Audio

Propaganda - die besondere Kriegswaffe (Podcast 130)

0:00

Ein Krieg bringt, ungeachtet seines Ausgangs, Tod, Zerstörung, Armut und nicht zuletzt Schuld über ein Volk. In einen Krieg zu ziehen, kann also niemals im Interesse der Bevölkerung liegen. Dennoch lassen sich die Massen immer wieder von der Notwendigkeit „kriegerischer Mittel“ überzeugen, wenn nicht gar für einen Angriffsschlag begeistern. Der Mechanismus, der hinter diesem Paradoxon steckt, ist so alt wie die Kriegsführung selbst: Es ist die Propaganda, die, gepaart mit ihrer Schwester, der Desinformation, dafür sorgt, dass die Menschen einen Krieg als unerlässlich erachten, ja, ihn von ganzem Herzen ersehnen. Die Nationalsozialisten haben die Klaviatur der Propaganda so meisterhaft beherrscht, dass, selbst, als ihr Untergang längst besiegelt war, die Deutschen weiter verzweifelt auf die Wunderwaffen und den Endsieg hofften. Die faschistische Propaganda war von einer solchen Überzeugungskraft, dass das Deutsche Reich erst im sechsten Kriegsjahr - am 7. Mai 1945 - kapitulierte. Zu dem Zeitpunkt hatte der Zweite Weltkrieg bereits über 50 Millionen Menschenleben gefordert. Doch Beispiele für Propaganda im Krieg lassen sich im Laufe der Geschichte eine ganze Reihe finden.

 

Propaganda in der Kriche

 

Propaganda war ursprünglich ein religiöser Begriff. Er bezeichnete das Bemühen der Römischen Kirche, dem erstarkenden Protestantismus entgegenzutreten und die Verbreitung des katholischen Glaubens in der neuen Welt voranzutreiben. Zu diesem Zweck gründeten die Kardinäle 1622 eigens eine Propagandakongregation, die erst über drei Jahrhunderte später in Kongregation für die Evangelisierung der Völker oder für die Glaubensausbreitung umbenannt wurde. Doch schon lange, bevor Regierungen die Propaganda im Sinne der Encyclopaedia Britannica als "bewusst einseitige Orientierung der Massenzuhörerschaft, als Akt der gerichteten, gezielten Meinungslenkung" für politische Zwecke nutzten, funktionierte sie einwandfrei.

 

Propaganda in der Antike

 

So etwa im alten Rom, dessen Großmachtbestrebungen in die Historie eingegangen sind. Alles andere als historisch verbürgt sind dagegen die Schilderungen der römischen Geschichtsschreiber Diodorus Siculus und Plutarch, durch die das römische Volk von der Schlechtigkeit des Erzfeindes Karthago überzeugt werden sollte. Detailliert beschreiben sie, wie die Karthager im Jahr 310 v. Christus ihrem Gott Baal alle männlichen Nachkommen der Oberschicht opferten und den Flammentod sterben ließen, um den Gott gnädig zu stimmen und einer lang andauernden Belagerung ihrer Stadt endlich ein Ende zu bereiten. Dass es sich bei diesen Schilderungen wohl um nichts als gezielte Propaganda der in römischen Diensten stehenden Geschichtsschreiber handelte, konnte erst vor einigen Jahren bewiesen werden, als der amerikanische Anthropologe Jeffrey Schwarz den berüchtigten Kinderfriedhof Tophet untersuchte und feststellte, dass die hier bestatteten Kinder mit größter Wahrscheinlichkeit nicht geopfert worden, sondern eines natürlichen Todes gestorben waren. Dieser Beweis wurde jedoch viel zu spät erbracht, als dass die Kriegspropaganda der Römer als solche zu entlarven gewesen wäre. Denn schon im Jahr 146 v. Chr., im dritten Punischen Krieg, gelang es der römischen Armee, Karthago zu erobern und zu zerstören.

