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Der Neandertaler: Evolution in der Sackgasse?

Wie kam der Neandertaler zu seinem Namen?

Die ersten Überreste dieser Menschenart wurden im Neandertal gefunden, das etwa auf halbem Weg zwischen Düsseldorf und dem heutigen Wuppertal gelegen ist. Künstler und andere »Schwarmgeister« suchten es gern auf, doch ab 1856 störte ein Kalksteinbruch das Idyll. Bereits zwei Jahre später fanden Arbeiter seltsam geformte Menschenknochen sowie eine Schädelplatte. 1864 wurden sie wissenschaftlich einer ausgestorbenen Menschenart, dem Homo neanderthalensis, zugeordnet – ein unerhörter Vorgang, war doch damals die Abstammung des Menschen von »niedriger« entwickelten Lebewesen noch lange nicht allgemein akzeptiert.

Später zeigte sich, dass man – ohne es zu bemerken – schon vorher Neandertalerknochen gefunden hatte, etwa bei Gibraltar oder Lüttich. Bis heute hat man einen reichhaltigen Bestand an Fossilien, Werkzeugen und anderen Spuren von über 300 verschiedenen Neandertalern gefunden. Sie lebten fast im gesamten Europa sowie im Nahen Osten, nach Norden wurde der Lebensraum durch die eiszeitlichen Gletschermassen begrenzt. Die ältesten Funde datieren etwa aus der Zeit 150 000 Jahre vor heute, die jüngsten sind rund 35 000 Jahre alt.

Ist der Neandertaler ausgestorben?

Nicht unbedingt – es gibt zwar heute definitiv keine lebenden Neandertaler mehr, doch er könnte sich auch mit unseren Vorfahren vermischt haben, wobei die äußeren Merkmale mit der Zeit verschwanden.

Die archäologischen Befunde lassen an einem keinen Zweifel: Zumindest zeitweise müssen Neandertaler und Menschen der Art Homo sapiens gleichzeitig am selben Ort gelebt haben. Der moderne Mensch ist hier seit etwa 40 000 Jahren ansässig. Der Neandertaler verabschiedete sich dagegen erst vor etwa 30 000 Jahren von der Bühne der Welt. Einige Jahrtausende lang konnten sich beide Menschenarten also begegnen. Allerdings war Europa damals weit dünner besiedelt als heute. In Kleinasien dagegen koexistierten Mensch und Neandertaler bis zu 50 000 Jahre lang.

Warum verschwand der Neandertaler?

Diese Frage wirft bis heute Rätsel auf. Wurde der Neandertaler vom modernen Menschen verdrängt oder gar ausgerottet? Oder vermischten sich beide Bevölkerungen, wobei das Neandertaler-Erbgut erst allmählich aus dem Genpool verschwand? Denn eines ist relativ sicher: Die Gene des heutigen Menschen weisen kaum Übereinstimmung mit solchen Genproben auf, die aus fossilen Überresten von Neandertalern isoliert wurden.

Die archäologischen Erkenntnisse sind weniger eindeutig. Es wurden zwar Neandertalerknochen gefunden, die Spuren von Verletzungen durch Pfeile oder Speere aufwiesen. Doch ob dies Unfälle waren oder Angriffe und von wem die Angriffe ausgingen, ist nicht festzustellen. Verhältnismäßig gesichert ist, dass beide Arten mitunter ähnliche Werkzeuge und Schmuckstücke verwendeten. Dies lässt auf Handelsbeziehungen oder kulturellen Austausch schließen.

Andere Forscher meinen, dass es sowohl kriegerisches als auch friedliches Nebeneinander gab, entscheidend jedoch andere Faktoren waren: Neandertaler waren mit ihrem gedrungenen Körperbau besonders an kalte Klimate angepasst und damit weniger flexibel als die aus Afrika stammenden Cro-Magnon-Menschen. Das Aussterben der Neandertaler fand trotz ihrer Anpassung an Kälte möglicherweise lange vor Ende der letzten Eiszeit statt. Dies ist der Ausgangspunkt für eine neue These, welche annimmt, dass vor 30 000 Jahren sowohl die europäischen Neandertaler als auch die ansässigen Cro-Magnon-Menschen einer besonders harten Kälteperiode zum Opfer gefallen sind. Weiter südlich lebende Jetztmenschen besiedelten dann später Europa von neuem.

War er primitiv und brutal?

Früher galten Neandertaler als einfältige, kräftige und bösartige Gesellen. Schuld daran hatte wohl zum einen der gedrungene, muskulöse Körperbau, zum anderen aber vor allem das Bedürfnis, den Homo sapiens sapiens als unangefochtene Krone der Schöpfung darzustellen. Heute weiß man, dass Neandertaler vielfältige Werkzeuge und Kleidung herstellten. Für soziale Beziehungen, Bestattungen, religiöse Vorstellungen und künstlerische Betätigung gibt es zumindest Indizien.

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War der Neandertaler eher Affe oder Mensch?

Der Neandertaler war eindeutig ein Mensch. Vor 4–8 Millionen Jahren lebte der letzte gemeinsame Vorfahre von Schimpanse und Mensch. Es gab seitdem mehrere verschiedene Gattungen so genannter Frühmenschen. Die ältesten Mitglieder der Gattung Homo – die Altmenschen – traten vor rund zwei Millionen Jahren auf. Zu ihnen gehören unter anderem Homo erectus und der Neandertaler.

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