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Zwischen Anpassung und Widerstand: Leben in der NS-Diktatur

Gab es Widerstand auf breiter Basis?

Nein, Zustimmung und Anpassung eines großen Teils der Deutschen kennzeichneten die nationalsozialistische Alltagsnormalität bis weit in den Zweiten Weltkrieg hinein. Niemals gefährdete eine breite Auflehnung das Regime; politische Opposition wurde aufs Schärfste unterdrückt. Gleichwohl entzogen sich in allen gesellschaftlichen Gruppen Menschen dem totalitären Zugriff, widersetzten sich oder arbeiteten im Untergrund auf den Sturz Hitlers hin. Das Attentat vom 20. Juli 1944 bildete den Höhepunkt und zugleich das Ende des organisierten politischen Widerstands. Eine breite Basis hatte er nicht gefunden.

Warum verhielt sich die Mehrheit loyal?

Konformität und Loyalität mit dem Regime hatten vielfältige Ursachen; nachhaltig waren vor allem die tief verwurzelte Obrigkeitshörigkeit der preußisch geprägten konservativen Kräfte in Wirtschaft, Bürokratie und Militär, die die Demokratie nie akzeptiert hatten, die Aufstiegserwartung breiter Gruppen des wirtschaftlich bedrohten Mittelstandes und die Illusion von Teilen der Arbeiterschaft, in der »Volksgemeinschaft« die Werte von Gleichheit und Solidarität zu finden.

Die nationalsozialistische Agitation und Propaganda fiel auf fruchtbaren Boden. Viele gesellschaftliche Gruppen fanden einen Teil ihrer Ziele bei den Nationalsozialisten wieder, waren daher bereit, mit ihnen zusammenzuarbeiten, und fanden ihre Erwartungen in den ersten Jahren des »Dritten Reiches« bestätigt.

Welche Haltung nahmen die Kirchen ein?

Mit ihrem Bestreben, die Menschen vom christlichen Glauben zu entfernen und zugunsten der nationalsozialistischen, pseudoreligiös verpackten Weltanschauung zu gewinnen, traf die Kirchenpolitik des Regimes in beiden großen Konfessionen auf teilweise heftigen Widerstand, der Züge eines Kirchenkampfes annahm. In der evangelischen Kirche bildete sich im Konflikt mit der nationalsozialistischen Glaubensbewegung der »Deutschen Christen« 1933/34 die »Bekennende Kirche« heraus, deren Pastoren trotz heftiger Repressionsmaßnahmen seelsorgerisch aktiv blieben.

Was wurde im Reichskonkordat geregelt?

Das Reichskonkordat zwischen Reichsregierung und Vatikan vom 20. Juli 1933 war die formale Grundlage für das Verhältnis von Staat und katholischer Kirche. In ihm sicherte sich die Kirche einige Freiräume, die in den folgenden Jahren jedoch immer weiter eingeschränkt wurden. Die Verletzungen des Konkordats veranlassten Papst Pius XI. 1937 zur scharfen Kritik am Nationalsozialismus in der Enzyklika »Mit brennender Sorge«. Der Münsteraner Bischof Clemens August Graf von Galen (1878–1946) erreichte 1941 mit seinem öffentlichen Protest die formelle Rücknahme der Euthanasieanordnung Hitlers.

Zu den herausragenden Theologen des kirchlichen Widerstandes gegen die NS-Herrschaft und ihre Doktrin zählten unter den Protestanten Martin Niemöller (1892–1984) und Dietrich Bonhoeffer (1906–1945, hingerichtet), unter den Katholiken Max Josef Metzger (1887–1944, hingerichtet) und Alfred Delp (1907–1945, hingerichtet).

Was geschah beim Attentat vom 20. Juli 1944?

Da sich abzeichnete, dass der Sturz des Regimes nur gelingen könnte, wenn sich Teile des Machtapparats daran beteiligten, knüpften Gewerkschafter und Sozialdemokraten wie Wilhelm Leuschner (1890–1944, hingerichtet) und Julius Leber (1891–1945, hingerichtet) Verbindungen zu national-konservativen und militärischen Widerstandszirkeln (Goerdeler-Kreis, Kreisauer Kreis, Militäropposition). Die dramatische Verschlechterung der militärischen Situation im Zweiten Weltkrieg schien die Chance für einen gewaltsamen Umsturz zu bieten. Dabei setzte sich die Überzeugung durch, dass die entscheidende Voraussetzung für das Gelingen der Tod des Diktators sei.

Nachdem schon zwei Versuche, Hitler zu beseitigen fehlgeschlagen waren, verübte am 20. Juli 1944 Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg das Attentat. Doch Hitler wurde durch die Explosion der Zeitzünderbombe im Besprechungsraum des Führerhauptquartiers »Wolfsschanze« in Ostpreußen nur leicht verletzt. Der vorbereitete Staatsstreich wurde im Keim erstickt. Stauffenberg und weitere Offiziere wurden noch in derselben Nacht in Berlin erschossen. Anschließend wurden rund 7000 Personen verhaftet, etwa 200 fielen Todesurteilen des Volksgerichtshofs zum Opfer.

Wussten Sie, dass …

es im Militär schon 1938 im Umkreis des damaligen Chefs des Generalstabs des Heeres, Ludwig Beck (1880–1944), Staatsstreichpläne gegeben hatte, die aber nicht umgesetzt wurden? Beck trat 1938 von seinem Posten zurück.

der Goerdeler-Kreis nach einem der führenden Köpfe des national-konservativen Widerstands benannt war? Carl Friedrich Goerdeler (1884–1945) trat 1937 von seinem Amt als Oberbürgermeister von Leipzig zurück und nahm Verbindung mit hochrangigen Vertretern der Opposition in Wehrmacht, Diplomatie und Wirtschaftsverwaltung auf.

der Kreisauer Kreis, nach dem Gut Kreisau des Grafen Helmut James von Moltke (1907–1945) in Niederschlesien benannt war? Die Widerstandsbewegung umfasste Beamte, Adlige, Geistliche, Sozialdemokraten und Gewerkschafter.

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