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Deutschland: Teilung und Einheit

Was meint der Begriff »deutsche Frage«?

Die Bedeutung des Begriffs hat sich durch den Lauf der Geschichte geändert. Im 19. sowie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts umfasste der Begriff »deutsche Frage« vor allem die Diskussionen um Größe und Aufbau des deutschen Staates. Als dieser nach dem Zweiten Weltkrieg unter Besatzungsherrschaft kam und zwei deutsche Staaten entstanden, war damit vor allem die Frage gemeint, ob und, wenn ja, unter welchen Bedingungen eine Wiedervereinigung stattfinden könnte. Vor allem in der Bundesrepublik Deutschland mochte sich die Politik nicht mit der Teilung des Landes abfinden. Von Bedeutung für die deutsche Frage nach 1945 war außerdem die Frage, ob das den Franzosen unterstellte Saarland wieder in einen deutschen Staat eingegliedert werden würde.

War Österreich Teil eines deutschen Staats?

Was heute abwegig erscheint, wurde in der Vergangenheit wiederholt in Betracht gezogen beziehungsweise in die Tat umgesetzt. Österreich hatte vor der Reichsgründung durch Bismarck zu den tonangebenden Mächten in Deutschland bzw. im Deutschen Bund gehört, aber Bismarck wählte 1871 die kleindeutsche Lösung ohne Österreich. Das nationalsozialistische Deutschland ließ den Anspruch auf Österreich wieder aufleben. Am 12. März 1938 marschierten deutsche Truppen in Österreich ein. Am Tag darauf wurde der »Anschluss« an das Deutsche Reich proklamiert. 1945 sah man Österreich als erstes Opfer der nationalsozialistischen Expansionspolitik und stellte es als eigenständigen Staat wieder her. Mit Erlangung seiner Souveränität 1955 erklärte Österreich seine politische Neutralität.

Warum wurde ein Weststaat gegründet?

Auslöser war der Kalte Krieg. Briten und Amerikaner setzten sich seit Verkündung der Truman-Doktrin 1947 zur Eindämmung des Kommunismus in Europa für die Stärkung Westeuropas ein. Am 1. Juli 1948 überreichten die Militärgouverneure der westlichen Besatzungszonen den Chefs der deutschen Länderregierungen die »Frankfurter Dokumente« zur Einberufung einer verfassunggebenden Versammlung. Um mit der Gründung eines Weststaats nicht endgültig die Chance auf eine Wiedervereinigung der Besatzungszonen zu verhindern, forderten die Länderchefs, dass der neue Staat lediglich als Provisorium anzusehen sei. Deshalb sollte die Verfassung als »Grundgesetz« bezeichnet werden.

Wie entstand die BRD?

Am 23. Mai 1949 wurde das Grundgesetz verkündet und trat am folgenden Tag in Kraft. Der am 14. August gewählte Deutsche Bundestag trat am 7. September 1949 zu seiner ersten Sitzung zusammen. Bundespräsident wurde der Liberale Theodor Heuss (Wahl am 12. September), Bundeskanzler der CDU-Politiker Konrad Adenauer (15. September).

Wie reagierte die Ostzone?

Am 7. Oktober 1949 wurde die DDR gegründet. Zunächst wurden für den 15./16. Mai 1949 Wahlen zum Dritten Deutschen Volkskongress anberaumt. Allerdings stand nur eine Einheitsliste unter Führung der SED zur Wahl. Der Volkskongress bestimmte den Zweiten Deutschen Volksrat, der sich dann am 7. Oktober als Provisorische Volkskammer (Parlament) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zusammensetzte und die Verfassung verkündete. Ministerpräsident der DDR wurde Otto Grotewohl, gleichzeitig Vorsitzender der SED, Wilhelm Pieck, ebenfalls SED-Vorsitzender, wurde Staatspräsident.

Wie verlief in der DDR der Aufbau des Sozialismus?

Die DDR entwickelte sich zu einem sozialistischen Staat nach sowjetischem Vorbild. Die nach dem Prinzip des demokratischen Zentralismus (Unterordnung der niedrigeren unter die jeweils höheren Gremien) aufgebaute SED wurde zur führenden Kraft im Staat, andere Parteien und Organisationen wurden auf »Linie« gebracht oder aufgelöst, politische Gegner verfolgt.

