3. Oktober 2013: Deutschland feiert die Deutsche Einheit. Vor Lampedusa ertrinken über 300 Flüchtlinge. Zwei Ereignisse, die zufällig auf denselben Tag fallen. Und trotzdem hängen sie irgendwie zusammen.

Die Brücke in die EU: überfüllte, seeuntaugliche Boote. Wer die lebensgefährliche Reise wagt, ist meist in einer verzweifelten Lage.
Picture-Alliance GmbH, Frankfurt/epa efe Carlos Fernandez
Knapp 2000 Kilometer weiter südlich trägt sich am 3. Oktober 2013 ein Ereignis zu, das mit Frieden und Freude aber auch gar nichts zu tun hat: Gerade einmal einen Kilometer vor der Küste der kleinen Mittelmeerinsel Lampedusa zünden 500 verzweifelte Flüchtlinge eine Decke an, um auf sich aufmerksam zu machen, nachdem an Bord der Motor ausgefallen ist. Tage vorher sind die Menschen im libyschen Misrata gestartet, sie sind von der beschwerlichen Überfahrt stark geschwächt. Feuer und Panik breiten sich an Deck aus, das Boot kentert und zieht zahlreiche Menschen mit in die Tiefe. Über 300 Menschen sterben, nur 155 Menschen überleben die Katastrophe. Aber Ruhe finden auch sie nicht: Die italienische Staatsanwaltschaft begrüßt Flüchtlinge standardmäßig mit einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Illegale Einreise.
Europäische Parallelwelten
Man stelle sich beide Ereignisse – die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit und das Bootsunglück – im Splitscreen-Verfahren vor: Während auf der linken Bildschirmseite hunderte Leichen aus dem Meer gefischt und in schwarzen Säcken verstaut werden, fragt rechts Bundespräsident Joachim Gauck in Stuttgart in seiner Feiertagsrede: „Nimmt Deutschland seine Verantwortung ausreichend wahr etwa gegenüber den Nachbarn im Osten, im Nahen Osten oder am südlichen Mittelmeer?“ Und er fordert zum Handeln auf: „Unser Land ist keine Insel. Wir sollten uns nicht der Illusion hingeben, wir könnten verschont bleiben von den politischen und ökonomischen, den ökologischen und militärischen Konflikten, wenn wir uns an deren Lösung nicht beteiligen.“