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Erster Weltkrieg und Weimarer Republik – Demokratie scheitert
Die Reichstagsrede Bernhard von Bülows vom 6. Dezember 1897 steht exemplarisch für Deutschlands imperialistische Kolonialpolitik seit 1890, denn darin heißt es: »Wir wollen niemand in den Schatten stellen, aber wir verlangen auch unsern Platz an der Sonne.« Der »neue Kurs« von Kaiser Wilhelm II. brachte das Gleichgewicht unter den großen Nationen Europas empfindlich ins Wanken, das Otto von Bismarck zuvor durch ein umfangreiches Bündnissystem abgesichert hatte. Der sich entwickelnde Gegensatz zwischen einer russisch-französisch-britischen Allianz und einem deutsch-österreichischen Bündnis hatte noch im Ersten Weltkrieg Bestand, der sich 1914 am »Pulverfass« Balkan entzündete.
In einer Denkschrift vom 26. März 1919 warnte der britische Premierminister David Lloyd George dann seinen für die Ausgestaltung des Versailler Vertrags mitverantwortlichen Kollegen, den französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau, vor einer zu harten Bestrafung des als Hauptkriegsschuldiger eingestuften Deutschland: » ... wenn es sich im Frieden von 1919 ungerecht behandelt fühlt, wird es Mittel finden, um an seinen Besiegern Rache zu nehmen …«
Das republikanische Experiment »Weimar« und damit die deutschen Lehrjahre in Sachen Demokratie scheiterten nach knapp 14 Jahren – neben der Schmach und den harten Bedingungen des Versailler Vertrages an Wirtschaftskrisen, zunehmender politischer Polarisierung und strukturellen Defiziten der Verfassung. Selbst in den viel gerühmten »Goldenen Zwanzigern« gab es Putschversuche und Straßenkämpfe, ständig wechselnde Regierungen und hohe Arbeitslosenquoten.
1914–1918 | Erster Weltkrieg |
1917 | Oktoberrevolution in Russland |
1919 | Versailler Vertrag und Weimarer Verfassung |
1920 | Der Völkerbund nimmt seine Arbeit auf |
1922 | »Marsch auf Rom«: Mussolini übernimmt die Macht in Italien |
Gründung der UdSSR | |
1929 | Der Crash an der Wallstreet (»Schwarzer Freitag«) leitet die Weltwirtschaftskrise ein |
1932 | Die NSDAP wird stärkste Partei im Reichstag |
Konfliktherde vor dem Ersten Weltkrieg: Wettstreit der Großmächte
Welche Großmächte rivalisierten auf dem Balkan?
Russland, die Osmanen und Österreich versuchten ihren Einfluss dort auszudehnen. In den 1830er Jahren setzte in Ostmitteleuropa eine Bewegung für den Zusammenschluss und die nationale Selbstbestimmung der Slawen ein, der Panslawismus. Russland förderte diese Bewegung und bemühte sich zugleich, eine Führungsrolle in einem allslawischen Staatenbund zu übernehmen. Ein Aufstand in der von den Osmanen regierten Herzegowina mobilisierte 1875 die Balkanregion gegen die »türkischen Unterdrücker«. Zar Alexander II. (reg. 1855–1881) verdrängte die Türken 1877/78 im Russisch-Türkischen Krieg vom europäischen Kontinent. 1878 wurde auf dem Berliner Kongress eine neue Balkanordnung festgelegt: Rumänien, Serbien und Montenegro wurden zu unabhängigen Staaten erklärt, Bulgarien zum dem Osmanischen Reich tributpflichtigen Fürstentum. Bosnien und die Herzegowina kamen unter österreichische Verwaltung. 1909 erklärte sich Bulgarien zum souveränen Staat, Österreich annektierte Bosnien und die Herzegowina.
Wer bekämpfte sich in den Balkankriegen?
1912/13 brach der Krieg zwischen den vereinigten Balkanstaaten Serbien (unterstützt von Russland), Bulgarien, Griechenland und Montenegro gegen die Türken aus, die bis auf die äußerste Südostecke ihres europäischen Besitzes zurückgedrängt wurden. Serbien wollte den Raum besetzen und sich bis zur Adria ausdehnen. Nur der Einfluss Deutschlands auf Österreich und Großbritanniens Einwirken auf Russland konnten diesen Ersten Balkankrieg beenden. Doch Streit um die makedonische Beute führte bereits 1913 zum Zweiten Balkankrieg. Dabei wurde Bulgarien vernichtend geschlagen. Österreich setzte die Gründung eines unabhängigen Albanien durch, wodurch der Zugang Serbiens zum Meer verhindert wurde. Auch im Zweiten Balkankrieg war es Großbritannien und Deutschland gelungen, eine europäische Ausweitung des Konflikts zu vermeiden.
