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Wie gefährlich ist der Weichmacher DNHP?

Bei Kontrollen haben Forscher in zahlreichen Urinproben von Kindern und Erwachsenen ein Abbauprodukt des Weichmachers DNHP gefunden. Welche gesundheitlichen Risiken birgt das für die Betroffenen? Und wie kommt der Weichmacher trotz Verbots in deren Körper? Antworten auf die wichtigsten Fragen.
CKR, 27.02.2024
Kleines Mädchen mit bunten Kau- und Beißringen

© bradleyhebdon, iStock

Kinder und Erwachsene in Deutschland sind überraschend stark mit dem gesundheitsschädlichen und verbotenen Weichmacher DNHP belastet. Zu diesem Ergebnis kamen kürzlich Forschende des nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzamtes und des Umweltbundesamtes, die gelagerte Urinproben von Kindergartenkindern und Erwachsenen aus den Jahren 2017 bis 2021 untersucht hatten.

Die Analysen enthüllten: 61 Prozent der Kinder-Urinproben aus NRW enthielten ein Abbauprodukt des Weichmachers DNHP. Bei Erwachsenen wurde diese Substanz in bundesweit 37 Prozent der Proben gefunden. Die Experten gehen angesichts dieser Befunde davon aus, dass auch Menschen in anderen Bundesländern in ähnlichem Ausmaß mit dieser Chemikalie belastet sind.

Wie gelangen Weichmacher in den Körper?

Doch wo kommt dieser Weichmacher her? Hauptquelle ist wahrscheinlich Plastik: Beinahe alle Kunststoffprodukte in unserem Alltag enthalten Chemikalien, die sie elastisch und formbar machen sollen. Diese Stoffe gelangen dann unter anderem über Lebensmittel, Kinderspielzeug und andere Alltagsgegenstände in den menschlichen Körper. Gerade kleine Kinder nehmen beispielsweise ihr Spielzeug oft in den Mund – und nehmen dabei die Chemikalien auf.

Wegen ihrer gesundheitsschädlichen Wirkung sind viele Weichmacher in Europa inzwischen verboten oder ihr Einsatz stark eingeschränkt – vor allem für Kinderprodukte, Lebensmittelverpackungen und Kosmetika. Das betrifft insbesondere zahlreiche Chemikalien aus der Gruppe der Phthalate, zu denen auch DNHP gehört.

Seit 2023 darf DNHP in Industrieprodukten nur noch mit ausdrücklicher Genehmigung verwendet werden. Eine solche Genehmigung hat seither allerdings noch kein Unternehmen beantragt oder erhalten, wie das Umweltbundesamt mitteilt. In Produkten, die in Europa hergestellt wurden, dürfte der Stoff daher eigentlich gar nicht mehr vorkommen.

Kleiner Junge erhält am Strand den Rücken mit Sonnencreme eingerieben
Das Umweltbundesamt hält einen Zusammenhang zwischen der DNHP-Belastung und Kosmetika, darunter insbesondere Sonnenschutzmitteln, für möglich.

© firemanYU, iStock

Woher kommt das DNHP?

Warum findet sich das Abbauprodukt dieses Weichmachers dann trotzdem im Kinderurin? Das DNHP könnte aus älterer oder importierter Ware stammen, so die Vermutung des Umweltbundesamts. Denkbar wäre jedoch auch, dass das im Urin nachgewiesene Abbauprodukte aus anderen Chemikalien entstanden ist und somit vielleicht gar nicht auf DNHP zurückgehen. Untersucht wird derzeit, ob beispielsweise ein UV-Filter aus Sonnencreme die Quelle sein könnte.

Nach der genauen Herkunft der nun im Urin entdeckten Phthalate suchen die Behörden in Deutschland und der EU derzeit noch. Einen Hinweis auf den Ursprung der Schadstoffbelastung  könnte vielleicht die räumliche Verbreitung des Weichmacher-Abbauprodukts liefern. Bisher wurde es jedoch sowohl in ländlichen als auch städtischen Wohngegenden nachgewiesen, was die Ursachensuche erschwert. Auch gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass die Kinder den Stoff aus der Umwelt oder aus dem Trinkwasser aufgenommen haben.

Was bewirkt DNHP im Körper?

Phthalat-Weichmacher wie DNHP greifen wegen ihrer hormonähnlichen Wirkung in unser Hormonsystem ein und damit auch in zahlreiche Körperfunktionen und den Stoffwechsel – von der frühkindlichen Entwicklung über die Pubertät bis hin zur Fortpflanzung im Erwachsenenalter. Neben Entwicklungsstörungen und Unfruchtbarkeit können durch Phthalate daher auch verschiedenste Organe geschädigt und Krankheiten ausgelöst werden.

Wie viel ist zu viel?

Doch wie so oft gilt auch bei den Weichmachern: Die Dosis macht das Gift. Zwar haben die jüngsten Tests aus NRW ergeben, dass sich die durchschnittliche Konzentration des Weichmacher-Abbauprodukts im Urin zwischen 2017 und 2021 verzehnfacht hat. Dennoch liegen die Werte und auch die daraus hochgerechnete ursprüngliche DNHP-Konzentration immer noch relativ niedrig. Es kann daher sein, dass die Befunde gar keine gesundheitlichen Folgen für die Betroffenen haben. Das Bundesamt für Risikobewertung sieht entsprechend derzeit „keinen Anlass für eine erhöhte Besorgnis“.

Allerdings: Ab welcher Menge DNHP oder seine Abbaustoffe für Menschen gesundheitsschädlich sind, lässt sich bislang nicht mit Sicherheit sagen, da ihre Wirkung meist nur in Tierversuchen nachgewiesen wurde. Bekannt ist jedoch, dass hormonell wirksame Substanzen schon in geringen Dosen molekulare Kettenreaktionen auslösen oder sich mit der Zeit im Körper anreichern können. Dadurch kann sich  ihre Wirkung verstärken. Zudem kann sich die Einzelwirkung verschiedener Phthalate addieren.

Für alle Weichmacher gilt daher, sie möglichst im eigenen Umfeld zu vermeiden, indem man auf Kunststoffprodukte verzichtet oder nur solche Produkte kauft, die durch Siegel explizit als phthalatfrei gekennzeichnet sind.

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