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Gehirnjogging für den Zappelphilipp
Samuel Krüger ist sieben Jahre alt, als bei ihm ADHS diagnostiziert wird. In der Schule kann er nicht stillsitzen, er ist unkonzentriert und wird gegenüber seinen Mitschülern aggressiv. Seiner Mutter, Melanie Krüger, ist schnell klar: „Ich möchte nicht, dass Samuel sofort mit Medikamenten therapiert wird “. Samuel macht nun regelmäßig eine spezielle Therapie: Er geht zum Neurofeedbacktraining.
So funktioniert Neurofeedbacktraining
Beim Neurofeedbacktraining sitzt das Kind vor einem Computerbildschirm und kann über seine Gehirnströme ein Computerprogramm steuern. Das gelingt über mehrere Elektroden, die absolut schmerzlos am Kopf der kleinen Patienten aufgeklebt werden und die Aktivität der Hirnströme auf den Computer übertragen. Konzentriert sich das Kind, kann es zum Beispiel ein Raumschiff auf dem Bildschirm nach oben bewegen. Entspannt es sich wieder, sinkt das Raumschiff nach unten. „Samuel hat auf diese Weise gelernt, sich gezielt zu konzentrieren und zu entspannen“, erklärt Melanie Krüger. „Seitdem er das Training absolviert ist er ausgeglichen und zufrieden“.
Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei vielen ADHS-Patienten die Aktivierung der Hirnrinde gestört ist. Mittels Neurofeedback lernen Betroffene, die Hirnaktivität selbst zu steuern und so ihr Verhalten bewusst zu ändern. „Bislang ist allerdings noch nicht abschließend geklärt, wie Neurofeedback bei ADHS wirkt”, berichtet Dr. Hanna Christiansen, Diplom-Psychologin an der Universität Marburg. Christiansen leitet seit dem Jahr 2011 eine Studie, die die Wirksamkeit von Neurofeedback bei Kindern im Vergleich mit einer anderen Therapie bei ADHS erforscht. „Wir konnten bislang feststellen, dass das Neurofeedbacktraining Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität bei Kindern mit ADHS effektiv mindert“, berichtet Christiansen. „Wie lange die Effekte anhalten und welche Kinder besonders gut vom Training profitieren, können wir allerdings erst nach Abschluss der Studie sagen“.
ADHS: Eine häufige Erkrankung
Ebenso wie Samuel leiden in Deutschland nach Angaben der Bundesärztekammer zwei bis sieben Prozent aller Kinder und Jugendlichen unter ADHS. Dies bedeutet, dass durchschnittlich in jedem Klassenzimmer etwa ein Kind sitzt, bei dem die Störung diagnostiziert wurde. Viele Kinder kämpfen - trotz normaler oder überdurchschnittlicher Intelligenz – mit schulischen Problemen und der Entwicklung von weiteren psychischen Störungen.
Bislang gelten meist Medikamenten und eine Verhaltenstherapie als Behandlung der Wahl. „Wir wissen aber, dass viele Eltern einer Medikation ihrer Kinder skeptisch gegenüber stehen, weil sie zum Beispiel Angst vor Nebenwirkungen haben“, berichtet Hanna Christiansen. Die Diplom-Psychologin warnt jedoch davor, eine Medikation bei ADHS generell abzulehnen: „Bei jedem Kind sollte individuell entschieden werden, welche Therapie sinnvoll ist“. Christiansen erklärt weiter: „Manchmal schafft eine Medikation erst die Voraussetzungen, dass eine Kind am Neurofeedbacktraining teilnehmen kann“. Neurofeedback könne dementsprechend eine konventionelle Therapie bei ADHS entweder ergänzen oder ersetzen.