Ab 1952 wurde die Grenze zur Bundesrepublik durch Zäune und einen Todesstreifen abgeschottet. Die zentrale Planwirtschaft wurde vorangetrieben, zu Lasten der Konsumgüter zunächst vermehrt Rüstungsgüter hergestellt und die Landwirtschaft kollektiviert. Das verschlechterte die Versorgungslage. Als die SED-Führung 1953 die Arbeitsnormen heraufsetzte, kam es in Ost-Berlin am 17. Juni zum Aufstand. Streiks und Demonstrationen erfassten fast die gesamte DDR. Der Aufstand wurde durch sowjetische Truppen gewaltsam niedergeschlagen.

Waren die Bundesrepublik Deutschland und die DDR zwei souveräne Staaten?

Da gingen die Meinungen auseinander. Die Bundesrepublik erhob den Anspruch, Gesamtdeutschland zu vertreten: Allein in der Bundesrepublik gebe es freie Wahlen, die DDR sei eine Diktatur. Seit 1955 galt die »Hallstein-Doktrin«. Die Bundesrepublik lehnte diplomatische Beziehungen zu Staaten ab, die Beziehungen zur DDR aufnahmen bzw. aufnehmen wollten. Die DDR aber vertrat seit 1955 die Zwei-Staaten-Theorie, nach der das im Zweiten Weltkrieg untergegangene Deutsche Reich zwei legitime Rechtsnachfolger habe.

Warum Westintegration?

Weil die Bundesrepublik zunächst nicht im Besitz der vollen staatlichen Souveränität war; so lag die Außenpolitik in den Händen der Besatzungsmächte. Konrad Adenauer trieb die Westbindung voran, um nach und nach einen souveränen Status zu erlangen, auch wenn dies eine Wiedervereinigung Deutschlands immer unwahrscheinlicher machte.

1951 trat die Bundesrepublik zunächst dem Europarat bei, im selben Jahr erfolgte die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion), die Vorstufe für die 1957 gebildete Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG).

Welche Entscheidung fiel 1957 in der Saar-Frage?

Die Saar blieb deutsch. Nach 1945 forderte Frankreich die Abtrennung des Saarlands von Deutschland sowie dessen Eingliederung in das französische Währungs- und Zollsystem. 1946 wurde es aus der französischen Besatzungszone ausgegliedert und zur Sonderzone ernannt. 1949 trat die Zollunion mit Frankreich in Kraft; der freie Waren- und Personenverkehr mit der französischen Besatzungszone in der Bundesrepublik wurde verboten. Eine Volksabstimmung brachte keine Mehrheit für das Saarstatut, d. h. eine Europäisierung des Saarlands. Daraufhin unterzeichneten Frankreich und die Bundesrepublik den Saar-Vertrag, der das Gebiet am 1. Januar 1957 als neues Land in das Bundesgebiet eingliederte.

Wie kam es zur Wiederbewaffnung?

Auslöser war der 1950 ausgebrochene Koreakrieg. Die Westalliierten und die Bundesrepublik befürchteten, dass der Krieg zwischen dem kommunistischen Nordkorea und dem westlich orientierten Süden Auswirkungen auf das geteilte Deutschland haben könnte. Als Adenauer vorschlug, westdeutsche Truppen für die zu gründende Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zur Verfügung zu stellen, schlossen die Westalliierten mit der Bundesrepublik den Deutschlandvertrag, mit dem die Bundesrepublik ihre innere und äußere Souveränität erlangen sollte. Der Deutschlandvertrag wurde am 26. Mai 1952 unterzeichnet, der EVG-Vertrag am folgenden Tag. Allerdings kippte das französische Parlament 1954 die Ratifizierung des EVG-Vertrags.

Was sollten die Stalin-Noten erreichen?

Ihr Zweck war es, die Westintegration zu verhindern. Kurz vor Unterzeichnung des Deutschlandvertrags machte der sowjetische Diktator Josef Stalin in den »Stalin-Noten« den Westalliierten den Vorschlag, Deutschland wiederzuvereinigen, allerdings unter der Bedingung der politischen Neutralität. Der Westen reagierte verhalten, die Westbindung wurde vorangetrieben. 1955 wurde die Bundesrepublik Deutschland in das transatlantische Verteidigungsbündnis NATO aufgenommen.

Warum wurde die Berliner Mauer gebaut?

