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Soziale Sicherung: Ziele, Nutzen, Kosten

Wann ist ein Staat ein Sozialstaat?

Man spricht von einem Sozialstaat, wenn Rechtsordnung, Verwaltungstätigkeit und politische Maßnahmen soziale Gerechtigkeit innerhalb der Gesellschaft erreichen sollen.

Der Sozialstaat strebt die soziale Absicherung seiner Bürger sowie den Ausbau des Gesundheitswesens, die Humanisierung der Arbeitswelt und eine sozialverträgliche Umweltpolitik an. Gleichzeitig wird an den Bürger die Erwartung gestellt, dass er als Beitrag zum Sozialstaat Steuern und Sozialabgaben zahlt. Diese Art der Finanzierung macht den Sozialstaat abhängig von wirtschaftlichem Erfolg. In der Regel legt ein Staat in seiner Verfassung fest, ob er sich dem Sozialstaatsgedanken verpflichtet fühlt. In diesem Fall muss der soziale Aspekt bei der Gesetzgebung berücksichtigt werden.

In Deutschland ist der Sozialstaatsgedanke in verschiedenen Artikeln des Grundgesetzes festgehalten. Artikel 20 Absatz 1 legt fest, dass die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. Artikel 28 Absatz 1 besagt: »Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen.«

Artikel 72 Absatz 2, in dem es um die Gesetzgebungsbefugnisse von Bund und Ländern geht, legt fest, dass der Bund in der konkurrierenden Gesetzgebung Gesetze erlassen muss, »wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (...) eine gesetzliche Regelung erforderlich macht«. Zwar fällt in keinem dieser drei Artikel ausdrücklich das Wort »Sozialstaat«, doch leitet sich aus ihnen ein Sozialstaatsgebot für die Bundesrepublik Deutschland ab.

Was ist das oberste Ziel des Sozialstaats?

Jedem seiner Bürger ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen und einen gewissen Wohlstand zu sichern. Der Sozialstaat will die aus unterschiedlicher sozialer Herkunft resultierende Chancenungleichheit ausgleichen und das Abgleiten in wirtschaftliche Abhängigkeit vermeiden.

Zu den Maßnahmen des Sozialstaats zählen also neben den reinen Unterstützungsleistungen (etwa Sozialhilfe) auch die Umverteilung von Einkommen und Vermögen (z. B. durch Einkommensteuer, Erbschaftsteuer, Arbeitnehmersparzulage), die Stärkung der Arbeitnehmerrechte (z. B. durch das Betriebsverfassungsgesetz), der Mieterschutz und die Förderung des Wohnens in den eigenen vier Wänden sowie die Unterhaltung öffentlicher Bildungseinrichtungen wie Schulen, Universitäten und Stätten der Erwachsenenbildung.

Was will ein Wohlfahrtsstaat?

Den materiellen Wohlstand seiner Bürger fördern und sichern. Dabei greift der Wohlfahrtsstaat steuernd in marktwirtschaftliche Prozesse ein. Zudem strebt er die Chancengleichheit für seine Bürger an, die durch gleiche Bildungsmöglichkeiten und soziale Absicherung erreicht werden soll. Die Finanzierung des Wohlfahrtsstaats erfolgt zumeist über hohe Steuern und Abgaben – insbesondere bei Spitzenverdienern. Während der Sozialstaat Freiheit und soziale Absicherung zu verbinden sucht, wird dem Wohlfahrtsstaat vorgeworfen, dass der hohe Versorgungsgrad zur Abnahme von Eigeninitiative und Selbstverantwortung führe.

Was besagt das Sozialstaatsgebot?

Die aus dem Grundgesetz abgeleitete Annahme, dass der Staat für einen gewissen sozialen Ausgleich zwischen Arm und Reich sowie für die soziale Grundsicherung des Einzelnen und die Chancengleichheit aller Bürger sorgen muss.

Chancengleichheit bedeutet z. B., dass jeder, unabhängig von seiner Herkunft und seinem Vermögen, die Möglichkeit erhalten muss, den Bildungsabschluss zu machen, der seinen Fähigkeiten entspricht. Dazu muss der Staat durch schulische und vorschulische Förderung, im Einzelfall auch durch finanzielle Unterstützung, beitragen.

Was gehört zur sozialen Grundsicherung?

In Deutschland z. B. die Sozialhilfe bzw. das durch die sog. Hartz-Reformen eingeführte Sozialgeld. Dazu kommt eine Absicherung gegen die finanziellen Folgen von Arbeitslosigkeit, Invalidität, Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder Alter. Diese erfolgt in Deutschland weitgehend durch die Sozialversicherung (z. B. Kranken-, Renten- oder Arbeitslosenversicherung).

Seit 2003 gibt es in Deutschland die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Personen, die durch Alter oder Erwerbsminderung auf Dauer aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und ihren Lebensunterhalt allein nicht bestreiten können, erhalten eine am Bedarf orientierte soziale Leistung.

Übrigens: Alle Systeme zur sozialen Sicherung, die finanzielle Mittel zur Verfügung stellen, werden zusammengenommen als das soziale Netz bezeichnet. Es soll verhindern, dass z. B. Menschen, die in eine finanzielle Notlage geraten sind, ihr Existenzminimum nicht mehr decken können. Außerdem soll es die finanziellen Folgen, die etwa durch Krankheit, Alter oder auch durch die Erziehung von Kindern entstehen, abmildern.

Legt das Grundgesetz soziale Grundrechte fest?

