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Tierarten, die durch den Klimawandel entstehen

Der Klimawandel hat ernste Folgen für unseren Planeten: die Temperaturen steigen, Naturkatastrophen mehren sich und die Polkappen schmelzen. Doch der Klimawandel bewirkt auch etwas, was man auf den ersten Blick nicht erwarten würde. Er begünstigt die Entstehung von sogenannten Hybriden, also von Tieren, deren Eltern zwei verschiedenen Arten angehören. Aber warum ist das so? Welche „neuen“ Tiere gibt es bereits? Und wie geht es weiter mit ihnen?
AMA, 27.02.2023
Liger
Hybridisierung ist in der Natur kein Sonderfall. Ein bekanntes Beispiel sind Liger und Töwen, die aus der Kreuzung von Löwen und Tigern hervorgehen.

old3310, GettyImages

Ein Hybridtier entsteht, wenn seine Eltern verschiedenen Unterarten, Arten oder sogar Gattungen angehören. Liger sind zum Beispiel eine Mischung aus Löwe und Tiger. Und sogenannte Schiegen entstehen, wenn ein Schaf und eine Ziege miteinander Nachwuchs zeugen. Beide Hybride entstehen allerdings eher in Gefangenschaft und durch gezielte menschliche Züchtung. Doch auch in der freien Wildbahn kommt es zu Hybriden. Der Klimawandel sorgt sogar dafür, dass immer mehr dieser Mischlinge entstehen.

Was hat der Klimawandel mit Hybriden zu tun?

Der fortschreitende Klimawandel erhöht die Wahrscheinlichkeit für Hybride auf mehrere Weisen. Erstens fallen durch ihn geografische Barrieren weg, die zuvor verschiedene Arten voneinander getrennt haben. Ein Beispiel dafür sind die Eisschilde der Arktis, die immer weiter schmelzen und so Begegnungen zwischen arktischen und subarktischen Tieren ermöglichen.

Zweitens haben einige Tiere aufgrund steigender Temperaturen ihre Reviere verlagert. Auf der Suche nach kühleren Jahreszeiten ziehen sie nordwärts oder besiedeln höhere Lagen. In beiden Fällen treffen sie dabei auf verwandte Arten, mit denen sie vorher so gut wie keinen Kontakt hatten. Dadurch können sie sich nun mit ihnen paaren.

Drittens sorgen die veränderten Temperaturen dafür, dass sich die Paarungszeiten mehrerer Arten verschieben und sich dadurch überlappen. Dadurch können sich jetzt auch Tiere miteinander paaren, die zwar schon immer denselben Lebensraum geteilt haben, aber zuvor zu unterschiedlichen Zeiten fruchtbar waren.

Grolar oder Pizzlybär
Hybride aus Eisbär und Grizzly werden auch als Cappuccino-Bären bezeichnet. Andere Namen sind Pizzly-Bär und Grolar-Bär.

Philippe Clement, Getty Images

Erstes neues Tier: Der Pizzly-Bär

Ein Hybride, der sich in Zukunft wahrscheinlich weiter ausbreiten wird, ist der Pizzly-Bär – auch Grolar Bär oder Cappuccino-Bär genannt. Die ersten beiden Begriffe setzen sich aus dem englischen Wort für Eisbär (polar bear) und Grizzly-Bär zusammen. Der Name verrät also: Die Tiere sind Kreuzungen aus Eisbär und Grizzly. Die beiden Arten treffen immer häufiger aufeinander, weil das Eis der Arktis schmilzt. Das zwingt die Eisbären dazu, mehr Zeit auf dem Festland zu verbringen. Dort treffen sie auf Grizzlys, die gleichzeitig in den Norden gewandert sind, weil sie dort nicht so stark bejagt werden.

Wissenschaftler gehen davon aus, dass Pizzly-Bären besser an das Leben auf dem arktischen Festland angepasst sind als reine Eisbären. Deren Gebiss ist nämlich nur auf weiche Nahrung wie Robbenfleisch und -speck ausgelegt, wohingegen Pizzyls mit ihrem „gemischten“ Gebiss eine viel größere Bandbreite an Nahrung zur Verfügung steht.

 Braunbären auf Admiralty Island, Alaska
Der Alexander- oder Sitka-Braunbär (Ursus arctos sitkensis) ist eine in Südost-Alaska lebende Unterart des Braunbären, die genetisch enger mit dem Eisbären verbunden ist als andere Braunbären.

Forest Service Alaska Region, USDA from Juneau, Alaska, USA

Zweites neues Tier: Der Narluga

Auch im Meer entstehen Hybride. In den späten 1980er Jahren hat ein Jäger in Westgrönland einen ungewöhnlichen Schädel gefunden, der wie eine Mischung aus Narwal und Beluga aussah. Die DNA-Analysen haben diese Vermutung bestätigt. Wie genau solche „Narlugas“ aussehen, ist nicht bekannt. Die Forschenden vermuten allerdings, dass sie grau sind und einen Schwanz wie ein Narwal, aber Vorderflossen wie ein Beluga haben. Der typische degenartige Stoßzahn des Narwals fehlt ihnen wohl. Auch in diesem Fall ist die ungewöhnliche Paarung erst durch das schmelzende Meereis möglich geworden, das die beiden Arten zuvor voneinander isoliert hatte.

Coywolf
Manche Hybride wie dieser Coywolf sind besser gegen den Klimawandel gerüstet als ihre Eltern

Wirestock, GettyImages

Drittes neues Tier: Der Coywolf

Ein weiterer Hybride, der in Zukunft immer häufiger vorkommen könnte, ist der sogenannte Coywolf. Er ist eine Mischung aus Wolf und Kojote und wird schon seit Jahrzehnten immer wieder an der Ostküste Nordamerikas gesichtet. Coywölfe können sich so gut anschleichen wie Kojoten und haben gleichzeitig den kräftigen Kiefer eines Wolfes. Dadurch sind sie besonders gut an die Jagd auf die in Nordamerika häufigen Weißwedelhirsche angepasst.

Coywölfe sind zwar kein primäres Produkt des Klimawandels, aber haben ihre Existenz dennoch menschlichen Einflüssen zu verdanken. Als die Europäer den Osten Nordamerikas besiedelt hatten, gab es dort immer weniger Platz für Wölfe. Sie wanderten in den Algonquin Park in Ontario ab, wohin es zuvor bereits die Kojoten verschlagen hatte. Offenbar verlief dieses Zusammentreffen zumindest in einigen Fällen äußerst friedlich.

Wie geht es weiter mit den Hybriden?

Es gibt einige Hybride, die besser an ein Leben mit dem Klimawandel angepasst sind als ihre Eltern. Dazu gehört zum Beispiel der Pizzly, aber auch verschiedene Schmetterlings- und Korallenarten. Es könnte also gut sein, dass sich solche Kreuzungen immer weiter ausbreiten, bis sie häufiger als ihre Elternarten vorkommen oder diese sogar völlig ersetzen. Für manche aktuell gefährdeten Arten, darunter die Eisbären, könnten Hybride also die letzte Chance sein, doch noch irgendwie in einer sich erwärmenden Welt zu überdauern, wenn auch in anderer Form. 

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