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"Now and Then" - wie Künstliche Intelligenz den Beatles-Song rekonstruierte

„Now and Then“ – so heißt ein gerade neu erschienener Song der Beatles. Einige fragen sich an dieser Stelle wahrscheinlich, wie das möglich ist. Schließlich haben sich die Beatles bereits 1970 aufgelöst und darüber hinaus sind mittlerweile zwei der vier Band-Mitglieder verstorben. Die Antwort: Künstliche Intelligenz. Doch wie genau kam KI bei der Produktion von Now and Then zum Einsatz? Und wieso wird dies der letzte Beatles-Song bleiben?
AMA, 08.11.2023
Symbolbild KI-Unterstützung für die Beatles

© Hintergrund: berya113, GettyImages; Beatles: Henry Grossman (1967)

Im Juni 2023 gab Beatles-Mitglied Paul McCartney im Radio etwas bekannt, was Fans weltweit in Aufruhr versetzte: Noch in diesem Jahr würde ein neuer Song der ikonischen Band rauskommen. „Die letzte Beatles-Platte“, wie McCartney ihn nannte. Anfang November war es schließlich soweit und der angekündigte Song erschien unter dem Titel „Now and Then“. Seitdem trendet er auf allen gängigen Musikplattformen und wurde bereits millionenfach angehört.

Charthits nach dem Tod

Now and Then ist gleich aus mehreren Gründen besonders. Erstens, weil die Beatles eigentlich bereits seit 1970 getrennt sind, zweitens, weil mit Paul McCartney und Ringo Starr nur noch zwei der vier Mitglieder leben, drittens, weil der Gesang von dem bereits im Dezemeber 1980 gestorbenen John Lennon  stammt und viertens, weil der Track mithilfe Künstlicher Intelligenz entstanden ist.

Die ersten drei Besonderheiten sind im Musikgeschäft tatsächlich gar nicht so einzigartig, wie sie auf den ersten Blick scheinen mögen. Auch viele andere Bands und Künstler sind selbst nach ihrer Auflösung beziehungsweise ihrem Tod noch mit Songs in den Charts gelandet. Meist handelte es sich dabei um bislang unveröffentlichte Demo-Aufnahmen oder alte Mitschnitte von Live-Auftritten. Im Falle von „Made In Heaven“ – einem Song, an dem Queen-Sänger Freddie Mercury vor seinem Tod gearbeitet hatte – gelang es dem Rest der Band beispielsweise, den Track später ohne ihn fertigzustellen und ihn für die Veröffentlichung aufzubereiten.

Fernseher verunreinigt Demotape

Was den neuen Beatles-Song Now and Then daher wirklich von all diesen postumen Produktionen abhebt, ist nicht seine Existenz an sich, sondern dass der Song mithilfe von Künstlicher Intelligenz entstanden ist. Diese hat das Lied jedoch nicht in völliger Eigenregie erschaffen: Was man hört, ist nicht eine bloß KI-generierte Stimmkopie von John Lennon, wie bei einigen in jüngster Zeit veröffentlichten KI-Songs. Stattdessen hat das KI-System  dabei geholfen, eine ruiniert geglaubte Aufnahme zu retten. Denn ähnlich wie Made In Heaven beruht auch Now and Then auf der Vorarbeit eines Bandmitglieds.

Im Jahr 1977 hatte John Lennon in seinen eigenen vier Wänden eine Art Demotape des Songs aufgenommen. Dessen Qualität war allerdings so schlecht, dass jahrelang niemand etwas damit anfangen konnte. Unter anderem waren im Hintergrund ein Klavier und ein Fernseher zu hören, die beide den Gesangspart „verunreinigten“. Zwei weitere Songs aus diesem Tape konnten in den 1990er Jahren dennoch entsprechend gefiltert und veröffentlicht werden, beim dritten Song – Now and Then, war die Qualität aber zu schlecht.

KI als Gesangsretter

Da die damalige Technologie nicht ausreichte, um Lennons Stimme aus den ungewollten Hintergrundgeräuschen zu isolieren, wurde das Projekt erst einmal auf Eis gelegt. Doch mit der Zeit verbesserten sich auch die technologischen Möglichkeiten. Mittlerweile ist maschinelles Lernen in der Lage, Stimme von Hintergrundmusik zu trennen. Diese Methode war bereits in der 2021 erschienenen Beatles-Dokumentation „Get Back“ zum Einsatz gekommen, um Rauschen aus den Originalaufnahmen des gleichnamigen Songs zu entfernen.

Dasselbe ist nun auch mit Now and Then geschehen. Indem man der eingesetzten Künstlichen Intelligenz anhand von unzähligen Stimmproben des Beatles-Sängers beibrachte, wie sich John Lennons Stimme anhört, konnte diese die Gesangsabschnitte präzise von den Hintergrundgeräuschen abtrennen und so eine reine Aufnahme kreieren. Lennons Gesang ergänzte das Team schließlich mit neu aufgenommener Instrumentalbegleitung, darunter ein Streicherarrangement von Paul McCartney und Produzent Giles Martin, ein Schlagzeugsolo von Ringo Starr und Gitarrenparts von Jeff Lynne, dem Frontmann des Electric Light Orchestra, der somit den bereits verstorbenen George Harrison ersetzte.

Da man für die verwendete Art von maschinellem Lernen stets eine Rohaufnahme benötigt, an der sich die KI orientiert, und Lennons Demotape die letzten Überreste unveröffentlichter Beatles-Musik waren, handelt es sich bei Now and Then um den endgültig letzten Track der ikonischen Band. KI für gänzlich neue Songs zu nutzen, die nicht auf der Vorarbeit der vier Mitglieder beruhen, ist für die verbliebenen Künstlern keine Option wie sie erklärten.

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