Worum stritten Deutschland und Frankreich?
Um Elsass und Lothringen, die nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 ins Deutsche Kaiserreich eingegliedert wurden. Seither fürchteten deutsche Regierungen, dass Frankreich außenpolitische Krisen Deutschlands als Vorwand zur Rückeroberung dieser Gebiete nutzen würde. Bismarck konnte diese Gefahr durch diplomatisches Geschick bannen: Ein kompliziertes, auf Balance der Mächte ausgelegtes Bündnissystem des Reichskanzlers mit Österreich-Ungarn, Italien und Russland band den Feind im Westen. Als Wilhelm II. jedoch den 1887 geschlossenen Rückversicherungsvertrag mit Russland 1890 nicht verlängerte, kam es ab 1892 zu einem gegen Deutschland gerichteten Militärbündnis zwischen Frankreich und Russland.
Wie gefährdete Wilhelm II. den Frieden?
Die imperialistische »Weltpolitik« Kaiser Wilhelms II. richtete sich gegen den politischen Einfluss Frankreichs in Marokko. Seine Versuche, 1905 durch Intervention beim Sultan von Marokko und 1911 durch Entsendung des Kanonenboots »Panther« nach Agadir (Panthersprung) die eigene Stellung in dem nordafrikanischen Land zu festigen, lösten zwei schwere internationale Krisen aus. Danach musste das Deutsche Reich jedoch auf alle Ansprüche auf Marokko verzichten und stand außenpolitisch isoliert da.
Wie kam es zum Konflikt mit Großbritannien?
Die Flottenpolitik von Wilhelm II. war darauf ausgerichtet, Deutschland den zweiten Platz unter den Seemächten hinter Großbritannien zu verschaffen und selbst der britischen Kriegsflotte im Ernstfall Paroli bieten zu können. Dazu wurden vom Deutschen Reichstag ab 1898 mehrere Flottengesetze beschlossen. Der Plan, auf diese Weise die Briten zur Neutralität oder gar Freundschaft bewegen zu können, scheiterte: Stattdessen kam es zum Wettrüsten zwischen den beiden Großmächten.
Einigten sich Deutschland und Großbritannien?
Nein, mögliche Bündnisse zwischen Großbritannien und Deutschland scheiterten. Nach dem Abbruch der Verhandlungen 1901 einigten sich die Briten mit Japan (1902) und Frankreich (Entente cordiale, 1904) und bildeten eine dem deutsch-österreichisch-italienischen Dreibund gegenübertretende so genannte Triple-Entente mit Frankreich und Russland (1907). Sowohl die Überwindung des englisch-französischen wie englisch-russischen Gegensatzes (wegen gegenseitiger Kolonialansprüche in Asien) schien der deutschen Regierung undenkbar. Ein Flottenabkommen kam 1912 aufgrund der deutschen Forderung nach einem Neutralitäts- beziehungsweise Nichtangriffspakt nicht zustande.
Wie wurden Russen und Türken zu Erzfeinden?
Katharina II. von Russland (reg. 1762–1796) führte zwei Kriege gegen das Osmanische Reich (1768–1774 und 1787– 1792), wodurch sie die Nordküste des Schwarzen Meeres gewann. Auch die Expansionspolitik unter Nikolaus I. (reg. 1825–1855) war primär gegen die Türken gerichtet. Die Forderung, christlichen Untertanen privilegierte Stellungen und die russische Schutzherrschaft zu garantieren, wurde abgelehnt, eine russische Besetzung der Donaufürstentümer 1853 war die Folge. Im Krimkrieg (1853/54–1856), bei dem sich auch Großbritannien und Frankreich gegen Russland stellten, verlor das Zarenreich das Donaudelta und Südbessarabien. Trotz des Sieges im Russisch-Türkischen Krieg von 1877/78 konnten die Russen auch hier keine bedeutenden territorialen Zugewinne erzielen.
Wussten Sie, dass …
Frankreich und Russland neben der militärischen Stärke auch das dramatische wirtschaftliche Wachstum Deutschlands auf dem industriellen Sektor als Bedrohung empfanden? So produzierte Deutschland 1910 etwa dreimal so viel Roheisen, viermal so viel Stahl und siebenmal so viel Kohle wie Frankreich.
