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Wie gefährlich ist Liquid und wird die Gefahr richtig eingeschätzt?

Haben E-Zigaretten nur ein Image-Problem?

unsplash.com, VapeClubMY (CC0)

Beim Thema E-Zigaretten scheiden sich die Geister. Während die Zahl der 'Dampfer' weltweit seit Jahren kontinuierlich steigt, haben E-Zigaretten und Liquids in der breiten Öffentlichkeit Deutschlands noch immer ein negatives Image. E-Zigaretten werden überwiegend von Rauchern genutzt. Viele wollen durch den Umstieg auf die E-Zigarette vom Tabak wegkommen. Im Unterschied zur klassischen Zigarette wird in der E-Zigarette kein Tabak verbrannt. Stattdessen verdampft die Heizwendel der E-Zigarette ein Liquid.

Die Inhaltsstoffe des Liquids sorgen für den gewünschten Genuss. An der weit verbreiteten Meinung, dass das Inhalieren des verdampften Liquids besonders gefährlich sei, haben die Medien einen großen Anteil. In Artikeln und TV-Beiträgen zeichnen Journalisten häufig ein Bild, das von den Ergebnissen  wissenschaftlicher Studien deutlich abweicht. In den letzten Jahren wurden zahlreiche unabhängige wissenschaftliche Studien veröffentlicht, die die Inhaltsstoffe der Liquids und die möglichen Gefahren des Dampfens systematisch untersucht haben. Bei diesen Untersuchungen mit einer Vielzahl von Probanden wiesen die Ärzte und Wissenschaftler immer wieder nach, dass die Verwendung von E-Zigaretten aus Gründen des Gesundheitsschutzes eher zu empfehlen ist als das Rauchen von Tabak.

Die gesundheitlichen Gefahren des Rauchens und Dampfens

Die gesundheitsschädigenden Wirkungen des Tabakrauchs sind seit langer Zeit bekannt. Beim Verbrennen von Tabak entsteht ein Gemisch von zahlreichen Stoffen, die das Entstehen schwerer Erkrankungen begünstigen, wenn der Tabakrauch über längere Zeiträume vom Raucher aktiv oder von Menschen in seiner Umgebung passiv aufgenommen wird. Rauchen gilt in entwickelten Ländern als das größte vermeidbare Risiko für die Gesundheit. Es begünstigt unter anderem Krebserkrankungen, führt zu Durchblutungsstörungen und kann das Herz-Kreislauf-Systems lebensbedrohlich schädigen.

Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit sterben allein in Deutschland mehr als 120.000 Männer und Frauen an den Folgen jahrelangen Tabakkonsums. Im Vergleich dazu ist die Liste der Inhaltsstoffe von Liquids sehr kurz. E-Zigaretten-Liquids enthalten Wasser, Glycerin, Propylenglycol und Aromen. Alle diese Stoffe sind für die Herstellung von Lebensmitteln zugelassen. Dampfer, die auf die anregende Wirkung des Nikotins nicht verzichten wollen, entscheiden sich für Liquids mit Nikotin. In Deutschland ist der Nikotingehalt von gebrauchsfertigen Liquids seit 2016 gesetzlich auf maximal 20 Milligramm pro Milliliter begrenzt.

Öffentliche Wahrnehmung von Gefahren

Von der Öffentlichkeit werden die Gefahren völlig anders als von Wissenschaftlern eingeschätzt. Nach aktuellen Zahlen des Bundesinstitutes für Risikobewertung sind 84 Prozent der Deutschen davon überzeugt, dass der Konsum von E-Zigaretten erhebliche gesundheitliche Gefahren birgt. Sie befürchten, dass das Dampfen die Lunge schädigt und krebserregend ist. Zu einem vergleichbaren Ergebnis kommt eine repräsentative Forsa-Umfrage. Die Untersuchung, die im November 2019 durchgeführt wurde, ergab, dass 57 Prozent der Befragten E-Zigaretten als mindestens so gefährlich oder sogar noch gefährlicher als Tabakzigaretten einstufen. Bemerkenswert ist ebenfalls, dass sich der Anteil der Skeptiker im Vergleich zu einer früheren Umfrage noch erhöht hat. 2017 lag der Anteil bei 54 Prozent.

Was sagen wissenschaftliche Studien über die gesundheitliche Gefährdung durch Liquids?

