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Angst: Wenn Körper und Gehirn plötzlich im Ausnahmezustand sind

Europaweit leiden etwa 60 Millionen Menschen an Angststörungen, deutschlandweit ca. zwölf Millionen. Der Anblick von Spinnen, die Furcht vor Höhe – dies und mehr lässt den Körper häufig erstarren und bringt Betroffene in eine psychische Ausnahmesituation. Experten haben herausgefunden, wie sich Angst mit den richtigen Methoden besser in den Griff bekommen lässt und so das Leben deutlich leichter macht.
Symbolbild Angst
Angst erscheint häufig wie ein unsichtbares Gespenst und sorgt für Fluchtgedanken im eigenen Körper.

pixabay.com, mohamed_hassan (CC0 Creative Commons)

Hier entsteht Angst: Die Sinnesorgane spielen eine essenzielle Rolle

Das angstauslösende Momentum passiert nicht einfach so, sondern wird durch eine bestimmte Abfolge ausgelöst. Unsere Sinnesorgane öffnen der Angst oder entstehenden Panikattacke die Türen. Durch Spüren, Riechen, Schmecken, Hören oder Sehen bestimmter Gegenstände bzw. Situationen werden Stresszustände im Körper ausgelöst, die häufig aus einer Reizinterpretierung auf Basis vergangener Erlebnisse basieren.

Verantwortlich für die eigentliche Verbreitung der Angst ist unser Gehirn. Es nimmt die Situation als äußerst gefährlich oder sogar lebensbedrohlich wahr und leitet diese Information ans limbische System weiter. Hier werden diese Reize verarbeitet und in Gefühle umgewandelt, die körperliche Reaktionen hervorrufen. So werden Adrenalin, Cortisol, Cortison und Noradrenalin ausgeschüttet. Damit wird der Körper in Alarmbereitschaft versetzt, um blitzschnell reagieren und theoretisch ums Überleben kämpfen zu können.

Setzen Panikattacken durch Stress ein oder lösen bestimmte Geräusche Angstzustände aus, macht sich in Bruchteilen von Sekunden ein Flucht- bzw. Kampfreflex im Körper breit. Diese Instinkte bzw. Abläufe im Gehirn sind Überlebensmechanismen, wie sie die Neandertaler benötigten. Trafen sie ein Mammut oder anderes bedrohliches Tier, mussten sie sich blitzschnell entscheiden, ob sie flüchten oder sich dem Kampf stellen (beispielsweise auch, um die Familie mit Nahrung zu versorgen).

So macht sich Angst im gesamten Körper bemerkbar

Abhängig vom Grad der Angst machen sich die körperlichen Reaktionen mehr oder minder intensiv bemerkbar. Im besten Fall wird nur ein kleiner Schreckmoment ausgelöst, der das Herz kurzzeitig zum Rasen und den Puls zum Anstieg bringt.

Doch an der Ausbreitung der Angst ist fast der gesamte Körper beteiligt. Durch die ausgeschütteten Stresshormone weiten sich die Herzkranzgefäße und der Herzschlag erhöht sich. Auch der Blutdruck steigt und die Blutgefäße der inneren Organe und Haut verlängern sich. Schließlich wird alles notwendige Blut im Herzen für die Aktivität und Bereitstellung der Energie für Kampf oder Flucht benötigt. Das macht sich auch in der stärkeren Durchblutung der Skelettmuskulatur bemerkbar, die viele als plötzlichen Wärmeeffekt in einzelnen Körperregionen wahrnehmen.

Ein weiteres Phänomen ist die Erweiterung der Bronchien. Auch hier wird der Urinstinkt deutlich, denn durch die Erweiterung kann mehr Sauerstoff in den Körper gelangen und das Blut anreichern. Weitere Symptome im Körper sind beispielsweise erweiterte Pupillen (schließlich soll der „Feind“ möglichst gut wahrgenommen und die Gefahr bestmöglich eingeschätzt werden), ein verminderter Speichelfluss, steigende Blutfettwerte und Blutzuckerspiegel.

Auch die Appetitreduktion und eine verzögerte Verdauung sind bei (lang anhaltenden) Angstzuständen oder Panikattacken zu beobachten. Der Körper schaltet unweigerlich in den Überlebensmodus und konzentriert sich ausschließlich auf die Energiebereitstellung, um blitzschnell zwischen Kampf, Flucht oder Verharren entscheiden zu können. Die Nahrungsaufnahme oder Verdauung sind in dieser überlebenswichtigen Situation zweitrangig.

