wissen.de Artikel

Wie wirkt sich ein Abschied vom Homeoffice auf die Gesundheit aus?

Seit der Corona-Pandemie ermöglichen immer mehr Arbeitgeber das Arbeiten von zu Hause aus. Einige Unternehmen in den USA fordern nun jedoch eine Rückkehr an den Büroschreibtisch – zur Steigerung der Produktivität. Aber was würde das Ende der Homeoffice-Möglichkeiten mit uns machen? Und wie würde es sich auf unsere psychologische Gesundheit auswirken?
SSC / Hochschule Coburg, 26.02.2025
Laptop-Screen mit den Teilnehmern einer Video-Konferenz

© Jacob Wackerhausen, iStock

Während der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen Homeoffice-Regelungen eingeführt, die zum Teil bis heute Bestand haben. Ursprünglich sollte die Arbeit in den eigenen vier Wänden den Kontakt zu anderen und somit die Ansteckungsgefahr verringern, doch viele Mitarbeiter haben auch die zusätzlichen Freiheiten einer Arbeit im Homeoffice schätzen gelernt. US-amerikanische Unternehmen wie die Bank JPMorgan und die Tech-Unternehmen Google und Amazon fordern nun allerdings eine Rückkehr ins Büro oder haben bereits entsprechende Regelungen eingeführt. Niko Kohls von der Hochschule Coburg forscht unter anderem zu Gesundheitspsychologie und Stressbewältigung. Im Interview bewertet er den Abschied vom Homeoffice aus gesundheitlicher und psychologischer Sicht.

In der Pandemie war es die Rettung, jetzt soll sie der Sündenbock sein. Ergibt es Sinn, jetzt wieder alle ins Office zurückzuholen?

Niko Kohls: Diese Beobachtung ist richtig, vergessen sollte man jedoch keinesfalls: Homeoffice ist nur bei bestimmten Tätigkeiten möglich. Ein Kollege hat mal sehr passend festgestellt, dass Unternehmen aus diesem Grund organisatorisch oft „ausfransen“. Die aktuell oft geforderte starre Rückkehrpflicht ins Büro ist jedoch umstritten. Während gemeinsame Bürozeit Kommunikation, Vertrauen und Teamgeist stärkt, bietet Homeoffice vermeintlich mehr Flexibilität und Autonomie.

Eine starre Rückkehr könnte zwar den Austausch fördern, aber auch Fachkräfte abschrecken, die es gewohnt sind, selbstbestimmt zu arbeiten. Sinnvoller scheinen mir hybride Modelle, die Zusammenarbeit ermöglichen, ohne zusätzliche Belastungen zu schaffen und als gerecht empfunden werden. Unternehmen sollten stärker auf Ergebnisse statt auf Präsenz setzen, um Gleichstellung und Produktivität zu fördern.

Was macht das aus psychologischer Sicht mit den Mitarbeitenden? Hat das auch gesundheitliche Auswirkungen?

Die Arbeitsweise und das Arbeitsumfeld beeinflussen das Wohlbefinden, die Gesundheit und Motivation der Mitarbeitenden. Eine erzwungene Rückkehr ins Büro kann Stress, Frustration und Motivationsverlust verursachen, besonders bei jenen, die sich an die Autonomie und Flexibilität des Homeoffice gewöhnt haben.

Andererseits kann dauerhaftes Homeoffice soziale Isolation und Entgrenzung von Arbeit und Privatleben verstärken. Frauen sind hier besonders betroffen, da sie im Homeoffice oft eine Doppelbelastung erleben. Dies kann zu Erschöpfung, erhöhtem Burnout-Risiko und verminderter Arbeitszufriedenheit führen. Ein hybrides Modell könnte helfen, die Vorteile beider Welten zu nutzen und psychische sowie physische Gesundheit zu schützen.

Es gibt Stimmen, die fordern, in Deutschland müsse mehr gearbeitet werden. Geht das überhaupt? Welche Auswirkungen kann das auf Gesundheit und Psyche haben – und welche Botschaft vermittelt das der Bevölkerung?

Ob eine längere Arbeitszeit geht und sinnvoll ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die WHO betont die Bedeutung gesundheitsförderlicher Rahmenbedingungen, und Studien zeigen: Mehr als acht Stunden Arbeit täglich erhöhen das Risiko für Stress, Schlafprobleme, Angst und Herzkrankheiten. Viele Berufsgruppen arbeiten bereits an der Belastungsgrenze – fragen Sie mal eine Pflegekraft auf einer Intensivstation oder einen Polizisten im Schichtdienst.

Eine generelle Erhöhung der Arbeitszeit könnte Produktivität eher mindern als fördern. Psychologisch vermittelt sie das Signal, dass bisherige Leistung nicht ausreicht, was Frustration und Demotivation verstärken kann. Andererseits müssen wir international wettbewerbsfähig bleiben. Die Diskussion wird nach der Wahl sicher an Fahrt aufnehmen.

Kein Lohn ab erstem Krankheitstag? Ist das eine faire Forderung? Wie könnte die Reaktion der Arbeitnehmenden bei so einem Beschluss ausfallen?

Die Forderung nach Lohnausfall ab dem ersten Krankheitstag trifft vor allem Geringverdienende und chronisch Kranke hart. Sie könnte dazu führen, dass Arbeitnehmende trotz Krankheit arbeiten (Präsentismus), was langfristig die Produktivität und Gesundheit gefährdet.

Corona hat uns doch gezeigt, dass kranke Mitarbeitende am Arbeitsplatz Infektionen verstärken können – mit höheren Ausfällen für alle. Psychologisch sendet die Regel das Signal, dass Krankheit individuelles Versagen ist. Die Reaktion dürfte von Unmut bis zu taktischen Krankmeldungen reichen.

Das Interview führte Andreas T. Wolf.

Weitere Artikel aus dem Wahrig Herkunftswörterbuch

Weitere Artikel aus dem Vornamenlexikon