Seit etwa fünf Jahren werden die Inhaltsstoffe von Liquids und deren Wirkung auf den menschlichen Organismus in breiterem Umfang wissenschaftlich untersucht. Public Health England (PHE), eine Exekutivagentur des britischen Gesundheitsministeriums, veröffentlichte 2015 eine der ersten Studien (McNeill A, Brose LS, Calder R, Hitchman "E-cigarettes: an evidence update" A report commissioned by Public Health England). Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die gesundheitliche Gefährdung durch das Dampfen um 95 Prozent niedriger liegt als beim Rauchen von Tabakzigaretten.

Hartmann-Boyce (Hartmann-Boyce et al., Electronic cigarettes for smoking cessation, 2016) ist einer der ersten Autoren, der die Nutzung der E-Zigarette als hilfreichen Weg zum Ausstieg aus dem Tabakkonsum thematisiert.

Die erste Langzeitstudie zum Gebrauch von E-Zigaretten (Polosa, R., Cibella, F., Caponnetto, P. et al. : "Health impact of E-cigarettes: a prospective 3.5-year study of regular daily users who have never smoked" , 2017) hat Prof. Dr. Riccardo Polosa, der Direktor des Instituts für Innere Medizin und Klinische Immunologie, gemeinsam mit einem Team von Wissenschaftlern an der Universität Catania durchgeführt. Sie untersuchten drei Jahre lang fünf Frauen und elf Männer, die E-Zigaretten nutzen, zuvor aber nicht geraucht hatten. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Bronchien und Lungen der Probanden selbst bei intensivem Konsum keine Veränderungen aufwiesen und innerhalb dieses Zeitraums auch keine Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems nachzuweisen waren. Wichtige Parameter wie Blutdruck und Herzfrequenz veränderten sich nicht. Die Studie erregte international große Aufmerksamkeit, da sie unter klar definierten Rahmenbedingungen zahlreiche Parameter erfasste. Unter anderem mussten sich die Probanden regelmäßigen Gesundheitsuntersuchungen unterziehen.

Um selbst kleine Veränderungen zu erkennen, wurde moderne Medizintechnik wie Computertomographen eingesetzt. Das Rauch- und Dampfverhalten der Probanden wurde sorgfältig dokumentiert. Viele Gegner der E-Zigarette gehen davon aus, dass das Dampfen Krebserkrankungen hervorruft. Die Studie (Stephens WE. Comparing the cancer potencies of emissions from vapourised nicotine products in-cluding e cigarettes with those of tobacco smoke, Tobacco Control 2018) kommt jedoch zu einem ganz anderen Ergebnis.

Nach Ansicht der Wissenschaftler liegt das Risiko an Krebs zu erkranken bei Nutzern von E-Zigaretten im Vergleich zu Rauchern lediglich bei 1 Prozent.

Mittlerweile ist es wissenschaftlicher Konsens, dass das Inhalieren verdampfter Liquids wesentlich weniger gesundheitsschädlich ist, als das Rauchen von Tabak. Darum beschäftigen sich jetzt immer mehr Forscher mit der Frage, wie E-Zigaretten Rauchern beim Rauchstopp helfen könnten. Interessant ist aus dieser Hinsicht eine Studie britischer Wissenschaftler aus dem Jahr 2019 (Hajek P, Phillips-Waller A, Przulj D, Pesola F, Myers Smith K, Bisal N, et al: "A randomized trial of e-cigarettes versus nicotine-replacement therapy, N Engl J Med. 2019).

Die Forscher konnten durch systematische Untersuchungen nachweisen, dass die Erfolgsquote bei Rauchern, die zur E-Zigarette wechselten, doppelt so hoch ist wie bei Entwöhnungswilligen, die Kurse besuchen und mit Nikotinpflastern oder anderen Ersatzpräparaten gegen ihre Sucht ankämpfen.

Mit klassischen Mittel schaffen es lediglich 9 Prozent der Entwöhnungswilligen. In der Gruppe der Nutzer von E-Zigaretten lag die Erfolgsquote bei 18 Prozent. Selbst diejenigen, die es mit E-Zigaretten nicht schafften, profitieren vom Wechsel. Sie verringern das Risiko zu erkranken deutlich, da der Dampf der E-Zigarette deutlich weniger Schadstoffe enthält als der Tabakrauch.

Die Ergebnisse dieser mutmachenden Studie wurden kürzlich von kanadischen Wissenschaftlern (A. Hébert-Losier, K.B. Filion, S.B. Windle, M.J. Eisenberg: "A RandomizedControlled Trial Evaluating the Efficacy of E-Cigarette use for Smoking Cessation in the GeneralPopulation CJC Open, 2020), bestätigt.