 

Propaganda im Dritten Reich

 

"Wir machen gar keinen Hehl daraus, der Rundfunk gehört uns. Und niemandem sonst. Und den Rundfunk werden wir in den Dienst unserer Idee stellen. Und keine andere Idee soll hier zu Worte kommen. Zu glauben, dass wieder einmal eine Zeit kommen könnte, wo man allen Parteien von der Sozialdemokratischen Partei bis zu den Nationalsozialisten die Gelegenheit gäbe, am Rundfunk ihre sogenannten Ideen an das Volk zu bringen, das ist kindlich." Diese Worte sprach Joseph Goebbels, seines Zeichens Reichs-Propaganda-Minister des Dritten Reiches, viele Jahrhunderte nach den Punischen Kriegen. Die Kriegspropaganda konnte sich inzwischen ganz neuer Kanäle mit deutlich größerer Reichweite bedienen: Gemeint ist der Volksempfänger. Dieses durchaus erschwingliche Radiogerät hatten die Nazis nur zu dem Zweck entwickeln lassen, das Deutsche Reich mit einer lückenlosen Propaganda überziehen zu können, die sowohl die Diffamierung des jüdischen Volkes zum Ziel hatte als auch die Ressentiments der im Ersten Weltkrieg besiegten Deutschen gegen Frankreich und andere europäischen Nationen zu schüren.

Geschickt ersetzten die Nationalsozialisten ihre anfänglichen Friedensbeteuerungen, mit denen das Volk besänftigt werden sollte, das noch unter dem Eindruck des eben erst verlorenen Krieges alles andere als kriegslustig war, wenige Jahre später durch eine neue Sprache. In einer Geheimrede vor deutschen Journalisten am 10. November 1938 begründete Adolf Hitler den Schwenk: "Es war nunmehr notwendig, das deutsche Volk psychologisch umzustellen und ihm langsam klarzumachen, dass es Dinge gibt, die, wenn sie nicht mit friedlichen Mitteln durchgesetzt werden können, mit den Mitteln der Gewalt durchgesetzt werden müssen. Dazu war es aber notwendig, dem deutschen Volk bestimmte außenpolitische Vorgänge so zu beleuchten, dass die innere Stimme des Volkes selbst langsam nach der Gewalt zu schreien begann."

 

Kriegsproganda in Reinform

 

Die Polarisierung, die Dämonisierung des Gegners, die Indoktrination durch Massenmedien, die Manipulation der zu vermittelnden Botschaft und letzendich die Verbreitung von Lügen – all die Bestandteile der Kriegspropaganda hatten die Nationalsozialisten in den wenigen Jahren ihrer Herrschaft so meisterhaft umgesetzt, dass nur einzelne der massiven Beeinflussung standhielten und die Entscheidung für den Krieg ablehnten. Es musste der Masse der Menschen vielmehr so erscheinen, als sei der Wunsch nach Gewalt, nach Krieg in ihrem Inneren gewachsen und nicht der geschickten Lenkung der Machthaber zu verdanken gewesen. Wie schwer die Verblendung der Deutschen wog, zeigte sich nicht zuletzt am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast, als der Spezialist für Propaganda, Josef Goebbels, den totalen Krieg forderte und brausenden Jubel erntete.

 

Propaganda im Irak-Krieg

 

Natürlich hat die Beobachtung, die der britische Schriftsteller Rudyard Kippling bereits Ende des 19. Jahrhunderts angesichts der britischen Kolonialkriege gemacht hat, "Die Wahrheit ist das erste Opfer des Krieges", auch viele Jahrzehnte nach den Ende des Zweiten Weltkrieges noch Bestand. Nicht zuletzt dank Machthabern wie dem ehemaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, George W. Bush.

 

Die graue und die schwarze Propaganda

 

Die Behauptung der republikanischen Regierung, der Irak sei im Besitz von Massenvernichtungswaffen, zur Legitimierung des Einmarsches in den Irak mag der skandalöste Fall von "grauer Propaganda" der jüngeren Geschichte gewesen sein. Wobei unter "grauer Propaganda" die Form von politischer Beeinflussung zu verstehen ist, bei der Wahrheitsgehalt und Quelle einer Information nicht mehr eindeutig zu bestimmen sind. Von "schwarzer Propaganda", die bei Freund und Feind bewusst Lügen verbreitet, soll hier noch nicht die Rede sein. Immerhin konnten letzte Unsicherheiten darüber nie ganz ausgeräumt werden, ob die amerikanische – und die britische – Regierung damals lediglich schlampige Geheimdienstberichte ganz in ihrem Sinne interpretierten - oder ob sie bewusst Fehlinformationen verbreitet haben. Das Eingeständnis, die Begründung für den Irakkrieg habe sich als falsch erwiesen, kam später schnell und schludrig über Bushs Lippen.

