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100 Jahre Tutanchamun: Das Geheimnis des kindlichen Königs

Vor genau 100 Jahren, am 4. November 1922, öffnete der Brite Howard Carter die Wand zur Grabkammer des Tutanchamun. Ihn erwarteten außergewöhnliche Grabbeigaben, darunter die berühmte goldene Totenmaske des ägyptischen Pharao. Carters Entdeckung machte Tutanchamun nach 3.000 Jahren der Totenruhe plötzlich zur Weltsensation. Bis heute ist der jung gestorbene Pharao einer der bekanntesten Herrscher des alten Ägyptens – und sein Leben und Tod geben bis heute Rätsel auf.
AMA, 04.11.2022

Aber wer genau war Tutanchamun? Archäologen und Historiker haben in dem Jahrhundert seit der Graböffnung einiges über das Leben und Vermächtnis des Herrschers über das alte Ägypten herausgefunden. Der Pharao bestieg bereits im zarten Alter von neun Jahren den Thron und starb im Jahr 1323 vor Christus unerwartet mit gerade einmal 18 Jahren. In der Zwischenzeit heiratete er und nahm die Religionsreform seines Vaters wieder zurück. Doch: Der Fund seines Grabes hat ihn berühmter gemacht als es seine Taten zu Lebzeiten jemals vermocht hätten.

Blick in eine mit Grabbeigaben gefüllte Kammer im KV62
Anders als die meisten Pharaonengräber war das des Tutanchamun nicht bereits geplündert, sondern enthielt mehr als 5.000 Objekte, davon viele aus Gold.

Harry Burton / Gemeinfrei

Eine außergewöhnliche Entdeckung

Am 4. November 1922 stieß das Team des britischen Archäologen Howard Carter im ägyptischen Tal der Könige auf den obersten Teil einer verschütteten Treppe. „Erste Stufen des Grabes gefunden“, notierte er an diesem Tag in seinem Tagebuch. Einige Grabungstage, freigelegte Treppenstufen und geöffnete Türen später schlug Carter sechs Meter unter der Erde ein kleines Loch in eine Mauer und schaute im Kerzenschein hinein. „Können Sie etwas sehen?“, fragte sein Geldgeber Lord Carnarvon. „Ja. Es ist wunderbar“, erwiderte Carter beim ersten Anblick der prachtvollen Grabkammer von Tutanchamun.

Das Besondere: Die Grabkammer war weitgehend unberührt und nicht wie viele andere Pharaonengräber geplündert worden. Carter verbrachte die nächsten zehn Jahre damit, alle 5.398 Grabbeigaben des Pharaos zu katalogisieren. Dazu gehörten ein Mantel aus Leopardenfell, sechs Streitwagen, 30 Weinkrüge und 46 Bögen. Auch skurrilere Gegenstände wie Fliegenklatschen, Brettspiele und Modellboote waren darunter. Der berühmteste Schatz des Grabes ist aber wohl die Totenmaske des Pharaos aus neun Kilogramm Gold.

Die Entdeckung der Grabkammer begeisterte die Menschen weltweit und machte Tutanchamun zu einem Phänomen. In den 1960er und 1970er Jahren tourten zwei Ausstellungen mit Schätzen aus der Grabkammer um die Welt. Die Popularität des Königs wurde zum Marketing-Coup. Es gab King Tut-Zitronen und - Keksdosen, Songs, ein Brettspiel, ägyptisch angehauchte Kinos und vieles mehr. Tutanchamun war zum Popstar geworden.

Grabkammer mit Sarkophag des Tutanchamuns
Die Grabkammer mit dem Sarkophag ist der einzige ausgemalte Raum des Grabes. Die hockenden Paviane an der Westwand stehen für die erste der zwölf Nachtstunden, die die Sonne und der König hinter sich bringen müssen, um am Morgen wieder geboren zu werden.

Tutanchamun, der kindliche König

Doch wer war er zu Lebzeiten? Geboren wurde er unter einem anderen Namen, nämlich als Tutanchaton zu Ehren seines Vaters Echnaton und des Sonnengottes Aton. Doch der Name war vorbelastet, da Tutanchamuns Vater während seiner Regentschaft Aton zum alleinigen Gott erklärt und alle weiteren Götter der traditionellen ägyptischen Religion verboten hatte. Tutanchamun erbte den Thron von seinem verstorbenen Vater im Jahr 1336 vor Christus. Da war er gerade einmal neun Jahre alt.

