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Wie funktioniert ein Herzschrittmacher – und wer braucht ihn?

In Deutschland leben hunderttausende Menschen mit einem Herzschrittmacher im Brustkorb – einem Gerät, das ihrem Herzen den Takt vorgibt und gegen Rhythmusstörungen hilft. Was heute fast schon Routine ist, war jedoch vor 65 Jahren, zur Zeit des allerersten Herzschrittmachers, noch unvorstellbar. Was hat sich seitdem getan? Wie funktionieren die kleinen Helfer? Und stimmt es, dass man nach einer Herzschrittmacher-OP elektrischen Geräten nicht zu nahe kommen sollte?
AMA, 09.10.2023
Herzschrittmacher

© Jan-Otto, GettyImages

Unser Herz ist ein echtes Wunder: Jede einzelne Sekunde unseres Lebens pumpt es Blut durch unseren Körper und versorgt uns so optimal mit Sauerstoff und Nährstoffen. Gut 100.000 Schläge am Tag sind dafür nötig. Doch längst nicht jedes Herz ist so leistungsfähig. Durch verschiedene Erkrankungen kann es auf einmal deutlich langsamer schlagen als es sollte, Mediziner sprechen dann von einer Bradykardie. Betroffene sind dadurch weniger belastbar, spüren öfter Schwindel oder fallen sogar immer wieder in Ohnmacht. In anderen Fällen gerät das Herz immer wieder komplett aus dem Takt, es kommt zu Herzrhythmusstörungen wie dem gefährlichen Kammer- oder Vorhofflimmern. Hilfe verspricht in beiden Fällen ein implantierter Herzschrittmacher.

Münzgroßer Lebensretter

Moderne Herzschrittmacher bestehen aus einem Schrittmacheraggregat und ein bis drei hauchfeinen Sonden. Das Aggregat ist gerade einmal so groß wie zwei aufeinander liegende Zwei-Euro-Münzen und beinhaltet die nötige Technik, um das Herz mit gezielten Stromimpulsen so zu stimulieren, dass es schnell genug schlägt. Diese Impulse gelangen über die Sonden – dünne, kunststoffummantelte Kabel mit Elektroden an der Spitze – bis zum Herzmuskel. Dort geben die Elektroden kurze Stromimpulse, die eine Kontraktion des Herzens auslösen und ihm den Takt vorgeben. Angetrieben wird der Schrittmacher mit einer Lithiumbatterie, die mindestens sieben bis zehn Jahre hält.

An welchen Stellen und mit wie vielen Sonden ein Herz stimuliert werden muss, hängt von der Ursache der Herzrhythmusstörungen ab. Der Herzmuskel besteht aus dem rechten und dem linken Vorhof sowie der rechten und der linken Herzkammer. Normalerweise pumpt das Herz Blut durch den Körper, indem sich zunächst die Vorhöfe und anschließend die Herzkammern synchronisiert zusammenziehen. Die Impulse für die Vorhöfe stammen vom sogenannten Sinusknoten, die für die Herzkammern vom AV-Knoten. Die Probleme liegen in der Regel also bei einem von beiden.

Bei einer Erkrankung des Sinusknotens kommt meist ein sogenannter Einkammer-Schrittmacher zum Einsatz, der entweder den rechten Vorhof oder die rechte Herzkammer mit einer einzelnen Sonde stimuliert. Ein Zweikammer-Schrittmacher besteht aus zwei Sonden, sie sowohl den rechten Vorhof als auch die rechte Kammer stimulieren. Sie kommen bei Problemen mit dem AV-Knoten in Frage. Die seltenste Variante sind Dreikammer-Schrittmacher, bei denen eine dritte Elektrode bis in die linke Herzkammer führt. Sie bieten sich etwa dann an, wenn der Herzmuskel stark geschwächt ist und sich die Herzkammern nicht mehr synchronisiert zusammenziehen können.

Röntgenbild eines Brustkorbs mit Herzschrittmacher
Zweikammerschrittmacher mit Elektroden zur rechten Vorkammer und zur rechten Hauptkammer des Herzes.

© meshaphoto, GettyImages

Von der Sensation zur Routine

Heutzutage gilt das Einsetzen eines Herzschrittmachers als Routineoperation, die in der Regel nur eine Stunde dauert. Der Arzt schiebt das Aggregat dabei über einen Schnitt unterhalb des Schlüsselbeins unter die Haut und näht es dort ein. Die drahtförmigen Sonden fädelt er meist über eine größere Vene bis zu ihrem jeweiligen Zielort. In der Regel erholen sich Patienten recht schnell wieder von dem Eingriff und können fortan ein weitestgehend normales Leben führen. Pro Jahr bekommen in Deutschland mehr als 77.000 Menschen einen Herzschrittmacher implantiert.