Um das einzige noch offene Tor zur Bundesrepublik zu schließen. Die in der UdSSR durch Chruschtschow ab 1956 eingeleitete Entstalinisierung weckte in der DDR Hoffnung auf Reformen, doch die SED unter Walter Ulbricht unterdrückte jede Kritik. Ende der 1950er Jahre führten die Vergesellschaftung der Landwirtschaft sowie die Versorgungskrise zu verstärkten Fluchtbewegungen. Über Berlin setzten sich viele in den Westen ab. Um die Massenflucht einzudämmen, wurde in der Nacht vom 12. auf den 13. August 1961 mit dem Bau der Berliner Mauer begonnen, die den Ostteil vom Westteil der Stadt abriegelte.

Was war die innerdeutsche Haltung zur Teilung?

Die Bundesrepublik fand sich nie mit der Teilung ab, während sich die DDR nach und nach von gesamtdeutschen Vorstellungen verabschiedete. 1949 waren mit der BRD und der DDR zwei Staaten auf deutschem Boden entstanden. Die Gebiete östlich von Oder und Neiße waren nach 1945 von der UdSSR und Polen okkupiert worden. Während die BRD sich dem Westen anschloss, wurde die DDR zum sowjetischen Satellitenstaat. Die bundesdeutsche Politik akzeptierte die Teilung Deutschlands jedoch nie, was auch im Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes zum Ausdruck kam und sich im Anspruch als einzig legitimer Nachfolger des Deutschen Reichs, für alle Deutschen zu sprechen, manifestierte. Die DDR-Führung richtete sich mit der Zwei-Staaten-Theorie ein, nach der aus dem Deutschen Reich zwei souveräne deutsche Staaten hervorgegangen seien. Erst mit der Ostpolitik von Bundeskanzler Willy Brandt akzeptierte die Bundesrepublik Deutschland Anfang der 1970er Jahre den politischen Ist-Zustand.

Was bewirkte die neue Ostpolitik unter Brandt?

Eine innerdeutsche Annäherung. Die 1969 gebildete sozialliberale Regierung unter Bundeskanzler Willy Brandt erkannte die Existenz zweier deutscher Staaten an. 1970 fanden erstmals innerdeutsche Treffen auf höchster Ebene statt. Im selben Jahr schloss die Bonner Regierung Abkommen mit der Sowjetunion und Polen (Moskauer und Warschauer Vertrag), mit denen die Bundesrepublik u. a. die Oder-Neiße-Linie als Westgrenze Polens anerkannte.

Die Ostverträge waren die Voraussetzung für das Viermächteabkommen über Berlin von 1971, mit dem die UdSSR u. a. die Transitwege durch die DDR nach West-Berlin garantierte. Zu den großen Erfolgen von Brandts Ostpolitik gehörte auch der Abschluss des Grundlagenvertrags 1972, mit dem die Bundesrepublik und die DDR ihre Beziehungen auf der Grundlage der »Gleichberechtigung« normalisierten.

Wie kam es zum Misstrauensvotum gegen Kanzler Brandt?

Die Ostpolitik Brandts war vor allem in der CDU/CSU umstritten. 1972 versuchte Oppositionsführer Rainer Barzel daher Brandt mit einem konstruktiven Misstrauensvotum zu stürzen – und scheiterte. Die Neuwahlen vom November brachten der SPD das beste Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik ein. 1974 trat Brandt jedoch wegen der Affäre um Günter Guillaume, den DDR-Spion im Kanzleramt, zurück. Neuer Bundeskanzler wurde Wirtschafts- und Finanzminister Helmut Schmidt.

Was bestimmte Helmut Schmidts Kanzlerschaft?

Nach Wirtschaftswachstum und Vollbeschäftigung mit einer kurzen Rezessionsphase (1966/67) stieg die Arbeitslosenzahl in der Ölkrise 1974 stark an (von 270000 auf rund 580000), weshalb Schmidt als vordringliches Ziel die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit nannte. Die SPD-FDP-Regierung versuchte der steigenden Arbeitslosenzahl (erneute Verdopplung 1974/75) gegenzusteuern, indem sie u. a. Subventionen verteilte und Investitionen steuerlich förderte. Dies blieb ohne durchschlagenden Erfolg, stattdessen stieg die Staatsverschuldung bis Ende der 1970er Jahre.

Was war Kanzler Schmidts größte Herausforderung?

