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Bose-Einstein-Kondensate: Universelle Kälterekorde

Was ist kälter als das Universum?

Ein Physiklabor. So unglaublich es klingt: In Kältelaboren wurden Temperaturen erzeugt, die unter der Temperatur des Weltraums liegen. Dieser macht zwar mit 2,7 Kelvin (2,7 Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt) seiner sprichwörtlichen Kälte alle Ehre. Doch er besitzt als Nachglimmen des Urknalls eben doch noch eine gewisse Restwärme, die mit dieser Temperaturangabe ausgedrückt wird. Kältegrade in diesem Bereich konnte zwar bereits Anfang des 20. Jahrhunderts der niederländische Nobelpreisträger und Pionier der Tieftemperaturphysik Heike Kamerlingh Onnes (1853–1926) erzeugen. Doch erst heute stoßen Physiker in die Größenordnung von Mikro- und Nanokelvin (Millionstel bzw. Milliardstel Kelvin) vor, Temperaturen, die in der Natur nicht vorkommen, sonden nur von hinreichend intelligenten Lebewesen erzeugt werden können.

Was ist ein Bose-Einstein-Kondensat?

Ein exotischer Materiezustand, bei dem alle Atome sich auf exakt dieselbe Weise verhalten und der nur bei extrem tiefen Temperaturen erreicht wird. Vorhergesagt haben ihn in den 1920er Jahren der indische Physiker Satyendra Nath Bose (1894–1974) und Albert Einstein (1879–1955). Doch erst 1995 konnte dieser Zustand tatsächlich präpariert werden. Für diese experimentelle Meisterleistung erhielten Eric A. Cornell, Wolfgang Ketterle und Carl E. Wieman 2001 den Physiknobelpreis.

In einem Bose-Einstein-Kondensat (meist englisch mit »BEC« abgekürzt) herrschen seltsame Verhältnisse. Alle Atome befinden sich im selben Quantenzustand: Sie befinden sich exakt am gleichen Ort, bewegen sich in die gleiche Richtung, rotieren gleichsinnig usw. Sie sind vollkommen ununterscheidbar und müssen mathematisch wie ein einziges großes Teilchen beschrieben werden. Die Temperatur, bei der das erste BEC entstand, liegt bei unvorstellbar niedrigen 200 Nanokelvin, 200 Milliardstel Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt.

Wie erreicht man derart extreme Kältegrade?

Durch eine Kombination verschiedener Verfahren, wobei magnetische, Laser- und Verdunstungskühlung eine Rolle spielen. Die Verdunstungskühlung gehört zum praktischen Alltagswissen, denn um nichts anderes handelt es sich, wenn man auf eine zu heiße Tasse Kaffee pustet, um sie abzukühlen. In der Tieftemperaturphysik bildet sie allerdings die letzte Stufe der Kühlkaskade – man lässt die bereits auf extrem tiefe Temperaturen abgekühlte Materieprobe einfach durch Verdunstung die schnellsten Atome verlieren und senkt damit die Durchschnittsgeschwindigkeit, also die Temperatur.

Interessant ist das Verfahren der Laserkühlung. Hierbei werden mit Laserstrahlen Atome, deren Geschwindigkeit über dem Durchschnitt liegt, gezielt aus der Probe entfernt. Um alle drei Raumrichtungen abzudecken, müssen drei gekreuzte Strahlen benutzt werden.

Übrigens: Die Herstellung von Temperaturen in der Nähe des absoluten Nullpunkts ist sehr schwierig, denn je geringer die Temperatur ist, desto weniger Stöße zwischen den Bestandteilen der Substanz treten auf. Weil aber Wärme durch Stöße zwischen Atomen übertragen wird, kann bei sinkender Temperatur immer weniger Wärme abgeführt werden. Darum wird es, je näher man dem Nullpunkt kommt, immer schwieriger, noch mehr Wärme abzuführen.

Was bieten Bose-Einstein-Kondensate?

Heutzutage sind sie zunächst ideale Untersuchungsobjekte für die experimentelle Quantenmechanik, denn ähnlich wie bei der Supraleitung lassen sich Quanteneffekte bei Objekten beobachten, die immerhin einige Millimeter Größe aufweisen.

Aber Ingenieure und Konzernvorstände träumen bereits von konkreten Anwendungen: Atome aus einem BEC haben eine, verglichen mit Licht, sehr kurze Wellenlänge. Ein Messinstrument mit einem »Atomlaser«, der analog zum optischen Laser kohärente Atomstrahlen aus einem BEC entweichen lässt, könnte höchste Auflösungen erreichen. Auch höchstempfindliche Sensoren für Schwerkraft oder Drehbewegungen sowie Quantencomputer, die mit Atomen anstelle von Elektronen rechnen, sind denkbar.

Wie macht man Luft flüssig?

Mit dem bereits 1895 entwickelten und patentierten Linde-Verfahren. Es beruht im Prinzip genau wie ein Haushaltskühlschrank darauf, dass sich Gase erwärmen, wenn sie verdichtet werden, und abkühlen, wenn sie »entspannt« sind, d. h., sich wieder ausdehnen. Vergrößert man ihr Volumen wieder, sinkt der Druck und die Gase kühlen wieder ab. Der Trick besteht nun darin, das Gas zu komprimieren und im verdichteten Zustand weiter abzukühlen. Beim Entspannen sinkt die Temperatur dann unter die Ausgangstemperatur. Beim Linde-Verfahren nutzt man in einem mehrstufigen Prozess das entkomprimierte Gas zur Vorkühlung des verdichteten Gases. So erreicht man schließlich die für Luft und andere häufige Gase niedrigen Siedetemperaturen (für Luft etwa –193 °C). Ferner lässt sich so Luft in ihre Bestandteile trennen, da die einzelnen Komponenten bei jeweils unterschiedlichen Temperaturen flüssig werden. Das Linde-Verfahren ist auch heute noch die erste Kühlstufe in Anlagen zur Erzeugung der ultraniedrigen Temperaturen von Bose-Einstein-Kondensaten.

Wussten Sie, dass …

es zwei Klassen von Elementarteilchen gibt? Eine von ihnen wird zu Ehren von Bose als »Bosonen« bezeichnet, nur diese können Bose-Einstein-Kondensate bilden. Zu den Bosonen gehören Lichtteilchen (Photonen) und viele Atome. Elektronen, Protonen und Neutronen dagegen sind »Fermionen« (nach dem italienischen Physiker Enrico Fermi) und können niemals ein BEC bilden.

farbiges Licht nur möglich ist, weil Lichtteilchen Bosonen sind? Wären Photonen Fermionen, dürften nicht zwei von ihnen dieselbe Energie, also dieselbe Farbe aufweisen. Alles Licht wäre dann ein Gemisch von Photonen unterschiedlicher Farbe – also weiß.

ein Laser darauf beruht, dass die Photonen Bosonen sind? Das wichtigste Merkmal eines Lasers ist ja, dass alle Photonen exakt dieselbe Energie (also dieselbe Wellenlänge bzw. dieselbe Farbe) haben.

Helium bei extrem niedrigen Temperaturen kein BEC bildet, sondern ein anderes Quantenphänomen namens »Suprafluidität« zeigt? Suprafluides Helium fließt ohne jede Reibung, ähnlich wie supraleitende Metalle ohne Widerstand Strom leiten können.

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