Verringerung des Tabakkonsums als wichtige gesundheitspolitische Aufgabe

Viele Raucher sind sich des hohen Risikos des Tabakgenusses bewusst und würden ihren Konsum gerne verringern oder völlig auf die Zigarette verzichten. Leider scheitern viele trotz wiederholter Versuche beim Rauch-Stopp. Mit herkömmlichen Mitteln wie zum Beispiel Nikotin-Pflastern oder nikotinhaltigen Kaugummis schaffen es die wenigsten, ihre Sucht zu überwinden. Wie die Untersuchungen der britischen und kanadischen Wissenschaftler eindrucksvoll nachweisen, gelingt der Rauchstopp mit der E-Zigarette wesentlich zuverlässiger, als beim Entwöhnungsversuch mit Nikotinpflaster, nikotinhaltigen Kaugummis & Co.

Wichtige Zahlen und Fakten

2017 griffen in Deutschland nach Schätzungen des Verband des E-Zigarettenhandels etwa 3,7 Millionen Männer und Frauen zur E-Zigarette. Die große Mehrheit der Dampfer sind Ex-Raucher. Etwa 90 Prozent der Umsteiger kommen auf diese Weise innerhalb eines Monats vom Tabakkonsum los. Weitere 8 Prozent konsumieren E-Zigaretten und Tabak parallel. Etwa ein Prozent der Konsumenten war zuvor Nichtraucher. Dieser geringe Anteil ist erfreulich, weil er ein wichtiges Argument der Kritiker von E-Zigaretten widerlegt. Sie behaupten, Jugendliche würde durch E-Zigaretten zum Rauchen verführt. Das ist glücklicherweise nicht der Fall. Das Institut für Therapieforschung (IFT) hat ermittelt, dass das durchschnittliche Alter beim Beginn der E-Zigarettennutzung bei etwa 31 Jahren liegt. Lediglich 0,9 Prozent der Jugendlichen inhalieren den Dampf von E-Zigaretten.

Falsche Einschätzung der Gefahren wird zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem

Fehlerhafte Informationen über E-Zigaretten und Liquids und die dadurch begünstigte falsche öffentliche Wahrnehmung sind ein ernstes Problem. Die Fehleinschätzung der Gefahren verhindert, dass Raucher den Umstieg auf die E-Zigarette wagen und auf diese Weise der schädigenden Wirkung des Tabaks nicht länger ausgesetzt sind. Jeder Einzelne, der den Rauchstopp schafft, tut nicht nur sich selbst und seinen Angehörigen, sondern auch der Gesellschaft etwas Gutes. Die Kosten für medizinische Behandlungen, Reha-Aufenthalte, Rauchstopp-Kurse oder Frühverrentung von Rauchern belasten die Gemeinschaft der Versicherten enorm.

In Großbritannien haben Gesundheitspolitiker die wissenschaftlichen Studien zum Thema E-Zigarette akzeptiert und die logischen Schlüsse daraus gezogen. Bei unseren britischen Nachbarn wird die E-Zigarette als erfolgversprechende Methode zur Rauchentwöhnung propagiert. Die Verantwortlichen verschweigen aber auch nicht, dass es für die Gesundheit am besten ist, gar nicht erst mit dem Rauchen oder Dampfen zu beginnen. Wer es nicht schafft, völlig abstinent zu sein, sollte das Risiko wenigstens minimieren und zur Alternative greifen, die deutlich weniger Schadstoffe enthält. Mit der E-Zigarette bekommen Raucher eine Alternative, bei der sie nicht auf liebgewordene Rituale im Alltag und den gewohnten Genuss verzichten müssen.

Risiko mit Hilfe von E-Zigarette und Liquid minimieren

Die zahlreichen Studien renommierter Wissenschaftler zeigen, dass die Nutzung der E-Zigaretten aus gesundheitlicher Sicht nicht völlig unbedenklich ist, jedoch deutlich weniger Gefahren birgt als das Rauchen von Tabak. Dass die öffentliche Meinung zum Thema E-Zigarette und Liquid immer noch von kritischen Stimmen dominiert wird, ist nicht nur bedauerlich, sondern eine große Gefahr für Millionen von Rauchern. Umso wichtiger ist es, dass die richtigen Informationen aktiv verbreitet werden.

Sie kennen passionierte Raucher, die die Gefahren der E-Zigarette überbewerten? Teilen Sie diesen Artikel, damit jeder die wichtige Chance bekommt, endlich mit dem schädlichen Tabakkonsum aufzuhören!

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