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Diagnose Burnout – kann künstliche Intelligenz helfen?

Rund 20 Prozent der Menschen weltweit leiden unter einem Burnout – viele davon jedoch ohne es zu wissen. Denn die Diagnose dieses von Stress ausgelösten Leidens ist schwierig. Doch möglicherweise könnte künftig die künstliche Intelligenz dabei helfen. Einen ersten Versuch dazu haben Wissenschaftler vor kurzem gemacht – mit Erfolg. Ihr KI-System konnte Burnout-Betroffenen allein anhand ihrer Posts auf Reddit korrekt identifizieren. Wie funktioniert das?
KMI, 22.04.2022
Symbolbild Burnout

golubovy, GettyImages

Burnout – ausgebrannt - bedeutet so ziemlich genau das, wonach es sich anhört. Menschen mit einem Burnout fühlen sich ständig erschöpft, gereizt, depressiv  und gestresst. Sie kommen nicht zur Ruhe und die Erholung fehlt selbst dann, wenn man eigentlich Zeit hätte. Auch körperliche Symptome können auftreten. Dem Max-Planck-Institut (MPI) für Psychiatrie zufolge leidet bis zu 20 Prozent der Weltbevölkerung an verschieden starken Formen des Burnout.

Oft wird ein Burnout jedoch zu spät erkannt, obwohl es als Risikofaktor für andere schwerwiegende Volkskrankheiten wie Depression, Herzinfarkt oder Schlaganfall unbehandelt die Lebenserwartung verkürzt. Daher ist eine frühzeitige Erkennung besonders wichtig.

Symbolbild Befragung
Sowohl bei Gesprächen wie bei Fragebögen besteht die Gefahr verfälschter Ergebnisse durch sogenannte Antworttendenzen. Diese treten auf, wenn die Befragte nicht nur auf den Inhalt der Frage reagieren, sondern in ihrer Antwort auch von anderen Faktoren beeinflusst werden.

PeopleImages, GettyImages

Warum die Diagnose oft schwierig ist

Oft wird ein Burnout jedoch zu spät erkannt, weil die Symptome oft unspezifisch scheinen und ähnlich sind wie bei Depressionen oder Angststörungen. Ein Burnout manifestiert sich zudem in der Psyche und ist nicht an objektiv messbaren Werten oder Biomarkern abzulesen. Die Diagnose kann daher nur im Gespräch mit den Betroffenen passieren. Oft kommen dabei zusätzlich standardisierte Fragebögen zum Einsatz.

Doch sowohl bei Gesprächen wie bei den Fragebögen besteht die Gefahr verfälschter Ergebnisse. Ähnlich wie bei Persönlichkeitstests neigen Menschen unbewusst dazu, nicht die "extremen" Antwortmöglichkeiten wie "nie" oder "jeden Tag" zu wählen, sondern eher vorsichtig und abmildernder mit "manchmal" zu antworten. Hinzu kommt, dass manche Menschen ihr Innenleben und ihre Befindlichkeiten gut schildern können, andere hingegen nicht.

Wie kann eine künstliche Intelligenz da helfen?

An diesem Punkt kommt die künstliche Intelligenz ins Spiel: Forscher der Berner Fachhochschule hatten die Idee das Verfahren des maschinelles Lernens als Diagnosehelfer einzusetzen. Damit soll ermöglicht werden frei geschriebene Texte effizient zu analysieren und Anzeichen für ein Burnout bei den Verfassern zu erkennen.

Bei dieser Form der künstlichen Intelligenz ist ein Computer in der Lage zu "lernen", ohne speziell programmiert zu werden. Er bekommt keine oder nur wenige vorher festgelegten Regeln mitgeliefert, sondern der Lernalgorithmus erkennt von selbst Gesetzmäßigkeiten, die er in ihm zum Training vorgelegten Beispielen feststellt. Er lernt so im Laufe des Trainings, wiederkehrende Muster bestimmten Kategorien zuzuordnen. .Diese Form der KI-gestützten Analyse funktioniert inzwischen sowohl bei geschriebener wie bei gesprochener Sprache. Experten bezeichnen dies als natural language processing (NLP), auf Deutsch "maschinelles Verarbeiten von natürlicher Sprache".

Diese Sprachauswertung wird zum Beispiel schon für Sprachassistenten und Übersetzer genutzt oder um in sozialen Medien die Stimmung der Bevölkerung zu analysieren. Das NLP wurde aber auch bereits zur Erkennung verschiedener psychischer Erkrankungen anhand von Texten aus den sozialen Medien verwendet und auch die Forschergruppe um Mascha Kurpicz-Briki an der Berner Fachhochschule nutzte es in ihren Versuchen, um frei geschriebene Texte auf Anzeichen eines Burnout zu analysieren.

Reddit Icon auf Scmartphone-Screen
Für das "Anlernen" der KI wurden frei zugängliche Texte der Diskussionsplattform verwendet.

Unsplash.com, Brett Jordan

Reddit-Posts als Diagnose-Material

In unserem Fall wollten die Forscher den Algorithmus trainieren, Anzeichen für einen Burnout in geschriebenen Texten zu erkennen. Dazu nutzten sie Texte aus der Diskussionsplattform "Reddit", in der nach Themen sortierte, große Datensätze öffentlich zugänglich sind. So konnten sie gezielt Beiträge mit dem Wort Burnout oder ohne Bezug dazu finden und insgesamt über 13.000 Beiträge analysieren.

Für das Training wurden 70 Prozent der Beiträge in die verschiedenen Trainingsdatensätze "Burnout vs. Nicht-Burnout", "Burnout vs. Depression" und "Burnout vs. Nicht-Burnout - ohne Schlagworte" eingeteilt. So sollte der Algorithmus lernen, die Beiträge den richtigen Kategorien zuzuordnen. Das heißt, Anzeichen für Burnout in Texten zu erkennen, von einer Depression abzugrenzen oder auch ohne das Schlagwort "Burnout" der Burnout-Kategorie zuzuordnen. Mit den restlichen 30 Prozent der Beiträge testeten die Forschenden dann, wie gut der Algorithmus einen Burnout in den Texten erkennt.

In gut 90 Prozent richtig erkannt

Und das Ergebnis? Die Forscher stellten fest, dass ihr Algorithmus tatsächlich für eine solche Aufgabe geeignet ist. In bis zu 93 Prozent der Fälle lag das KI-System mit der Zuordnung richtig. Selbst ohne Schlagworte, also die direkte Erwähnung eines Burnouts im Text, konnte der Algorithmus den Zustand des Schreibenden richtig einschätzen und ein Burnout von einer Depression abgrenzen.

Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten KI-Systeme damit künftig durchaus wertvolle Hilfe bei der schwierigen Diagnose eines Burnouts leisten. "Mit maschineller Sprachverarbeitung lässt sich ein Burnout treffend und mit wenig Zeitaufwand diagnostizieren. Das ist ein sehr vielversprechendes Resultat", sagt Mascha Kurpicz-Briki. Allerdings: Psychologen, die die Diagnose unterfüttern und die intensive Beratung und Betreuung durch echte Menschen werden trotz dieser computergestützten Diagnose-Hilfe weiterhin unverzichtbar bleiben und einen Flaschenhals beim Zugang zu professioneller Hilfe bilden.

Quelle: Berner Fachhochschule

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