Audio

Lachen, glucksen, giggeln, prusten und kichern – zu Besuch beim Lachseminar (Podcast 129)

0:00

Am 4. Mai ist Weltlachtag – lachen Sie mit!

Sollten Sie Anfang Mai mitten in Ihrer Stadt eine Gruppe von Leuten treffen, die völlig ungeniert und unmotiviert lachen, glucksen, giggeln, prusten und kichern, machen Sie sich bitte keine Sorgen um den Gemütszustand dieser Menschen. Was die Lachyogis da tun, ist nämlich äußerst bekömmlich und gesundheitsfördernd. Denn Lachen, das dürfte Ihnen bekannt sein, ist gesund – selbst wenn Sie nichts zu lachen haben. Aus eben dieser Erkenntnis heraus werden am ersten Sonntag im Mai, dem offiziellen Weltlachtag, Anhänger des Lachyogas ein globales Gelächter um den Erdball schicken. Zugegeben: Sich zum Lachen verabreden, das klingt absurd. Susanne Böllert von wissen.de hat deswegen den Selbsttest gemacht und Lachyoga-Seminar in München besucht.

„Es ist durchaus erst mal ein wenig befremdlich, wenn da eine Gruppe von Leuten steht, die miteinander irgendwelche ungewöhnlichen Bewegungen und Haltungen einnehmen und dann loslachen und man denkt ‚Was ist das denn jetzt?’. Aber wenn man sich darauf einlässt, dann funktioniert das relativ rasch.“ – Befremdlich! Ja, das finde ich allerdings auch. Aber wenn Ute Liebhard, immerhin ausgebildete Lachtrainerin und -Therapeutin sowie Gastgeberin unseres heutigen Lachtreffs, meint, man müsse sich einfach nur darauf einlassen und dann klappt das schon mit dem echten Lachen, dann will ich’s auch wagen. Ob sich mein Über-Ich allerdings überreden lässt, so lange draußen vor der Tür zu warten? Ich wage es zu bezweifeln.

Während mich also die journalistische Neugier an diesem sonnigen Samstagnachmittag in das vierstündige Lachyoga-Seminar von Frau Liebhard getrieben hat, frage ich mich, welche Motive die beiden Damen und der Herr hatten, um sich zu der Lachsession mit lauter Unbekannten zu treffen. Zum Beispiel Tanja Herberg, 29-jährige Mutter, Ehe- und Verlagskauffrau aus dem Münchner Umland: „Warum ich hier bin? Gute Frage“ Ein bisschen aus Neugierde, ganz klar, was überhaupt Lachyoga ist, ob man Lachen trainieren kann. Zum anderen auch ein bisschen, weil ich das Gefühl habe, in den letzten Jahren mein Lachen, verloren zu haben.“

Auch die zweite Teilnehmerin, eine Musikschullehrerin, deren Kinder gerade aus dem Haus sind, will ihr altes Lachen unter Anleitung wiederfinden. Gunther dagegen, ein Vertreter der IT-Branche und immer viel unterwegs, nimmt heute schon zum zweiten Mal am Lachyoga-Seminar von Heilpädagogin Ute Liebhard teil. Dinge, die gut tun, kann man ruhig öfters machen, findet Gunther. Dass Yoga gut für Seele und Körper ist, das habe auch ich schon einmal gehört und versuche mich deswegen selbst seit kurzem in der indischen Kunst des Verrenkens, Dehnens und Entspannens. Aber Lach-Yoga? Ist das denn auch wirklich Yoga  – also der herabschauende Hund mit ganz viel Haha und Hihi und bei der Kobra immer schön kichern? „Yoga bedeutet letztendlich, Körper, Geist und Seele in Einklang zu bringen. Das ist der Begriff Yoga, der seit vielen tausend Jahren vor allem im asiatischen Raum umherschwirrt.“ Okay. Das heißt also, als einzige körperliche Voraussetzung für Lachyoga muss man lachen können und braucht weder besonders gelenkig oder sportlich zu sein noch die Asanas aus dem traditionellen Yoga zu beherrschen. Schließlich ist Yoga ja auch viel mehr als nur eine Sportart.

Es ist eine Philosophie, bei der das Zusammenspiel von Körper und Geist, Seele und Atem verbessert werden soll und der Yogi zu innerer Gelassenheit finden und im Bestfalle den Weg der Selbstvervollkommnung beschreiten kann. Während Yoga eine jahrtausendealte Lebensphilosophie ist, gilt das Lachyoga hingegen als relativ neue Erfindung.

Und die soll 1995 ein indischer Internist gemacht haben. Dr. Madan Kataria und seine Frau Madhuri, praktischerweise Yogallehrerin, leben in Mumbai, der mit 18 Millionen Einwohnern fünftgrößten urbanen Agglomeration der Welt. Die Hälfte der Menschen hier leben in Slums. Der Stress, der unter der Smog-Decke Mumbais auf den Einwohnern lastet, ist enorm. Und Stress macht auf die Dauer krank. Doch wie lässt sich eine Bevölkerung vor dem kollektiven Burn-Out bewahren, die zu arm ist, um Medikamente und Therapien zu bezahlen? Glücklicherweise ist Internist Kataria Mitte der 90er Jahre auf die Gelotologie gestoßen, die Lehre von den Auswirkungen des Lachens. Eine erste Erkenntnis der Gelotologen, die im Übrigen schon Charles Dickens verbreitete, lautet: „Nichts in der Welt ist so ansteckend wie Lachen und gute Laune.“ Oder etwa nicht?