Erster Weltkrieg: Untergang des alten Europa
Wodurch wurde der Erste Weltkrieg ausgelöst?
Ein Attentat gab den Anlass für den Kriegsausbruch: Ein fanatischer Nationalist serbischer Herkunft ermordete am 28. Juni 1914 in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo den habsburgischen Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin. Franz Ferdinand galt als ein Hauptgegner des von den Panslawisten erträumten großserbischen Reiches. Er hatte eine Neugliederung Österreich-Ungarns in einen deutschen, ungarischen und tschechischen Teil (Trialismus-Plan) angestrebt. Für Österreich war das Attentat ein willkommener Anlass, um das als Störfaktor auf dem Balkan betrachtete serbische Königreich zu zerschlagen. Allerdings war Serbien mit Russland verbündet.
Warum griff der Konflikt auf ganz Europa über?
Dass sich der österreichisch-serbische Konflikt ausweitete, lag wesentlich an der Haltung des Deutschen Kaiserreiches. Berlin sagte Österreich am 5. Juli 1914 volle Unterstützung zu (Blankoscheck); das deutsche Militär drängte im Vertrauen auf seinen noch vorhandenen Rüstungsvorsprung auf eine schnelle Entscheidung. Österreich stellte Serbien daraufhin am 23. Juli ein auf 48 Stunden befristetes Ultimatum mit eigentlich nicht annehmbaren Forderungen: die Bestrafung aller am Attentat von Sarajevo Beteiligten, die Sicherung gegen künftige antihabsburgische Aktionen und das Verbot jeder feindlichen Propaganda. Nur eine der insgesamt zehn Forderungen – die Mitwirkung österreichischer Beamter an der Untersuchung des Attentats – wurde verweigert, für das kriegswillige Österreich Grund genug, Serbien am 28. Juli den Krieg zu erklären.
Russland griff daraufhin auf Seiten Serbiens, Deutschland auf Seiten Österreichs ein. Russlands Generalmobilmachung am 30. Juli wurde am 1. August mit der Kriegserklärung des Deutschen Reiches an Russland beantwortet. Die ersten Militäraktionen begannen dann allerdings im Westen: Nach der Kriegserklärung vom 3. August an Frankreich wählten deutsche Truppen, um die Sperrforts und Festungen an der deutsch-französischen Grenze zu umgehen, den Umweg über das neutrale Belgien. Ihr dortiger Einmarsch am 4. August veranlasste England, das darin nicht nur eine Verletzung des Völkerrechts, sondern auch eine strategische Bedrohung sah, noch am selben Tag zum Kriegseintritt. Damit befanden sich alle europäischen Großmächte bis auf Italien (das im Mai 1915 dazukam) im Krieg.
Mit welcher Taktik gingen die Deutschen bei Kriegsbeginn vor?
Das deutsche Militär setzte taktisch auf den Plan von Ex-Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen (1833–1913) aus dem Jahr 1905. Dieser sah für den Fall eines Zweifrontenkrieges vor, zunächst die Franzosen in einem groß angelegten Umfassungsmanöver auf französischem Boden (Ring um Paris) einzukesseln und niederzuwerfen, um dann die Truppen sofort in den Osten gegen Russland zu verlegen. Voraussetzungen für das Gelingen dieses Plans waren ein deutscher Vorsprung bei der Mobilmachung sowie schnelles Handeln gegen die personell überlegenen alliierten Gegner. Die Umsetzung des Schlieffenplans scheiterte am unerwartet frühen Angriff der Russen (was den Abzug mehrerer Divisionen erforderte) und an der Verwicklung der deutschen Truppen im Westen wie im Osten in langwierige Stellungskriege. In der Folge ging es für die Kriegsparteien darum, den entscheidenden Durchbruch an einer der beiden Fronten zu erzielen.
Schlug der Angriff an der Westfront durch?
Nein, nach anfänglich raschem Vordringen wurde der Angriff der deutschen Truppen zwischen dem 5. und 12. September 1914 in der Marneschlacht gestoppt. Der Bewegungskrieg ging in einen mörderischen Stellungs- und Materialkrieg über, bei dem Artilleriefeuer, Granatwerfer, Tanks (Vorläufer der Panzer) und Flugzeuge, Minen und Giftgas eingesetzt wurden. Die Frontlinie dehnte sich von der Nordsee bis zur Schweizer Grenze aus. Zum Symbol des Krieges an der Westfront wurde der blutige Kampf um die französische Stadt Verdun (»Hölle von Verdun«), bei dem zwischen Februar und Dezember 1916 über 600000 deutsche und französische Soldaten den Tod fanden.