Das war der so genannte »Deutsche Herbst« 1977, in dem der Terrorismus einen Höhepunkt erreichte. Die Rote Armee Fraktion entführte den Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer, um inhaftierte Gesinnungsgenossen freizupressen. Zur Unterstützung dieser Forderung kidnappten palästinensische Terroristen das Passagierflugzeug »Landshut«. Kanzler Schmidt ließ die »Landshut« in Mogadischu (Somalia), wohin sie nach einem Irrflug gelangt war, vom Bundesgrenzschutz stürmen und die Geiseln befreien. Die in Stuttgart-Stammheim inhaftierten RAF-Terroristen begingen daraufhin Selbstmord.

Warum Nachrüstung?

Die Entscheidung der NATO von 1979, atomare Mittelstreckenwaffen in Europa zu stationieren, sofern die Sowjetunion nicht auf ebensolche Waffensysteme verzichte (NATO-Doppelbeschluss), ließ die Friedensbewegung und die neu gegründete Partei »Die Grünen« erstarken. Als die UdSSR ihre Raketen stationierte, reagierte die NATO mit der »Nachrüstung«, die Kanzler Schmidt zunehmend mit seiner eigenen Partei in Konflikt brachte. Auch die Regierung aus Union und FDP, die sich nach dem Ausstieg der FDP aus der Koalition mit der SPD und dem erfolgreichen konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt 1982 gebildet hatte, hielt wie ihre Vorgängerin an der Nachrüstung fest.

Was bestimmte die Politik unter Kohl?

Unter Kanzler Helmut Kohl leitete die Regierung zur Konsolidierung des Staatshaushalts sozialpolitische Maßnahmen ein, die bei SPD und Gewerkschaften auf Widerstand stießen. Außenpolitisch behielt die Regierung Kohl-Genscher trotz des sowjetischen Einmarsches in Afghanistan (1979) und Aufrüstungspolitik der USA den Entspannungskurs gegenüber der DDR bei. Gleichzeitig trieb die Bundesrepublik mit großem Erfolg die europäische Integration voran und gestaltete maßgeblich die Einführung des Euro.

Wodurch wurde das Ende der DDR eingeleitet?

Nachdem Erich Honecker 1971 Erster Sekretär der SED geworden war, nahmen wirtschaftliche Probleme und Staatsverschuldung stark zu. Anfang der 1980er Jahre gewannen Menschen- und Bürgerrechtsgruppen großen Zulauf. Vor allem in der Kirche bildeten sich Gruppen wie die Friedensbewegung.

Als 1985 Michail Gorbatschow Generalsekretär der KPdSU wurde und seine Reformpolitik unter den Schlagwörtern Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umgestaltung) verkündete sowie verschiedene Spielarten des Sozialismus akzeptierte, stieß dies in den Reihen der SED weitgehend auf Ablehnung, denn politische und wirtschaftliche Reformen hätten die eigene Machtposition geschwächt. In der Bevölkerung fielen die Ideen Gorbatschows jedoch auf fruchtbaren Boden. Die Zahl der Ausreiseanträge nahm ab Mitte der 1980er Jahre kontinuierlich zu, und oppositionelle Gruppen gewannen an Zulauf.

Wie verlief die friedliche Revolution in der DDR?

Mitte 1989 setzte über Ungarn eine Massenflucht von DDR-Bürgern in den Westen ein. Die ungarischen Behörden hatten die Grenze nach Österreich geöffnet. In der bundesdeutschen Botschaft in Prag sammelten sich ausreisewillige Bürger der DDR. Die Oppositionsbewegung machte bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig ihre Forderungen nach Freiheit deutlich. Alle Faktoren zusammen hatten eine Dynamik entwickelt, der sich die Staats- und Parteiführung der DDR nicht länger entgegenstellen konnte. Am 18. Oktober 1989 wurde Erich Honecker aufgrund der Massenproteste für mehr Freiheit und Reformen gezwungen, seine Staats- und Parteiämter niederzulegen. Am 8. November trat dann das gesamte Politbüro des ZK der SED geschlossen zurück. Einen Tag später verkündete die SED die Öffnung der Grenzen zur Bundesrepublik. Nach fast vier Jahrzehnten war die Berliner Mauer, die symbolhaft für die Teilung der Welt in zwei Blöcke stand, gefallen.

Was geschah weiter auf dem Weg zur Einheit?

