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Bots als digitale Kriegswaffe

Der Krieg in der Ukraine findet nicht nur auf dem Schlachtfeld statt, sondern auch im Internet. Dort heizen spezielle Bots die russische Propaganda-Maschinerie ordentlich an und versuchen so, die weltweite Öffentlichkeit für Russland zu gewinnen. Aber was genau ist eigentlich ein Bot? Wie richtet Russland mit ihrer Hilfe Schäden an? Und was können wir gegen das Problem unternehmen?
AMA, 21.09.2023
Symbolbild russische Bots

© iLexx (Roboter) und titoOnz_GettyImages (Flagge), GettyImages

Bots sind spezielle Computerprogramme, mit deren Hilfe sich in sozialen Netzwerken Stimmung machen lässt. Sie sind zum Beispiel so programmiert, dass sie eigenständig große Mengen an Fake-Profilen erstellen, hinter denen kein echter Mensch steht, und diese dann allerhand Falschinformationen und Hass verbreiten lassen – jeweils zum Vorteil des Bot-Programmierers. 

Einmischen per Social Media

„Das Ergebnis ist, dass Bots das Potenzial haben, den Online-Diskurs zu beeinflussen, Nutzer zu radikalisieren und soziale Spaltungen zu verstärken“, erklärt ein Forschungsteam um Dominique Geißler von der LMU München. Es hat untersucht, wie intensiv Russland aktuell im Rahmen seines Krieges gegen die Ukraine auf Bots setzt. Die Frage nach dem ob stellte sich tatsächlich gar nicht erst, denn hinsichtlich seiner Social-Media-Propaganda ist Russland keineswegs ein unbeschriebenes Blatt.

Berühmtberüchtigt ist etwa die russische „Internet Research Agency“, kurz IRA. Bereits 2014, anlässlich der Annexion der ukrainischen Krim-Halbinsel, hatte sie eine große Social-Media-Kampagne gefahren, die die Welt davon überzeugen sollte, Russland sei kein Aggressor, sondern im Recht.

Doch die Propaganda der IRA beschränkt sich nicht nur auf Angelegenheiten, in denen Russland direkt beteiligt ist. Ihr wird außerdem vorgeworfen, sich bereits in mehrere Wahlen anderer Länder eingemischt zu haben. Unter anderem hat die IRA demnach versucht, den Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen 2016 zu beeinflussen. Und auch in das Brexit-Referendum und den französischen Präsidentschaftswahlen 2017 griff die Agentur wahrscheinlich ein.

Russische Bots erreichen Millionen Nutzer

Experten gehen allerdings davon aus, dass sich die Taktiken der IRA seitdem deutlich verfeinert haben und spätestens seit Kriegsbeginn auf eine wortwörtliche Armee an programmierten Bots setzen. Um herauszufinden, wie genau die russische Online-Kriegsführung aktuell arbeitet, haben Geißler und ihre Kollegen fast 350.000 pro-russische Nachrichten ausgewertet, die zwischen Februar und Juli 2022 – den ersten Kriegsmonaten – auf Twitter abgesetzt wurden. Erkennen ließen sie sich unter anderem an dem Hashtag #istandwithrussia.

Die Analyse ergab, dass pro-russische Posts allein in diesen Monaten rund 251.000 Retweets erzielt hatten, was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie insgesamt 14,4 Millionen Nutzer mit ihren Propaganda-Botschaften erreichten. Mindestens 20 Prozent der Verbreiter solcher Nachrichten waren außerdem Bots, wie Geißler und ihre Kollegen herausgefunden haben. Indem sie rund um die Uhr pro-russische Inhalte teilten und vervielfältigten, erhielten diese deutlich mehr Aufmerksamkeit als unter normalen Umständen.

Zielgerichtete Strategie

„Insgesamt deuten unsere Ergebnisse auf eine groß angelegte russische Propagandakampagne in den sozialen Medien hin und verdeutlichen die neuen Bedrohungen für die Gesellschaft, die von ihr ausgehen“, sagt Geißler. Enorm gefährlich ist demnach auch, wie koordiniert und zielgerichtet die Bots bei ihrer Arbeit vorgehen.

Das konnten die Forschenden besonders eindrucksvoll am 2. März 2022 beobachten. An diesem Tag verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nation eine Resolution, in der sie die Invasion Russlands in die Ukraine offiziell verurteilte. Doch längst nicht alle Länder setzten ihre Unterschrift darunter, manche enthielten sich auch. Und genau in diesen Ländern – darunter Indien, Südafrika und Pakistan – schoss noch am selben Tag die russische Bot-Aktivität in die Höhe. Das Ziel bestand wahrscheinlich darin, die Bevölkerung der noch unentschlossenen Länder mittels pro-russischer Propaganda für die eigene Seite zu gewinnen.

Was lässt sich dagegen tun?

Dieses Beispiel und viele weitere veranschaulichen: Bots sind nicht nur ein großes, sondern auch ein schwer greifbares Problem. Da sie im Hintergrund agieren, ist ihr Effekt auf die öffentliche Meinungsbildung nicht immer eindeutig nachweisebar. Außerdem arbeiten auch die Programmierer der Bots im Hintergrund und verwischen ihre Spuren. Die konkreten Verantwortlichen einer Bot-Attacke zu finden, ähnelt ein wenig der Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Geißler sieht daher aktuell nur eine Möglichkeit, um der Social-Media-Propaganda ihren Schwung zu nehmen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine wirksame Gegenmaßnahme zur Eindämmung der Verbreitung von Propaganda darin besteht, den Einfluss von Bots zu verringern.“ Dafür könnte man zum Beispiel bestehende Schutzprogramme abändern, die aktuell bei der Erkennung und Eindämmung von Fake News zum Einsatz kommen. Diese würden zwar längst noch nicht alle Bots heraussieben, aber ihren Einfluss zumindest minimieren.

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