Wie verlief der Kampf an der Ostfront?
Zunächst war die deutsche Armee dort siegreich. In zwei großen Schlachten, bei Tannenberg (26.–30. August) und an den Masurischen Seen (6.–15. September), wurden die russischen Heere von den Deutschen unter Generaloberst Paul von Hindenburg und seinem Stabschef Erich Ludendorff geschlagen und aus Ostpreußen zurückgedrängt. Anfang 1915 mussten deutsche Truppen den Österreichern zu Hilfe kommen, die Ostgalizien eingebüßt hatten und nun den Durchbruch der Russen nach Ungarn befürchteten. Eine deutsch-österreichische Armee eroberte im Sommer 1915 Kurland, Litauen und Polen. Aber auch im Osten kam es ab September 1915 zum Stellungskrieg, bei dem sich die Fronten schließlich auf einer Linie von der Ostsee bis zur rumänischen Grenze gegenüberstanden.
Was war das vorrangige Ziel der Alliierten?
Den Alliierten ging es bei ihrer Kriegsstrategie vor allem um die Zerstörung des für den Krieg verantwortlich gemachten »preußischen Militarismus«. England setzte dabei vorwiegend auf wirtschaftliche Kriegsführung in Form einer Seeblockade gegen das Deutsche Reich. Diese wurde von der Nordsee aufs Mittelmeer und von Kriegsmaterial auf Rohstoffe und Lebensmittel ausgedehnt.
Deutschland versuchte daraufhin vergeblich, England durch einen uneingeschränkten U-Boot-Krieg gegen Militär- und Handelsschiffe zum Frieden zu zwingen. Zur einzigen direkten Konfrontation der Kriegsflotten kam es am 31. Mai und 1. Juni 1916 in der Seeschlacht vor dem Skagerrak, bei dem die Deutschen einen taktischen Erfolg, aber keinen entscheidenden Sieg errangen.
Welche Taktiken verfolgten die Kriegsgegner?
Die Alliierten zogen im Mai 1915 das bis dahin neutrale Italien auf ihre Seite. Es wurde durch großzügige Territorialversprechen (Südtirol, Trient, Istrien, Dalmatien) gelockt. Damit eröffnete sich am österreichisch-italienischen Grenzfluss Isonzo eine weitere Kriegsfront gegen die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn.
Mittelmächte wie Alliierte verfolgten die die Taktik, Revolutionen und Aufstände auszulösen. So versuchten die Briten in der arabischen Welt, zum Aufstand gegen die türkische Herrschaft aufzurufen. Deutschland unterstützte separatistische Bewegungen in Kurland, Estland, Litauen, Georgien und der Ukraine, um so das Russische Reich aufzuspalten. Dieser Logik gehorcht auch die finanzielle Unterstützung der sozialistischen Bewegung im Zarenreich durch Deutschland.
Was passierte 1917 in Russland?
Es gab dort durch die Oktoberrevolution einen Machtwechsel. Nach drei erfolglosen russischen Offensiven 1916, der schlechten Lebensmittelversorgung im besonders strengen Winter 1916/17 und wiederholten politischen Unruhen kam es in Russland zunächst zur Februarrevolution: Ende Februar und Anfang März 1917 traten in St. Petersburg Rüstungsarbeiter in den Streik. Das Volk ging auf die Straße, Militärs liefen zu den Aufständischen über. Mitglieder der von Zar Nikolaus II. aufgelösten liberal-bürgerlich orientierten russischen Volksvertretung (Duma) beriefen daraufhin eine Provisorische Regierung, die den Monarchen zur Abdankung nötigte. Daneben bildeten sich von der breiten Masse getragene, sozialistische Arbeiter- und Soldatenräte (Sowjets). Während dieser »Doppelherrschaft« von bürgerlicher Regierung und linksrevolutionärer Rätebewegung wurde der Krieg jedoch aus Bündnistreue zu Frankreich und Großbritannien fortgeführt.
Im April 1917 kehrten mit deutscher Hilfe Führer der radikalen Sozialisten (Bolschewisten) aus dem Exil zurück. Sie übernahmen in der »Oktoberrevolution« unter Führung von Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924) und Leo Trotzkij (1879–1940) die Macht. Ihre Regierung forderte als Erstes die sofortige Beendigung des Krieges und vereinbarte Anfang Dezember 1917 mit den Mittelmächten einen Waffenstillstand, der den formellen Kriegsaustritt Russlands bedeutete. Der Krieg wurde damit zunächst an der Ostfront beendet. Die deutsche Oberste Heeresleitung verpflichtete Russland im Diktatfrieden von Brest-Litowsk (3. März 1918) zur Abtretung umfangreicher Gebiete.
