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Wie unser Gehirn Dinge erkennt
Im Alltag sind wir ständig von unzähligen Dingen umgeben – Möbeln, Geschirr, Technikutensilien oder Kleidung aber auch Tieren aller Art und natürlich Mitmenschen. Aber woher wissen wir eigentlich, was wir da vor uns sehen? Ohne dass wir uns bewusst anstrengen müssten, erkennt unser Gehirn quasi automatisch, um was es sich handelt und ordnet sie in die richtige Kategorie ein.
Der geistige Sortiervorgang bringt Ordnung ins Chaos und reduziert die Unendlichkeit der Welt auf ein fassbares Maß. Dabei ist es unerheblich, ob die gedachte Ordnung tatsächlich der Realität entspricht und einer wissenschaftlichen Überprüfung standhält. So wurden früher zum Beispiel Fledermäuse zu den Vögeln und Biber zu den Fischen gezählt, bis es unvermeidlich wurde, die Zuordnungen aufgrund neuer Erkenntnisse anzpassen.
Aber wie macht unser Gehirn das? Immerhin ist das eine Aufgabe, die auch künstliche Intelligenz lange lernen und trainieren muss. Die Maschinenhirne merken sich dabei meist bestimmte Schlüsselmerkmale, die ihnen helfen, das gesehene Objekt einzuordnen. Ähnlich macht es auch unser Gehirn. Aber welche Merkmale nutzt es dafür? Und wie viele Eigenschaften eines Objekts muss es vergleichen, bis es dieses von anderen unterschieden kann?
Welches Objekt passt nicht dazu?
Das hat ein Forscherteam um Martin Hebart vom National Institute of Mental Health in einem Experiment untersucht. Dafür zeigten sie knapp 5.500 Testpersonen jeweils verschiedene Kombinationen von drei Objekten und baten sie, das Objekt anzugeben, das den anderen beiden am unähnlichsten war. „Daraus lässt sich ableiten, was als besonders ähnlich und was als besonders typisch für eine Kategorie empfunden wird“, erklärt Hebart.
Der Clou dabei: Gerade aus den individuellen Unterschieden bei diesem Test geht am besten hervor, welche Eigenschaften relevant sind. So kann eine Person bei der Dreierkombination Koala, Brezel und Teppich den Koala als unähnlichsten aussortieren, weil er als einziger ein Tier und damit belebt ist. Eine andere Person wählt jedoch die Brezel als unähnlich, weil Teppich und Koala beide flauschig sind. Das zeigt, dass sowohl „tierisch“ als auch „flauschig“ relevante Merkmale sein können.
Durch die insgesamt 1,5 Millionen Dreierkombinationen und die Entscheidungen ihrer Probanden konnten die Forscher so ermitteln, nach welchen Merkmalen Menschen Dinge kategorisieren und gruppieren.
49 Merkmale – von rund bis „irgendwas mit Wasser“
Das Experiment enthüllte: Unser Gehirn benötigt nur 49 Merkmale, um nahezu jedes Objekt zu erkennen und zu kategorisieren. Zu diesen Merkmalen gehören beschreibende Eigenschaften wie rund, farbig, klein oder groß, aber auch übergeordnete Kategorisierungen wie die Funktion, die Zugehörigkeit zu einer Organismengruppe oder der Wert. Ebenfalls enthalten ist beispielsweise, ob ein Ding aus einem großen, oder aus vielen kleinen, sich ähnlichen Teilobjekten besteht – wie ein Teller Spaghetti.
„Unsere Ergebnisse zeigen, wie wenige Eigenschaften es eigentlich braucht, um alle Objekte in unserer Umgebung zu charakterisieren“, sagt Hebart. „Im Grunde erklären wir damit die Grundprinzipien unseres Denkens, wenn es um Objekte geht.“ Unklar ist allerdings noch, ob die relevanten Merkmale bei allen Menschen die gleichen sind: „Wie werden sie vom Geschlecht, dem Alter, der Kultur, der Bildung und anderen soziodemografischen Faktoren beeinflusst?“, fragen die Forscher. Und welche Rolle spielt die Vertrautheit der Person mit den fraglichen Objekten? All dies müssen nun weitere Experimente untersuchen.