Im Frühjahr 1990 gab es in der DDR erstmals freie Wahlen zur Volkskammer. Auf internationaler Ebene fanden Gespräche mit den ehemaligen Kriegsalliierten über die Herstellung der deutschen Einheit statt, die so genannten Zwei-plus-vier-Verhandlungen. Am 1. Juli 1990 wurde die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion gebildet. In der Nacht vom 23. auf den 24. August beschloss die Volkskammer den Beitritt der ostdeutschen Länder zur BRD. Mit dem Zwei-plus-vier-Vertrag vom 12. September 1990 war der Weg frei. Am 20. September unterzeichneten die deutschen Parlamente den Einigungsvertrag, seit dem 3. Oktober 1990 gibt es nur noch einen deutschen Staat.

Ist die »Deutsche Frage« gelöst?

Ja. Nach der staatlichen Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990, ihrer außenpolitischen Absicherung durch den Vertrag der vier Siegermächte des Zweiten Weltkriegs und der beiden deutschen Staaten (12. September 1990), der völkerrechtlichen Anerkennung der Oder-Neiße-Linie im Deutsch-Polnischen Grenzvertrag (14. November 1990) und der Integration des vereinten Deutschlands in die Europäische Union sowie die NATO ist die deutsche Frage gelöst.

Wer regierte Deutschland nach der Wiedervereinigung?

Zunächst die CDU/CSU-FDP-Koalition unter Helmut Kohl. Der wirtschaftliche Aufbau Ostdeutschlands gestaltete sich jedoch schwierig. Erst nach und nach wurde das Ausmaß der Misere offenbar, die vier Jahrzehnte sozialistischer Misswirtschaft hinterlassen hatten. Die Kosten für den Wiederaufbau der neuen Bundesländer überstiegen alle Erwartungen.

Die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die hohen finanziellen Belastungen durch den Wiederaufbau im Osten und die steigende Erwerbslosigkeit brachte 1998 eine Koalition aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen an die Regierung. Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) bereitete den Ausstieg aus der Atomenergie vor und ging gesellschaftspolitische Reformen an (u. a. Staatsangehörigkeit, Zuwanderung, Gleichstellung). Angesichts gewaltiger Strukturprobleme traten die Sanierung der Staatsfinanzen und der Umbau des Sozialstaats ins Zentrum des Handelns. Im November 2005 wurde Angela Merkel (CDU) Bundeskanzlerin, sie regiert mit einer Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD.

Was bestimmte die jüngste Außenpolitik?

Deutschland war zunehmend mit Krisenmanagementaufgaben konfrontiert, die (mit der NATO) auch ein militärisches Engagement erforderten, z. B. in Bosnien-Herzegowina (ab 1995) und im Kosovo-Konflikt 1999. Auch an UNO-Missionen nehmen deutsche Soldaten teil, wie in Afghanistan (IFOR, ab 2001). Eine Beteiligung an dem von den USA forcierten Krieg gegen den Irak lehnte die rot-grüne Regierung 2003 ab.

Wie sah das Deutsche Reich aus?

Das von Bismarck 1871 geschaffene Deutsche Reich war ein stark föderalistisch geprägter und von Preußen dominierter Nationalstaat; die meist von Fürsten und Königen beherrschten Einzelstaaten hatten über den Bundesrat großen Einfluss. Dagegen verfügte das deutsche Parlament, der Reichstag, über vergleichsweise wenig Macht in der konstitutionellen Monarchie mit dem Preußenkönig als deutschem Kaiser an der Spitze.

Was waren wichtige Stationen in Konrad Adenauers Politikerlaufbahn?

Der am 5.1.1876 in Köln geborene Jurist und Volkswirt trat 1905 der Deutschen Zentrumspartei bei und wurde 1917 Oberbürgermeister von Köln. Von 1921 bis 1933 war er Präsident des Preußischen Staatsrats. Nach der Machtergreifung setzten ihn die Nationalsozialisten 1933 als Oberbürgermeister ab (1944 verhaftet). 1945 ernannte ihn die britische Besatzungsmacht zum Kölner Oberbürgermeister; im selben Jahr gründete er die CDU im Rheinland (Bundesvorsitzender 1950–1966). Ab 1946 führte er die Landtagsfraktion der nordrheinwestfälischen CDU. 1948 wurde er Präsident des Parlamentarischen Rats und 1949 zum ersten deutschen Bundeskanzler gewählt (im Amt bis 1963). Adenauer betrieb die Integration der BRD in die westliche Staatengemeinschaft und die Aussöhnung mit Frankreich. Er starb am 19.4.1967 in Rhöndorf bei Bonn.