Die einzelnen Phasen der Angst: den Körper besser verstehen

Angst oder Panik tritt nicht sofort auf, sondern verläuft – wenngleich auch innerhalb kurzer Zeit – in verschiedenen Phasen. Die Schockphase dauert meist nur kurz und wird durch ein leichtes Schwindelgefühl oder eine Luftknappheit von vielen Betroffenen wahrgenommen. Abhängig davon, wie stark die Angst ausgeprägt ist, zeigt sie sich in der Schockphase auch durch Übelkeit, weiche Knie, Zittern oder sogar Weinen.

Sobald das sympathische Nervensystem eingreift, wird aus der Schockstarre ein Flucht- oder Kampfmodus. Dazu muss der Körper bereit sein und sämtliche Reserven bereitstellen. Dafür schüttet das Gehirn Adrenalin aus, was sich im Herzrasen bzw. Herzklopfen bemerkbar macht. Auch die Atmung wird plötzlich schneller, was häufig zu einem trockenen Mund führt. Innerliche Unruhe, Übelkeit, Schwitzen und ein beklemmendes Gefühl sind weitere Begleiterscheinungen, denn der Körper muss sich noch immer entscheiden, ob er kämpft oder flüchtet.

Die Entspannung stellt sich erst ein, wenn die vermeintliche Gefahr gebannt ist. Betroffene nehmen diese Phase ebenso als besonders intensiv wahr und fühlen sich häufig erschöpft. Auch wenn sie gar nicht wirklich gekämpft haben oder weggerannt sind, überkommt sie ein Müdigkeitsgefühl. Ursächlich dafür sind jene körperlichen Reaktionen, die vorher abgelaufen sind. Durch die gesteigerte Aktivität des Herzens, die Verarbeitung des Adrenalins und die beschleunigte Atmung musste der Körper ganze Arbeit leisten, ähnlich wie bei einem anstrengenden Sport.

Symbolbild schlechte Nachrichte
Angst kann verschiedene Ursachen haben, beispielsweise schlechte Nachrichten aus Politik, Wirtschaft und Weltgeschehen.

pixabay.com, Dsndrn-Videolar (CC0 Creative Commons)

Schneller aus der Angst: Das hilft wirklich

Es gibt Möglichkeiten, die Angst zu überwinden bzw. das bedrohliche Gefühl besser zu beherrschen. Experten empfehlen, zunächst dem angstauslösenden Moment auf den Grund zu gehen. Was ist beispielsweise die Ursache für eine Phobie gegen Spinnen oder Höhe? Gab es vielleicht in der Kindheit eine bedrohliche Situation, die damit einhergeht? Falls ja, sollten diese Situationen geklärt und positiv bewertet werden.

Doch dafür ist häufig Geduld gefragt, denn eine ernst zu nehmende Angststörung lässt sich nicht durch bloßes Reden aus der Welt schaffen. Um eine Phobie gegen Spinnen aufzulösen, könnten einige Schritte erfolgen: das Betrachten der Tiere in sicherer Entfernung, die Betrachtung aus nächster Nähe durch eine Glasscheibe, der Blick auf die Spinne ohne Trennung, vorsichtige aktive Bewegungen der Hand in Richtung des Tieres, anfassen bzw. auf die Hand setzen.

Manche Störungen sitzen so tief, dass sie nur mit viel Geduld und Expertenhilfe gelindert oder aufgelöst werden können. Betroffene sollten sich hier fachkundige Unterstützung suchen und ihre Angst nicht als negativ ansehen.

Sobald die Angstsituation eintritt, hilft eine gezielte Atemkontrolle bei einer rascheren Entspannung. So dient die 4-7-8-Atmung der Beruhigung. Zunächst wird langsam durch die Nase eingeatmet, dann bis vier gezählt, der Atem angehalten, weiter bis sieben gezählt, kräftig durch den Mund ausgeatmet und bis acht gezählt. Die Übung kann so lange wiederholt werden, bis sich der gewünschte beruhigende Effekt einstellt. Auch ein Trigger kann bei der Angstreduktion helfen. Ein Armband beispielsweise könnte in der Stresssituation als „Anker“ dienen und ein Gefühl von Sicherheit vermitteln, sodass die Anspannung allmählich aus dem Körper weichen kann.

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