Während seiner Herrschaft machte er die Veränderungen seines Vaters rückgängig und etablierte wieder die alte Vielgötter-Religion. Seinen Namen änderte er im Zuge dessen in Tutanchamun. Einige Ägyptologen vermuten allerdings, dass der junge König diese staatstragenden Neuerungen nicht alleine beschlossen hat, sondern vielmehr von Beratern und Priestern als Marionette benutzt wurde.

Tutanchamun heiratete seine Halbschwester Anchesenamun, die Tochter von Echnaton und Königin Nofretete. Allem Anschein nach hatten die beiden keine überlebenden Kinder, lediglich zwei totgeborene Töchter. Im Grab des Königs fanden sich zwei mumifizierte Föten, die vermutlich jene beiden Töchter sind.

Über den Tod des Tutanchamun ist nur wenig bekannt. Verschiedenste Theorien versuchen ihn zu erklären: Er könnte ermordet worden, von einem Streitwagen gefallen, an Malaria oder aufgrund von Vorerkrankungen gestorben sein. Dafür spräche, dass er einen Klumpfuß hatte und vermutlich mit Krückstöcken unterwegs war. Wie auch immer die genaue Ursache lauten mag: Der Pharao starb auf jeden Fall plötzlich und unerwartet. Das Grab, in dem er tausende Jahre lang ruhte, war vermutlich gar nicht für ihn bestimmt, sondern die unfertige Ruhestätte einer anderen Person des Herrscherhofes. Forscher haben Hinweise gefunden, dass das Grab in großer Eile für den König vorbereitet wurde.

Bildniskopf des Tuanchamun
Tutanchamun als Kind, ein Beispiel für die Armana-Kunst am Hofe seines Vaters Echnatons

Ist die Grabkammer verflucht?

Steckten in der Grabkammer nicht nur reiche Schätze, sondern vielleicht auch Magie? Wie in jeder guten Abenteurer- und Entdecker-Geschichte darf auch in der von Tutanchamun nicht das Mystische fehlen. Teilweise hält sich noch bis heute hartnäckig das Gerücht, seine Grabstätte sei verflucht und dieser Fluch hätte nach und nach all jenen den Tod gebracht, die die Ruhe des Pharao damals gestört hatten.

Erster Anhaltspunkt für diese Mär war der Tod von Carters Geldgeber Lord Carnarvon. Er verstarb etwa ein halbes Jahr nach der Graböffnung an den Folgen eines Moskito-Stiches, der zu einer Blutvergiftung geführt hatte. Seine Geschichte wurde allerdings immer weiter ausgeschmückt. So hätten ihn angeblich Wahrsager vor der Reise nach Ägypten gewarnt. Außerdem habe eine Schlange, die Beschützerin der Pharaonen, seinen Wellensittich getötet. Und darüber hinaus sei zum Zeitpunkt seines Todes auch noch in ganz Kairo das Licht ausgefallen.

Immer mehr (vermeintliche) Besucher der Grabstätte fanden unter ungewöhnlichen oder gewaltsamen Umständen der Tod. So etwa Prinz Ali Kamel Fahmy Bey von Ägypten, den 1923 seine eigene Frau erschossen hatte, oder Arthur Mace aus Carters Ausgrabungsteam, der 1928 an einer Arsenvergiftung gestorben sein soll.

Neuere Theorien vermuteten eine Zeit lang, dass zumindest Lord Carnarvon vielleicht wirklich im weitesten Sinne durch das Grab den Tod fand. Indem er nämlich einen uralten Schimmelpilz einatmete, der in der Grabstätte überlebt hatte. Doch wäre das wirklich der Fall gewesen, hätte die durch den Pilz verursachte Lungenentzündung ihn deutlich früher als erst Monate nach dem Besuch des Grabes krank machen müssen. Ein Fluch kann aber, auch unabhängig von dem Schimmelpilz, wohl als Todesursache ausgeschlossen werden.

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