Was bewog Amerika zum Kriegseintritt?
Es war vor allem die Rückkehr Deutschlands am 1. Februar 1917 zum uneingeschränkten U-Boot-Krieg. Durch die neuerlichen Versenkungen neutraler und auch amerikanischer Schiffe sah sich US-Präsident Woodrow Wilson (reg. 1913–1921) im April des Jahres veranlasst, direkt in den Krieg einzugreifen. Die Entsendung amerikanischer Soldaten an die Westfront verschob das Kräfteverhältnis entscheidend zugunsten der Alliierten. Wilson sah dieses Engagement als »Kreuzzug der Demokratie gegen die Mächte der Reaktion«. Seine genauen Vorstellungen von der künftigen Staatenordnung formulierte er in einem Vierzehn-Punkte-Programm für den Weltfrieden.
Nach ihrem Eintritt in den Krieg schickten die USA bis zum Sommer 1918 rund eine Million Soldaten an die Westfront. Der Durchbruch der Alliierten bei Amiens am 8. August 1918 war vorentscheidend für das mit dem Waffenstillstandsabkommen von Compiègne (11. November 1918) besiegelte allgemeine Kriegsende, mit dem schließlich auch die Alliierten den Vertrag von Brest-Litowsk für ungültig erklärten. Am 28. Juni 1919 wurde der Friedensvertrag von Versailles unterzeichnet.
Was geschah in der Schlacht bei Verdun?
Es war eine der verlustreichsten Schlachten des Ersten Weltkriegs. Bei der seit der Niederlage im Krieg 1870/71 von den Franzosen stark ausgebauten Festung Verdun suchten die Deutschen 1916 den entscheidenden Durchbruch an der Westfront. Dabei ging es weniger um Eroberung, als vielmehr um ein »Ausbluten« des Gegners, der sich aus Prestigegründen den Fall von Verdun nicht leisten konnte. Am 21.2. brach nördlich der Stadt der deutsche Angriff auf gut zehn Kilometern Breite los. Wenig später stießen Verbände der 5. Armee auch auf dem linken Flügel vor. Die Höhen »Toter Mann« und »304« sowie das Fort Douaumont wurden genommen, ein Durchbruch aber glückte nicht. Im Gegenteil: Die Verteidiger warfen die Deutschen im Herbst 1916 wieder auf ihre Ausgangsstellungen zurück.
Wussten Sie, dass …
im Ersten Weltkrieg über 8 Millionen Menschen den Tod fanden und rund 20 Millionen verwundet wurden?
der Erste Weltkrieg auch im Nahen Osten stattfand? Das Osmanische Reich war im Oktober 1914 auf der Seite der Mittelmächte in den Krieg eingetreten. So marschierten die Briten auf Bagdad vor und besetzten unter anderem Palästina.
Wussten Sie, dass …
im Verlauf des U-Bootkriegs von den Deutschen unter anderem das britische Passagierschiff »Lusitania« am 7. Mai 1915 versenkt wurde? 1200 Menschen, darunter 100 Amerikaner, kamen ums Leben.
Deutschland durch den Ersten Weltkrieg seine Kolonien verlor? Deutsch-Südwestafrika wurde von den Südafrikanern eingenommen, Kamerun und Togo von den Briten und den Franzosen. Deutsch-Ostafrika, das bis Kriegsende verteidigt wurde, eroberten Briten und Belgier.
Was sahen die 14 Punkte des amerikanischen Präsidenten vor?
US-Präsident Woodrow Wilson entwickelte am 8. Januar 1918 in einer Rede vor dem Senat ein Programm zur Beendigung des Weltkrieges, zur Neuordnung Europas und Schaffung eines dauerhaften Weltfriedens. Insbesondere wollte er vielen Nationalitäten zu einem Selbstbestimmungsrecht verhelfen. Das betraf vor allem die Völker, die vor dem Ersten Weltkrieg zu Österreich-Ungarn gehörten, oder auch diejenigen, die Teil des Osmanischen Reichs waren, aber auch das zwischen Deutschland und Russland liegende Polen. Gemäß den Prinzipien nationaler Selbstbestimmung sollten auch viele Grenzen korrigiert werden, so die von Italien. