dauerhaft ausgeklapptem Fahrwerk. Die Heinkel He-178 ist damit das erste Flugzeug, das sich erfolgreich mit einem Turbo-Strahltriebwerk in die Luft erhebt. Zwar ist Heinkel nicht der einzige, das zu dieser Zeit an Düsentriebwerken experimentiert. Er schafft es aber am schnellsten, das Konzept praktisch umzusetzen und in die Luft zu bringen.

Ende im Zweiten Weltkrieg

Doch der erfolgreiche Jungfernflug der Heinkel He-178 bringt seinen Konstrukteuren leider wenig: Nur fünf Tage nach dem Erstflug bricht der Zweite Weltkrieg aus. Für das kleine Düsenflugzeug interessiert sich nun keiner mehr. Die Flugzeugfabriken von Heinkel werden nun gebraucht, um hunderte von Militärmaschinen für die deutsche Luftwaffe zu produzieren. Gegen Ende des Krieges wird das Rostocker Heinkelwerk durch Bomben zerstört – darin ist auch die He-178. Heute existieren nur noch Nachbauten dieses ersten Düsenflugzeugs.

Nach dem Krieg gilt Ernst Heinkel als Mitläufer des Dritten Reichs und sein Unternehmen wird von den Alliierten weitgehend zerschlagen. An seinen früheren Erfolg als Flugzeugbauer kann er nie wieder anknüpfen. Die weitere Entwicklung der Düsenflugzeuge treiben nun andere voran.

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