Es ist daher nur schwer vorstellbar, dass dieser Eingriff gerade einmal vor 65 Jahren, am 08. Oktober 1958, zum allerersten Mal durchgeführt wurde. Und zwar an dem Schweden Arne Larsson. Eine vergiftete Auster hatte bei ihm zu einer Infektion geführt, die sein Herz bis zu 30-mal am Tag vorübergehend stehenbleiben und ihn ohnmächtig werden ließ. Als Arne immer schwächer wurde, suchten er und seine Frau Hilfe bei dem schwedischen Arzt Ake Senning, der gerade an einem implantierbaren Herzschrittmacher arbeitete.

Ein holpriger Start

Senning konnte den Direktor seines Krankenhauses von einer Notoperation überzeugen und baute zusammen mit einem Kollegen hastig zwei Prototypen. Als Gussform diente eine leere Schuhcremedose. Insgesamt wog der so entstandene und mit Kunstharz überzogene Schrittmacher stolze 240 Gramm – zehnmal so viel wie heutige Modelle. Um seinem Patienten diesen schwergewichtigen Prototypen einzupflanzen, musste Senning in einer größeren Operation zunächst dessen Brustkorb öffnen.

Zunächst lief alles glatt und der Schrittmacher funktionierte. Allerdings nur fünf Stunden lang. Senning versuchte es erneut und konnte den nächsten Schrittmacher immerhin eine Woche lang am Laufen halten. Trotz dieses holprigen Starts war Arne Larssons Leben gerettet. In den folgenden 43 Jahren bekam er insgesamt 26 verschiedene Schrittmacher eingesetzt, die mit der Zeit immer leistungsstärker und kleiner wurden.

Normales Leben dank Schrittmacher

Der Weg war damit geebnet für die technischen Wunderwerke, die heute massenhaft implantiert werden, um Menschen zu helfen. In der Regel steigt die Lebenserwartung mit einem Herzschrittmacher deutlich und auch ihren Alltag können Betroffene wieder weitestgehend normal bewältigen. Sie können wieder regulär arbeiten gehen und auch Sport treiben. Wie intensiv und welche Sportarten, muss allerdings mit dem behandelnden Arzt abgeklärt werden.

Auch andere Freizeitaktivitäten wie Reisen sind für Menschen mit Herzschrittmacher wieder möglich. Sie sollten allerdings daran denken, stets ihren Herzschrittmacher-Ausweis bei sich zu tragen. Denn in der Sicherheitskontrolle am Flughafen oder auch an den Eingängen von Kaufhäusern, Museen und dem Gericht kann das Gerät den Alarm der Sicherheitsscanner auslösen. Und auch für Rettungskräfte ist der Herzschrittmacher-Ausweis im Notfall eine wichtige Information für die weitere Behandlung.

Die Sache mit den Elektro-Geräten

Außerdem sollten Träger von Herzschrittmachern darauf achten, sich von äußeren Störsignalen wie elektrischen Impulsen oder starken Magnetfeldern fernzuhalten. Denn das Gerät kann diese unter Umständen mit herzeigenen Impulsen verwechseln und so im schlimmsten Fall überhaupt keine Stimulationen mehr initiieren, selbst wenn diese gerade dringend nötig wären. Betroffene sollten daher mit einem Warnschild gekennzeichnete Bereiche meiden und auch einige medizinische Geräte wie die Magnetresonanztomografie (MRT).

Im Haushalt lauern ebenfalls potenzielle Gefahren. In der Regel sollten zwischen Schrittmacher und elektrischen Geräten mindestens 15 bis 30 Zentimeter liegen, bei Induktionsherden sogar noch mehr. Betroffenen wird daher geraten, beim Kauf neuer Geräte aufmerksam die Warnhinweise zu lesen und ihr Verhalten in verschiedenen Situationen umzustellen. Etwa indem sie das Handy beim Telefonieren an das Ohr halten, das am weitesten weg vom Schrittmacher liegt.

In jedem Fall ist es ratsam, sich genau mit dem behandelnden Arzt über das Verhalten im Alltag zu beraten und außerdem regelmäßig zu Nachsorgeterminen zu erscheinen. Dabei werden der Ladestand der Batterie sowie die Einstellungen des Schrittmachers mit einem speziellen Gerät von außen überprüft und sein Funktionieren damit weiterhin garantiert.

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