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Mythos Bernsteinzimmer

Zahlreiche Legenden ranken sich um das Bernsteinzimmer, das die Preußen 1716 dem russischen Zaren Peter dem Großen zum Geschenk machten. Das "achte Weltwunder" hat bis heute nichts von seiner Anziehungskraft verloren. Im Gegenteil: Seine Unauffindbarkeit scheint die Fantasie der Menschen 75 Jahre nach der Verschleppung des Bernsteinzimmers durch die Nationalsozialisten noch immer zu beflügeln.
DAL, 14,10.2016

Original des Bernsteinzimmers im Jahr 1931

Branson DeCou, UCSC / Public Domain

Der Tausch besiegelt ein Kriegsbündnis zwischen Russland und Preußen gegen Schweden: 55 stattliche Soldaten mit Gardemaß verlassen Russland in Richtung Potsdam und im Gegenzug bekommt Zar Peter der Erste die teuerste Tapete der Welt: In 18 Kisten verpackt wechselt das Bernsteinzimmer anno 1716 seinen Besitzer und gelangt von Berlin nach St. Petersburg. Über 200 Jahre lang ist der ursprünglich im Auftrag von Preußenkönig Friedrich I. für das Schloss Charlottenburg entstandene Raum mit der barock anmutenden Wandtäfelung und Möbeln aus Bernsteinelementen zunächst Teil des Sommerpalais, später des Katharinenpalastes bei St. Petersburg.

Besuchermagnet Katharinenpalast
Doch im Herbst 1941 reißen die deutschen Besatzer die Wandverkleidungen und das Interieur als Kriegsbeute an sich. Ab dem 14. Oktober demontieren sie das Zimmer innerhalb von 36 Stunden und stellen es anschließend im Schloss der ostpreußischen Stadt Königsberg aus. Von dort verschwindet das Bernsteinzimmer wenige Jahre später spurlos. Seitdem ranken sich Gerüchte, Mythen und Verschwörungstheorien um seinen Verbleib. Ist es verbrannt? In einem U-Boot gesunken? Wurde es in Einzelteilen verscherbelt? Oder liegt es noch immer sorgsam verpackt an einem Ort, den es nur zu finden gilt?

Zwischenstation oder Endstation?

Historisch

Verschollenes Meisterwerk

Klar ist nur eins: Mit dem Bernsteinzimmer ist ein innenarchitektonisches und handwerkliches Meisterwerk verschwunden – für manche ist es gar das "achte Weltwunder". Nicht nur raffinierte Wand- und Deckenschnitzereien aus dem fossilen Harz, das im 18. Jahrhundert noch als wertvoller Edelstein gilt, werden wahrscheinlich in der Nacht vom 27. August 1944 zum letzten Mal gesehen.

Auch bernsteinverzierte und vergoldete Leuchter, kunstvolle Kommoden, Wandspiegel und Mosaike gelten der gängigen Theorie zufolge seit jenen Angriffen als verschollen, bei denen britische Bomber das heutige Kaliningrad in Schutt und Asche legten und das Stadtschloss niederbrannte. Spätestens jedoch seit der Schlacht um Königsberg im Jahr 1945 scheint das Bernsteinzimmer verschwunden zu sein – damals wurde das Schloss erneut stark beschädigt und Königsberg fiel schließlich an die Rote Armee.

Das Königsberger Schloss wurde gegen Ende des Zweiten Weltkriegs fast vollständig zerstört.

Al99999 / Gemeinfrei

Verbrannt…

Doch was ist mit dem Bernsteinzimmer passiert? Belegt ist, dass der Direktor der städtischen Kunstsammlungen, Alfred Rohde, das Zimmer in weiser Voraussicht bereits Monate vor der Bombennacht demontieren und in einem bombensicheren Kellergewölbe des Schlosses lagern ließ. Ob das wertvolle Zimmer aber in den Bunkern blieb oder schließlich woanders versteckt oder gar außer Landes gebracht wurde, lässt sich bis heute nicht rekonstruieren.

Nach der Zerstörung Königsbergs entsteht zunächst die Theorie, das Bernsteinzimmer sei mit dem Schloss verbrannt. Man findet verkohlte Reste in den Trümmern – Türscharniere, Fragmente von Paneelen und Verzierungen, angeblich Teile des Bernsteinzimmers. Doch zahlreiche Fahnder fördern im Laufe der Jahre immer neue Indizien zutage, mit deren Hilfe sie die Verbrennungstheorie zu widerlegen vermeinen.

Das 1996 auf dem "grauen Kunstmarkt" aufgetauchte Mosaikbild „Fühlen und Riechen“ zählt letzten noch erhaltenen Originalteilen.

jeanyfan / Gemeinfrei

…oder gerettet?

Vor allem sind dies Schnitzereien aus Bernstein oder Möbel, die in Auktionen auftauchen und dem Bernsteinzimmer zugeschrieben werden. Tatsächlich beschlagnahmen deutsche Polizeibeamte in den 1990er Jahren auch eine Kommode und ein Steinmosaik, die dem Bernsteinzimmer sicher zugeordnet werden können. Diese sollen jedoch bereits vor der Ankunft in Königsberg gestohlen worden sein und demzufolge nichts über den Verbleib des restlichen Zimmers verraten.

Immer wieder neue Deutungen von Dokumenten der Nachkriegszeit befeuern die kontroverse Debatte zusätzlich – zum Beispiel das Tagebuch des Geschichtsprofessors Alexander Brjussow. Er war Leiter der ersten russischen Suchkommission, die nach der Eroberung nach Kunstschätzen fahndete. Aus seinen Notizen wurde mittlerweile sowohl die Verbrennung als auch die Rettung des Bernsteinzimmers herausgelesen.

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