Nein. Im Gegensatz zu anderen Verfassungen (z. B. Weimarer Reichsverfassung, Verfassung der DDR) beinhaltet das Grundgesetz keine sozialen Grundrechte wie das Recht auf Arbeit, Wohnung oder Bildung.

Immer wieder (z. B. zu Zeiten hoher Arbeitslosigkeit) fordern verschiedene Interessengruppen, soziale Grundrechte (vor allem das Recht auf Arbeit) in der Verfassung zu verankern. Allerdings müsste der Staat z. B. bei einem in der Verfassung verankerten, einklagbaren Recht auf Arbeit bei hoher Arbeitslosigkeit entweder selbst Arbeitsplätze einrichten oder aber starke finanzielle Anreize (z. B. Zahlung des Lohns) geben, damit die Wirtschaft neue Arbeitsplätze schafft.

Vor allem in Zeiten knapper Geldmittel der öffentlichen Haushalte wären ein Recht auf Arbeit oder andere soziale Grundrechte, die mit finanziellen Ansprüchen gekoppelt sind, nicht bezahlbar. Als Folge würden in der Bevölkerung der Unmut und die Enttäuschung über die Verfassung steigen. Diese Überlegungen veranlassten den Parlamentarischen Rat, bei der Formulierung des Grundgesetzes auf die Aufnahme sozialer Grundrechte ins Grundgesetz zu verzichten.

Wer zahlt die meisten Sozialleistungen?

Der weitaus größte Anteil der Sozialleistungen entfällt auf die Sozialversicherung (u. a. Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung). Unter Sozialleistungen werden alle Geld- und Sachleistungen des Staates und öffentlich-rechtlicher Körperschaften, aber auch von Unternehmen (z. B. betriebliche Altersvorsorge), verstanden, die an hilfebedürftige und anspruchsberechtigte private Haushalte fließen.

Zu den weiteren wichtigen Bestandteilen des sozialen Netzes gehören in erster Linie die steuerfinanzierten Hilfen (Arbeitslosengeld II, Sozialgeld), die das Existenzminimum von Personen decken sollen, die ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können und keine finanzielle Unterstützung von Sozialversicherungsträgern bekommen sowie über kein Vermögen verfügen. Auch die steuerfinanzierten Leistungen für Eltern, die die finanziellen Belastungen durch Kinder abmildern sollen (Kindergeld, Elterngeld) zählen dazu.

Weitere Elemente der sozialen Sicherung sind die Ausbildungsförderung für Schüler und Studenten nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (kurz BAföG genannt), die auch Kindern aus Familien mit geringem Einkommen einen guten Bildungsabschluss ermöglichen sollen, sowie das Wohngeld, ein staatlicher Zuschuss zu den Wohnkosten für Bürger mit geringem Einkommen.

Wie viel wird für Sozialleistungen ausgegeben?

Mitte des ersten Jahrzehnts im 21. Jahrhundert gab Deutschland für Sozialleistungen jährlich über 700 Mrd. Euro aus. Die Sozialleistungsquote, also der Anteil der Sozialleistungen am Bruttoinlandsprodukt, lag bei 33 %. Einen Anteil von mehr als zwei Dritteln an den Sozialleistungen hatten die Sozialversicherungssysteme, vor allem Renten- und Krankenversicherung. Die Ausgaben der Sozialversicherungen summierten sich in Deutschland im Jahr 2005 auf insgesamt rd. 500 Mrd. Euro. Allein der Anteil der deutschen Rentenversicherung betrug 2005 gut 230 Mrd. Euro (Bundesanstalt für Arbeit: über 50 Mrd. Euro). Im EU-Vergleich bewegten sich die deutschen Sozialausgaben auf einem hohen Niveau und wurden nur noch von Schweden und Frankreich übertroffen.

Warum entstand der Sozialstaat?

Die negativen sozialen Auswirkungen des wirtschaftlichen Liberalismus im Verlauf der Industrialisierung führten im 19. Jahrhundert zu der – vor allem von der Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung vertretenen – Forderung, der Staat müsse stärker für die soziale Sicherheit des Einzelnen aufkommen. Diese Idee des Sozialstaats, der Freiheit und Fürsorge verbindet, wurde im 20. Jahrhundert in vielen Staaten realisiert, auch in Deutschland.

Welches Land gilt als Musterbeispiel des Wohlfahrtsstaates?

Schweden. Ab 1946 leitete Ministerpräsident Tage Erlander (1901–85) Reformen ein, die eine umfassende Versorgung der Bevölkerung (u. a. Ausbau der Rentenversicherung, umfassende Krankenversorgung, gleiche Bildungschancen) zum Ziel hatten.

Wozu dient das Sozialbudget?

Zur besseren Information über die Sozialpolitik des Staates. Seit 1968 wird in Deutschland ein Sozialbudget ausgearbeitet. Darin sind alle sozialen Leistungen dargestellt, untergliedert nach Institutionen (den Trägern der Sozialleistungen, z. B. Krankenversicherung), Funktionen (z. B. Gesundheit) und Finanzierung. Finanziert wird das Sozialbudget zu ca. 60 % aus Sozialbeiträgen, die knapp zur Hälfte von den Versicherten (vor allem Arbeitnehmern), ansonsten von den Arbeitgebern geleistet werden. Etwa 35 bis 40 % sind Zuweisungen, überwiegend aus öffentlichen Mitteln. Aufwendungen für Ältere und Hinterbliebene machen den größten Anteil am Sozialbudget aus; 2005 lag er bei 40 % (300 Mrd. Euro). Etwa ein Drittel entfällt auf Gesundheitsleistungen (2005: 250 Mrd. Euro).

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