Wussten Sie, dass …

in den Parlamentarischen Rat, der das Grundgesetz erarbeitete, pro 750 000 Einwohner eines Landes je ein Vertreter entsandt wurde, der in indirekter Wahl bestimmt wurde?

man hoffte, dass ein großer wirtschaftlicher und politischer Erfolg des Weststaats zu einer Eingliederung der Sowjetischen Besatzungszone führen würde (Magnettheorie)?

Wie vollzog sich Willy Brandts politischer Aufstieg zum Kanzler?

Der am 18.12.1913 in Lübeck geborene Brandt trat 1930 der SPD bei, schloss sich 1931 einer Abspaltung, der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), an. 1933 floh er vor den Nationalsozialisten nach Norwegen und 1940 nach Schweden. Nach Kriegsende kehrte er als Journalist nach Deutschland zurück. Ab 1948 gehörte er dem Parteivorstand der Berliner SPD an, 1949 wurde er Mitglied des Deutschen Bundestags. 1957–1966 war Brandt Regierender Bürgermeister von Berlin. Parteivorsitzender der SPD war er 1964 (bis 1987). In der Großen Koalition mit der Union (1966–1969) war Brandt Außenminister und Vizekanzler, bis er 1969 zum Bundeskanzler gewählt wurde. Für seine Entspannungspolitik gegenüber dem Ostblock erhielt er 1971 den Friedensnobelpreis. Am 6. Mai 1974 trat Brandt als Kanzler wegen des Skandals um den DDR-Spion Günter Guillaume zurück. Brandt starb am 8.10.1992 in Unkel/Rhein.

Wussten Sie, dass …

beim Aufstand in Ost-Berlin am 17. Juni 1953 neben besseren sozialen Verhältnissen, auch freie Wahlen und die Wiedervereinigung gefordert wurden?

die »friedliche Revolution« seit Mitte 1989 in der DDR nur friedlich blieb, weil die Sowjetunion nicht eingriff und deshalb auch das DDR-Regime auf eine gewaltsame Niederschlagung verzichtete?

Wie wurde Erich Honecker zum mächtigsten Mann der DDR?

Der am 25.8.1912 in Wiebelskirchen bei Neukirchen/Saar geborene Erich Honecker trat 1930 der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) bei und wurde Mitglied des Roten Frontkämpferbundes. Von den Nationalsozialisten 1937 zu zehn Jahren Haft verurteilt, konnte er 1945 fliehen und baute in der Sowjetischen Besatzungszone die Freie Deutsche Jugend (FDJ) auf (Vorsitzender 1946–1955). Im selben Jahr wurde er Mitglied des SED-Parteivorstands, 1949 des Zentralkomitees (ZK) und der Volkskammer der DDR (bis 1989). 1958 wurde Honecker nach Parteichef Walter Ulbricht der mächtigste Mann in der DDR, den er 1971 stürzte. 1989 als Generalsekretär abgesetzt, entzog er sich strafrechtlichen Ermittlungen durch Flucht nach Moskau. 1992 zurückgekehrt, wurde das Verfahren im Jahr darauf wegen des Gesundheitszustands Honeckers eingestellt. Honecker starb am 29.5.1994 in Santiago de Chile.

Wie wurde Helmut Kohl zum Kanzler der Einheit?

Der am 3.4.1930 in Ludwigshafen/ Rhein geborene Helmut Kohl studierte von 1950 bis 1956 Jura, Sozial-, Staatswissenschaften und Geschichte. 1959 wurde er Landtagsabgeordneter in Rheinland-Pfalz und 1966 Landesvorsitzender der CDU. Ministerpräsident des Landes war er von 1969 bis 1976, ab 1973 (bis 1998) führte er auch die Bundes-CDU. 1976 ging Kohl als Oppositionsführer in die Bundespolitik, nach dem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Helmut Schmidt (SPD) 1982 wurde er zum Bundeskanzler gewählt. Dieses Amt hatte er, gestützt auf eine Koalition zwischen CDU/CSU und FDP, bis 1998 inne. In seine Kanzlerschaft fiel die Wiedervereinigung Deutschlands, für die er sich neben der politischen Einigung Europas vehement einsetzte. Nach der Bundestagswahl 1990 wurde er 1991 zum ersten gesamtdeutschen Kanzler gewählt.

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