 

Propaganda im Vietnam-Krieg

 

Doch schon Jahrzehnte zuvor hatten die USA erfahren müssen, wie schlagartig der Rückhalt der Bevölkerung für einen Krieg abnimmt, wenn sich die Kriegsberichterstattung als geschönt, ja unwahr entpuppt. Als 1972 jenes Foto von inzwischen trauriger Berühmtheit um die Welt ging, das ein weinendes, nacktes vietnamesisches Mädchens zeigt, welches nur knapp eine fehlgeschlagene amerikanische Napalm-Bombe überlebt hatte, da war das Ende des Vietnamkriegs im Grunde bereits besiegelt. Zu offensichtlich klaffte plötzlich die Lücke zwischen militärischer Propaganda und mörderischer Kriegswirklichkeit auf, als dass die amerikanische Bevölkerung diesen Krieg weiter unterstützen konnte.

 

Kriegspropaganda in den Händen von PR-Agenturen

 

Groteske Züge nimmt das Thema Kriegspropaganda spätestens in dem Moment an, in dem man sich vor Augen führt, dass nicht nur islamistische Terrororganisationen wie Al Qaida den Hass auf ihre Feinde in Religionsschulen und Gotteshäusern schüren, sondern dass westliche Länder im Gegenzug hochkarätige Public Relations-Agenturen damit beauftragen, die eigene Bevölkerung durch gezielte Desinformation für einen Waffengang gegen den Feind zu gewinnen. So geschehen im September 1990, als die Agentur Hill & Knowlton amerikanischen Fernsehsendern Meldungen über die Ermordung Neugeborener durch irakische Soldaten zuspielte. Diese Berichte erwiesen sich erst lange nach dem Eingreifen der westlichen Nationen in den Golfkrieg als Lüge.

 

Kriegsmüdigkeit: das Ergebnis von zu viel Propaganda?

 

Nicht verwunderlich erscheint angesichts derartiger Auswüchse von Kriegs-Propaganda die wachsende Abneigung vieler Menschen in aufgeklärten Ländern gegen jede Form von Krieg. In Deutschland vermied die Politik im Bezug auf das Geschehen am Hindukusch wohlweißlich über Jahre das Wort „Krieg“. Die Mehrheit der Deutschen lehnt den Einsatz deutscher Soldaten in Afghanistan ab und begrüßte die Aussage von Ex-Verteidigungsminister, in Afghanistan herrschten „kriegsähnliche Zustände“.

 

Social Propaganda

 

Die jüngsten Ereignisse in der arabischen Welt zeigen wiederum, wie schnell sich neue Massenmedien für Propaganda-Zwecke missbrauchen lassen. So zwang der ägyptische Präsident Hosni Mubarak, den Mobilfunkbetreiber Vodafone während der eskalierenden Unruhen in seinem Land zum Versand von staatlicher Propaganda via SMS: "Hütet Euch vor Gerüchten und hört die Stimme der Vernunft", mahnte er etwa die Jugend Ägyptens. Dass Mubarak inzwischen gestürzt wurde, ist hingegen auch den Massenmedien der Sozialen Netzwerke zu verdanken. Doch dass die ihrerseits längst von Propaganda unterwandert sind, dürfte ein offenes Geheimnis sein – zumal "propaganda" zum Beispiel auf Spanisch nichts weiter als "Werbung" heißt.


Susanne Böllert, wissen.de-Redaktion
 

Mehr Artikel zu diesem Thema

Weitere Lexikon Artikel

Weitere Artikel aus dem Großes Wörterbuch der deutschen Sprache

Weitere Artikel aus dem Wahrig Synonymwörterbuch

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon