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Amazons Psychotricks zum Prime Day

Noch bis zum 11. Juli läuft der „Prime Day“ des Onlineversandhändlers Amazon. Günstige Angebote sollen Kunden dazu verführen, möglichst viel zu kaufen – und so auch möglichst viel Geld dazulassen. Doch mit welchen Tricks arbeitet Amazon, um die Verkaufszahlen anzukurbeln? Und wie können wir trotzdem gute Kaufentscheidungen treffen?
SSC, 09.07.2025
Symbolbild Amazon

© kasinv, iStock

Am 15. Juli 2015 veranstaltete Amazon zu Ehren seines 20. Jubiläums zum ersten Mal den Prime Day. Ähnlich wie beim Black Friday werden beim Prime Day viele Produkte stark vergünstigt angeboten, allerdings nur für Mitglieder des kostenpflichtigen Prime-Abonnements. Inzwischen findet der Aktionstag zweimal pro Jahr statt – und seit ein paar Jahren sogar über mehrere Tage hinweg.

Doch schon bevor der Prime Day startet, locken exklusive Konzerte die Abonnenten vor den Bildschirm oder die Haustür: 2018 traten Sängerin Ariana Grande und 2019 Taylor Swift und Dua Lipa bei gestreamten Konzerten auf. In Deutschland fand sogar zum zweiten Jahr in Folge ein ganzes „Prime Festival“ statt, bei dem deutsche Sänger vor Ort in Berlin auftraten. Dieses Mal war „Nur kurz die Welt retten“-Sänger Tim Bendzko auf der Bühne zu sehen. Aber wie animiert uns Amazon noch, während des Prime Days ordentlich zuzuschlagen?

Countdown zur Schnäppchenjagd

Schon Wochen bevor die Preisschlacht beginnt, kündigt Amazon besondere Highlights des Prime Days als „Sneak Peeks“ (kurze Vorschauen) an. „Im Vorfeld solcher digitalen Großereignisse wird durch gezielte Inszenierung in sozialen Medien eine kollektive Erwartungshaltung erzeugt, die den Konsumdruck erheblich steigert“, erklärt Jan Michael Rasimus von der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Karlsruhe.

Auch unser Gehirn bereitet sich dadurch auf den Prime Day vor. Selbst wenn wir noch gar nicht gekauft haben, aktiviert die Aussicht auf ein tolles Schnäppchen bereits dessen Belohnungssystem. „Botenstoffe wie Dopamin sorgen für Glücksgefühle und steigern das emotionale Verlangen“, so Rasimus. Andere Hirnregionen, die uns sonst rational und vernünftig handeln lassen, sind hingegen weniger aktiv – wir handeln impulsiver.

Angebote im Minutentakt

Sind die Angebote dann endlich da, bekommen wir das Gefühl, alles so schnell wie möglich kaufen zu müssen. Die sogenannte FOMO (Fear of Missing Out), die Angst, etwas zu verpassen, sorgt dafür, dass wir vielleicht nicht immer lang genug darüber nachdenken, ob wir ein Produkt wirklich unbedingt brauchen oder nicht.

Amazon befeuert diese gefühlte Dringlichkeit durch „Blitzangebote“: „Um keine Highlights zu verpassen, sollten Prime-Mitglieder regelmäßig die Angebote prüfen, denn phasenweise sind sogar alle fünf Minuten neue, attraktive Angebote verfügbar“, schreibt das Unternehmen. Diese Angebote im Minutentakt verstärken das Gefühl, ständig „dranbleiben“ und noch schnell zugreifen zu müssen, bevor das Angebot womöglich verschwindet.

Top-Angebot, spare jetzt!

Doch nicht nur durch eine zeitliche Begrenzung der Angebote animiert uns Amazon zum Kauf: Auch leuchtend rote Angebotbanner, Signalwörter wie „Top Deal“, durchgestrichene Preise und große negative Prozentzahlen beeinflussen unser Kaufverhalten. „Diese visuellen Reize ziehen sehr viel Aufmerksamkeit auf sich und haben einen signifikanten Einfluss auf unsere Entscheidungen“, erklärt Rasimus.

Studien mit Eye-Tracking – Geräten, die verfolgen, wo wir hinsehen – zeigen, dass solche Reize sogar unsere Blickführung verändern und dadurch Handlungsimpulse auslösen können. Banner, Prozente und Co springen aber längst nicht nur ins Auge, sondern lösen sogar Glücksgefühle aus. Denn durchgestrichene Preise oder eine deutlich abweichende unverbindliche Preisempfehlung (UVP) des Herstellers suggerieren uns, dass wir, wenn wir jetzt zuschlagen, richtig viel Geld sparen können.

Das funktioniert sogar, wenn wir wissen, dass das Produkt auch schon vor dem Prime Day nicht so viel gekostet hat wie die UVP. „Der ursprüngliche Preis dient als emotionaler Bezugspunkt, nicht als objektiver Vergleichswert. Dadurch kann eine Preisillusion entstehen, die das Angebot besonders attraktiv erscheinen lässt“, erklärt der Marketingexperte.

Kaufen oder nicht kaufen?

Ebenfalls tückisch: Wir Menschen sind soziale Tiere. Sind wir unsicher, orientieren wir uns gerne am Verhalten anderer, besonders dann, wenn wir schnell entscheiden müssen. Sind wir uns noch unsicher, welches Paar Kopfhörer es denn nun sein soll, vermitteln uns Hinweise wie „bereits 2.000-mal verkauft“ oder „besonders beliebt“, dass viele andere sich für diese und nicht die anderen Kopfhörer entschieden haben. Das erzeugt unterschwelligen Gruppendruck und macht das Angebot attraktiver. Wir denken: Was viele andere kaufen, kann ja nur gut sein.

Auch die von uns vorab investierte Zeit spielt eine Rolle bei unseren Kaufentscheidungen. Wer bereits viel Zeit in die Suche nach dem besten Produkt und dem besten Angebot gesteckt hat, ist eher geneigt, eine Kaufentscheidung zu treffen. Auch wenn wir uns noch etwas unsicher sind, soll sich der Aufwand, den wir in diese Suche investiert haben, lohnen. In der Folge rechtfertigen wir so auch eigentlich unnötige Anschaffungen.

Tipps für den Angebotsdschungel

Um im Angebotsdschungel trotzdem gute Entscheidungen zu treffen, hilft es, sich schon vor dem Prime Day Gedanken zu machen, welche Produkte gekauft werden sollen, und am Angebotstag auch nur nach diesen zu suchen. Zusätzlich ist es hilfreich, die Preisentwicklung des Produkts zu beobachten. Vergleichsportale wie Idealo oder Geizhals vergleichen Produkte mehrerer Anbieter. Die Website Keepa zeigt die Preisentwicklung speziell für bei Amazon erhältliche Produkte.

Wer Gefahr läuft, schnell mehr auszugeben als geplant, sollte sich außerdem eine Budgetobergrenze setzen. Auch kann es helfen, geplante Käufe mit anderen zu besprechen – dann denken wir automatisch bewusster über unsere Entscheidung nach. Und um impulsive Entscheidungen zu verhindern, hilft eine zehnminütige Bedenkzeit vor dem finalen Klick auf den Kaufen-Button.

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