Anfangs trafen sich Katarias Patienten mit ihrem Internisten frühmorgens in Mumbais Joggerpark, um sich Witze zu erzählen und nach einem minutenlangen Lachflash beschwingt die Arbeit aufzunehmen. Ihr Wohlbefinden hatte sich deutlich verbessert. Doch das Witzkontingent der Leute, die zum Lachen in den Park gingen, war schnell erschöpft. Also ließ sich der findige Internist eine neue Strategie einfallen – und lud die Lacher, die er sowieso schon auf seiner Seite hatte, zum unmotivierten Lachen ein. Kombiniert mit den Atemtechniken des Yogas und spielerisch abgewandelten Yoga-Übungen entstand so in Mumbais Joggers Park das Lachyoga, das inzwischen Anhänger in 75 Ländern weltweit gefunden hat. Lachen auf Ansage, das hörte sich in München so an: „Hahahaha!“ (Gelächter).

Ja, Sie liegen richtig, das hemmungslose helle Gelächter, das die eher verhaltenen Lachversuche der anderen übertönt, gehört Ute Liebhard. Die Frau hat Lachen eben gelernt! Mir selbst ist eher nicht nach Lachen zu Mute. Ich fühle mich beklommen. Vielleicht ist ja die nächste Übung etwas für mich. Eifrig schütten wir lauter Hahas, Hohos, und Hehes in einen imaginären Becher und exen ihn.

Naja, geht so. Vielleicht bin ich ja eher ein hehehehe-Lachtyp oder ich kann mich auf hohoho am besten gehen lassen. Versuchen wir’s!

Okay. Mir scheint jede Begabung fürs Lachyoga zu fehlen. Denn während bei den anderen so langsam der Funke überspringt und aus dem gekünstelten Gelächter immer öfter ein herzhaftes Lachen wird – Tanja muss sich sogar schon die Lachtränen aus den Augenwinkeln wischen – verkrampfen sich meine Gesichtsmuskeln zusehend. Ich komme mir dämlich und vor und frage mich, ob denn keiner merkt, wie es hinter meiner grinsenden Fassade tatsächlich um mich bestellt ist. Ich beginne, mich zu ärgern. Denn auch ich würde gern die heilende Kraft des Lachens spüren.

Immerhin soll Lachen, so versprechen es führende Gelotologen, die Immunabwehr stärken, Stress abbauen, Glückshormone ausschütten, ja sogar gegen Verstopfung, Kopfschmerz und Schlaflosigkeit Wunder wirken. Wer viel lache, werde nicht nur mutiger, gelassener und fröhlicher, sondern dank seiner verbesserten Ausstrahlung auch deutlich attraktiver und sozial erfolgreicher. Bei Männern soll es einen direkten Zusammenhang zwischen Lachvermögen und Potenz geben. Kinder dagegen sind die besseren Lacher: Während sich Erwachsene etwa 15 bis 16 Mal am Tag zum Lachen verführen lassen, schütteln sich Kinder bis zu 400 Mal täglich vor Lachen. Und manchmal kriegen sie sich überhaupt nicht mehr ein.

Erwachsene, die sich ihr Lachen bewahrt haben, seien, auch dies eine Erkenntnis aus der Gelotologie, deutlich kreativer als der Durchschnitt. Der Kreativität Ute Liebhards scheinen jedenfalls keine Grenzen gesetzt. Sie verpasst uns nach dem Lachtrank noch eine Lachdusche, verwandelt uns in quiekende Pinguine und humorige Gartenzwerge oder lässt uns einander ins Fäustchen lachen.

Okay. Ich hab’s versucht. Mehr ist nicht drin. Nach mehr als zwei Stunden gebe ich auf. Aber wie ist es eigentlich um meine Lachkameraden bestellt? Gunter, der Wiederholungstäter hat seine zweite Lachyoga-Erfahrung nicht bereut. Er konnte sogar einige Lieblingslachstücke identifizieren.

Tanja hingegen ist eine Silbenlacherin. Sobald jemand diese eine Silbe trifft, ist es um sie geschehen.“Bei dem hihihi hat es mich komplett zerlegt. Das kenne ich noch aus meiner Kindheit und Jugend. Wenn ich hihihi gemacht habe, dann war das mein reinstes Lachen. Das Lachen aus dem Bauch heraus war bei mir schon immer hihihi.“ Aber haben sich die Erwartungen, mit denen die 29-Jährige heute zum Lachyoga-Seminar erschienen ist, auch erfüllt?

„Die sind sogar übertroffen! Ich dachte, man sitzt im Schneidersitz und atmet und meditiert und lacht vielleicht zwischendrin mal ganz vorsichtig. Ich habe mir das viel verkrampfter vorgestellt. Aber dass man einfach da steht und lacht, finde ich super.“ Bevor Ute Liebhard ihre frisch gebackenen Lachyogis und Yoginis entlässt, gibt sie Ihnen noch eine Übung mit auf den Weg. Sie sollen sich jetzt jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen vor den Badezimmerspiegel stellen, sich tief in die Augen sehen und liebevoll anlächeln. Ich frage die Musiklehrerin, ob  sie diesen Rat befolgen will: „Das will ich auf jeden Fall machen, aber ich stelle es mir sehr schwer vor. Wenn ich mir das in der Früh vorstelle – ich schlafe schlecht und ich habe so eine miese Stimmung in der Früh. Aber vielleicht ... Ich versuch’s!“ Und ich? Ich bin mir noch nicht sicher, mit welchen Gefühlen ich Anfang Mai um 14 Uhr den Lachyogis zuhören werde. Entweder mein Über-Ich macht mal kurz Pause und ich lasse mich infizieren – oder ich mache einen großen Bogen um die Lachbrüder- und Schwestern.

Susanne Böllert, wissen.de-Redaktion

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon