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Willy Brandt: Der Kanzler der Ostpolitik

Wie verlief Willy Brandts Weg ins Bundeskanzleramt?

Als Herbert Ernst Karl Frahm 1913 in Lübeck geboren und früh in die SPD eingetreten, musste er als Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei vor den Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen. In Norwegen und Schweden wurde er in der Folge fest in die Arbeiterbewegung eingebunden. Unter seinem Decknamen »Willy Brandt« kehrte er 1945 aus dem Exil zurück. Als Bürgermeister West-Berlins rückte Brandt während der Berlin-Krise (1958) und des Mauerbaus (1961) in den weltpolitischen Blickpunkt. 1964 wurde er Vorsitzender der SPD, 1966 Außenminister der Großen Koalition. Im Frühjahr 1969 kündigte die Wahl des Sozialdemokraten Gustav Heinemann zum Bundespräsidenten einen Machtwechsel an. Nach der Bundestagswahl im Herbst entschlossen sich SPD und FDP zu einer Koalition. Mit knapper Mehrheit wurde Willy Brandt zum vierten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt.

War der Sozialdemokrat ein »Menschenfischer«?

Das war er. Willy Brandt verfügte über eine große Ausstrahlung, mit der er die Mitglieder der SPD emotional an sich und an die Partei zu binden vermochte, mit seinem Charisma, seiner Weltoffenheit und seinen fortschrittlichen politischen Ansichten verkörperte er die verbreitete Aufbruchsstimmung der späten 1960er und frühen 1970er Jahre und sprach Menschen weit über die klassische Wählerschaft der SPD an. Das Ausland sah in Willy Brandt vor allem einen Vertreter des antifaschistischen Deutschlands.

Was wollte der neue Kanzler anders machen?

In der ersten Regierungserklärung zeigte Willy Brandt die Richtung seiner Politik auf. Allgemein beschrieb er die angestrebte Erneuerung damit, dass man »mehr Demokratie wagen« wolle. Der Einzelne sollte zum mündigen Bürger werden, der in einen gesellschaftlichen Reformprozess eingebunden war. Zur Verwirklichung aller beabsichtigten Neuansätze legte das Kabinett Brandt einen umfassenden Katalog vor.

Worauf zielte Brandts Außenpolitik?

Kernstücke von Brandts Außenpolitik waren die Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn Deutschlands und die Definition eines neuen Verhältnisses zur DDR. Brandt ging in seiner Ostpolitk aber nicht so weit, die Existenz zweier deutscher Staaten anzuerkennen. Die Beziehungen zueinander konnten für ihn »nur von besonderer Art« sein. Für eine gegenseitige Annäherung bildete die Aussöhnung mit den Nachbarn im Osten eine notwendige Bedingung. Die Anerkennung des Status quo in den Verträgen von Moskau und Warschau im Jahr 1970 ist einer der Meilensteine der Regierung von Willy Brandt. Erst hierdurch konnten beide deutsche Staaten im Grundlagenvertrag 1972 ihr Verhältnis zueinander regeln und das Miteinander der Menschen erleichtern. Mit der Verleihung des Friedensnobelpreises 1971 fand Willy Brandt für seine Entspannungspolitik die höchste internationale Anerkennung.

Wie reagierte die Opposition auf die Ostpolitik?

Die Deutschland- und Ostpolitik war ein gesellschaftspolitisches Konfliktfeld. Insbesondere die Opposition sah die Chance auf eine Wiedervereinigung vergeben. Ein konstruktives Misstrauensvotum der Union 1972 vermochte den Kanzler jedoch nicht zu stürzen. Die nachfolgenden Neuwahlen wurden von den Parteien zu einer Art »Volksabstimmung« über die Ostpolitik gestaltet. Willy Brandt gewann mit großer Mehrheit.

Wie sahen die letzten Lebensjahrzehnte des Politikers aus?

In der Folgezeit forderten die physischen Anstrengungen des Amtes als Bundeskanzler und der gleichzeitigen Tätigkeit als Vorsitzer der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ihren Tribut. Krankheit und Depressionen beeinträchtigten den Kanzler. Auch innerhalb der SPD war Willy Brandt nicht länger unumstritten. Die Affäre um den DDR-Spion Günter Guillaume bereitete der Kanzlerschaft dann ein Ende. 1974 trat Brandt als Bundeskanzler zurück.

Auch nach seinem Rücktritt blieb er SPD-Chef. Als Vorsitzender der Sozialistischen Internationale und der Nord-Süd-Kommission blieb er an wichtigen Stellen in die internationale Politik integriert. 1983 heiratete er in dritter Ehe seine Assistentin Brigitte Seebacher. 1991 erkrankte Willy Brandt an Krebs, im Jahr darauf starb er.

Was geschah beim Misstrauensvotum gegen Brandt?

1972 glaubte der Oppositionsführer Rainer Barzel, im Bundestag über eine Mehrheit gegen Brandt zu verfügen. Beim konstruktiven Misstrauensvotum fehlten ihm jedoch zwei Stimmen. Diese hatte, wie sich später herausstellte, der Staatssicherheitsdienst der DDR gekauft. Brandt blieb Kanzler, führte aber für den Herbst 1972 Neuwahlen herbei, die er triumphal gewann.

Wussten Sie, dass …

Brandt nach seinem Abitur 1932 zunächst ein Volontariat bei einem Schiffsmakler in Lübeck begann?

Willy Brandt in seinen ersten beiden Ehen jeweils mit Norwegerinnen verheiratet war?

der spätere Bundeskanzler 1937 als Journalist auf republikanischer Seite über den spanischen Bürgerkrieg berichtete?

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