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30 Jahre Ötzi

Am 19. September 2021 jährte sich einer der berühmtesten Funde der Archäologie zum 30. Mal - die Entdeckung der Gletschermumie "Ötzi". Der im Eis der Südtiroler Alpen konservierte Mann aus der Kupferzeit gibt bis heute einzigartig Einblicke in das Leben und die Gesundheit der Menschen vor mehr als 5.000 Jahren. Doch trotz Jahrzehnten der Forschung gibt Ötzi noch immer einige Rätsel auf – dazu zählen bis heute die genauen Umstände seines Todes.
NPO / Südtiroler Archäologiemuseum, 20.10.2021

Rekonstruktion des Mannes aus dem Eis im Südtiroler Archäologiemuseum.

Südtiroler Archäologiemuseum / foto-dpi.com

Der 19. September 1991 war ein sonniger Tag in den Ötztaler Alpen, der viele Urlauber in die Berge lockte – auch die deutschen Urlauber Erika und Helmut Simon. Als sie auf ihrem Weg zum Tisenjoch nach einer Abkürzung suchen, machen sie auf abseits des markierten Weges eine historische Entdeckung: In einer mit Schmelzwasser gefüllten Mulde liegen die mumifizierten Überreste eines Toten.

Datierungen ergaben wenig später, dass dieser Mann kein neuzeitlicher Toter war, sondern schon vor 5.100 bis 5.300 Jahren starb. Jahrtausendelang wurden seine Überreste vom Gletschereis eingeschlossen und so konserviert. "Ötzi" ist damit die älteste Feuchtmumie der Welt und ein einzigartiger Schatz für die Wissenschaft. Denn sein Körper, seine Kleidung und seine Ausrüstung geben beispiellosen Einblick in das Leben der europäischen Kupferzeit.

Gedächtnispyramide am Fundort

 

Südtiroler Archäologiemuseum / Dario Frasson

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Tätowiert und nicht sonderlich gesund

Was aber ist das Besonders am Gletschermann "Ötzi"? Zum einen hat es die Mumifizierung seiner Gewebe ermöglicht, seinen Gesundheitszustand, sein Aussehen und sogar sein Genom zu rekonstruieren. Wir wissen heute, dass Ötzi zum Zeitpunkt seines Todes rund 45 Jahre alt war – für damalige Zeit war er demnach schon sehr alt und sein Körper trägt die Spuren eines harten Lebens. So hatte Ötzi alte Erfrierungen am Fuß und verheilte Brüche der Rippen und der Nase, außerdem litt er unter Arterienverkalkung, hatte eine verrußte Lunge und stark verschlissene Gelenke.

Gegen seine Schmerzen half sich der Kupferzeit-Mann offenbar mit einer Therapie, die zuvor nur aus dem alten China bekannt war: Er ließ sich Tätowierungen entlang bestimmter Akupunkturlinien stechen. Anders als heutige Tattoos sollte dies die Schmerzen lindern. Ziemlich lädiert waren auch die Zähne des Kupferzeit-Seniors: Sie sind von Karies durchlöchert und das Zahnfleisch zeigt deutliche Spuren einer fortgeschrittenen Parodontose. Weil Ötzi oft Getreide kaute, das beim Mahlen mit Sand verunreinigt wurde, waren seine Zähne zudem stark abgenutzt.

Untersuchung der mumifizierten Leiche

Südtiroler Archäologiemuseum/EURAC/ Samadelli / Staschitz

Was Kleidung und Ausrüstung verraten

Eine weitere Besonderheit ist die fast perfekt erhaltene Kleidung und Ausrüstung der Eismumie: Sein plötzlicher Tod und die Konservierung im Eis haben selbst organisches Material wie Leder, Schnur und Pflanzenmaterialien konserviert. Zuvor waren aus der Kupferzeit kaum organische Materialien erhalten. Ötzis Kleidung und Ausrüstung gibt den Archäologen nicht nur wichtige Hinweise darauf, woher der Mann stammte, sie erlaubt es auch, die Handwerkskunst dieser Zeit erstmals genauer zu erforschen.

Seiner Ausrüstung nach stammte Ötzi aus dem südlichen Alpenvorland. Seine frühe Kindheit verbrachte er wahrscheinlich in einem nur rund 60 Kilometer von seiner Fundstelle entfernten Alpental, hielt sich als Erwachsener aber mindestens zehn Jahre lang im Vinschgau auf – einer Gegend unmittelbar südlich der Ötztaler Alpen. Genanalysen legen zudem nahe, dass Ötzis Mutter einem heute ausgestorbenen Bergvolk der Alpen angehörte.

Einmalig ist auch das Ensemble aus Werkzeugen und Waffen, das Ötzi bei seinem Tod mit sich trug: Es stellt weltweit die älteste komplette Jagdausrüstung dar. Seine Pfeile sind so gut erhalten, dass sie bisher nicht vorhandene Informationen zu ihrer Machart lieferten. Die Befiederung der Pfeile ist zudem weltweit einzigartig und Ötzis Bogenschnur ist die älteste jemals vollstündig gefundene. Auch Ötzis Randleistenbeil ist weltweit das älteste und einzige vollständig erhaltene Kupferbeil.

Analysen der kupfernen Beilklinge haben verraten, dass das Erz für dieses Metall hundert Kilometer weit entfernt in der Toskana geschürft wurde. Auch der Feuerstein einiger Steinwerkzeuge des Gletschermannes zeugen davon, dass die Menschen seiner Zeit schon Fernhandel trieben – der Feuerstein stammte aus der Lombardei.

Ein bis heute ungelöster Mordfall

Doch trotz der mittlerweile 30 Jahre dauernden Forschungsgeschichte rund um die berühmte Gletschermumie sind längst nicht alle ihre Geheimnisse gelüftet. Dazu gehört auch, welche Position Ötzi in seiner Gemeinschaft bekleidete: War er ein Hirte, ein Händler oder sogar ein Schamane oder Anführer seines Clans? Das wertvolle Kupferbeil spricht dafür, dass Ötzi kein einfacher Hirte war, sondern vermutlich ein höhere Stellung bekleidete. Die Tätowierungen und auch einige heilend wirkende Trockenpilze, die er mit sich trug, könnten für medizinisches Wissen sprechen – Ötzi könnte daher auch ein Schamane oder Heilkundiger gewesen sein.

Bis heute rätselhaft ist aber, warum Ötzi so kurz vor seinem Tod bis in die Höhenlagen der Alpen hinaufwanderte – und wie genau er dort starb. Klar ist eigentlich nur, dass es Mord oder zumindest Totschlag gewesen sein muss. Denn Ötzi erlitt kurz vor seinem Tod gleich mehrere schwerwiegende Verletzungen. Er hatte eine Pfeilwunde in seinem Rücken, die sein Schulterblatt durchbohrte und seine Hauptschlagader verletzte haben könnte. Zusätzlich aber zeugen zwei Stellen am Kopf von einem stumpfen Schlag – oder dem Fall auf einen Felsblock.

Doch wer der Täter war und warum Ötzi tötete, bleibt rätselhaft. Der Tod des Gletschermannes ist damit wahrscheinlich einer der ältesten ungelösten Mordfälle der Geschichte.

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