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Europäische Einigung: Einheit in der Vielfalt

Warum näherten sich Westdeutschland und Frankreich einander an?

Aus Angst vor dem Kommunismus. Als sich nach 1945 abzeichnete, dass Europa in zwei Einflussbereiche – den der Sowjetunion und den der Westmächte – geteilt würde, hatten die westeuropäischen Staaten ein großes Interesse, näher zusammenzurücken, um eine weitere Verbreitung des Kommunismus in Europa zu verhindern. Die westlichen Besatzungszonen Deutschlands dienten dabei gleichsam als Pufferzone gegenüber dem sowjetischen Machtbereich. Insbesondere die USA trieben die Integration der Bundesrepublik Deutschland in die westliche Staatengemeinschaft voran, um es zu einem »Bollwerk« gegen den Kommunismus zu machen.

Frankreich hatte Furcht vor einem Wiedererstarken Deutschlands und hegte Bedenken gegen die Gründung eines souveränen Weststaates, ließ sich aber von den USA und Großbritannien überzeugen. Schließlich versuchte Frankreich, die junge Bundesrepublik möglichst eng an die westeuropäischen Staaten zu binden, und schlug 1950 die Gründung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion) unter deutscher Beteiligung vor, die 1952 dann auch von sechs Staaten geschaffen wurde. Sie war die erste Organisation mit supranationalen Befugnissen in Europa. Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG), die auf eine französische Initiative zurückging und von der Adenauer-Regierung forciert wurde, scheiterte 1954 am Widerstand des französischen Parlaments. Die Staaten der EGKS allerdings bemühten sich um die weitere Integration.

Was bewirkten die Römischen Verträge?

Die Römischen Verträge von 1957 sahen die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) zur friedlichen Nutzung der Atomenergie vor. In der EWG sollte ein gemeinsamer Markt ohne Zollgrenzen geschaffen und die Wirtschaftspolitik der Mitgliedsstaaten – anfänglich die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien und die Beneluxstaaten – angeglichen werden. 1967 schlossen sich unter Abschaffung aller Binnenzölle EWG, EGKS und EURATOM zur Europäischen Gemeinschaft (EG) zusammen, der bis 1986 weitere sechs Länder beitraten. 1979 wurde das Europäische Währungssystem (EWS) geschaffen, das u. a. die Stabilisierung der Wechselkurse zum Ziel hatte.

Welches Ziel hatte die EG?

Die EG verfolgte zunächst die wirtschaftspolitische Integration, doch verstärkte sich im Lauf der Zeit auch die Zusammenarbeit auf politischer Ebene. So wurde 1986 die Einheitliche Europäische Akte (EEA) verabschiedet. Sie sollte den europäischen Einigungsprozess weiter vorantreiben. Ihr Schwerpunkt lag auf der Schaffung eines freien Binnenmarkts, das heißt eines freien Verkehrs von Personen, Waren, Dienstleistungen und Kapital bis zum 31. Dezember 1992. Neben der bereits 1972 vereinbarten Zusammenarbeit in der Außenpolitik wurde auch die Kooperation in den Bereichen Forschung und Umwelt vereinbart.

Wann wurde die Europäische Union gegründet?

Der Weg zur Gründung der Europäischen Union war geebnet: 1992 wurde der Maastrichter Vertrag über die EU unterzeichnet, der 1993 in Kraft trat. Darin vereinbarten Belgien, Deutschland, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Spanien die Schaffung einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion mit einer gemeinsamen Währung und eine vertiefte Zusammenarbeit in politischen und juristischen Angelegenheiten. Dies bedeutete die weitere Abtretung von Gesetzgebungsbefugnissen an die Union und den Beginn einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).

Wie entwickelte sich die EU weiter?

Sie erlebte bereits mehrere Erweiterungen. 1995 traten mit Finnland, Österreich und Schweden drei weitere Staaten der EU bei. Der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) schlossen sich bis 2003 zwölf Mitglieder an, Großbritannien, Dänemark und Schweden lehnten eine Mitgliedschaft zunächst ab. In der EWWU löste der Euro die nationalen Währungen als Zahlungsmittel ab; die Geldpolitik liegt seitdem in den Händen der Europäischen Zentralbank.

2004 erlebte die EU mit zehn neuen Mitgliedern (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn sowie Malta und Zypern) ihre umfangreichste Erweiterung; mit dem Beitritt von Bulgarien und Rumänien wird 2007 gerechnet. Ende 2004 wurden mit der Türkei Verhandlungen über einen Beitritt aufgenommen. Die Vergrößerung macht Reformen notwendig, um die Funktionsfähigkeit zu gewährleisten. Vorschläge, etwa zur einer EU-Verfassung, erarbeitet ein meist aus Parlamentariern bestehendes Gremium, der EU-Konvent. Die EU-Verfassung wurde 2004 in Rom unterzeichnet, ist aber noch nicht von allen Mitgliedern ratifiziert.

Gab es europäische Vordenker?

Ja, bereits während des Zweiten Weltkriegs traten Exilanten und Widerstandskämpfer gegen das Hitler-Regime für die Schaffung eines »Europa der Bundesstaaten« mit einer Zentralregierung ein. Diese Neuordnung sollte den Frieden in Europa sichern und das Aufkommen gefährlicher nationalistischer Strömungen verhindern. 1946 sprach sich Winston Churchill – bis 1945 Premierminister – für die Errichtung der »Vereinigten Staaten von Europa« aus.

Wussten Sie, dass …

die Melodie der Europahymne aus der 9. Sinfonie von Ludwig van Beethoven stammt? Es handelt sich dabei nicht um Beethovens Chorfassung mit den Zeilen Schillers (»Freude, schöner Götterfunken...«), sondern um ein Instrumentalstück, da man keine Sprache bevorzugen wollte. Einen offiziellen Text gibt es derzeit nicht.

die zwölf Sterne auf der Europaflagge nur zufällig mit der Anzahl der Mitgliedstaaten übereinstimmten, als das Emblem 1986 adoptiert wurde? Vielmehr steht die Zwölf traditionell für Vollkommenheit.

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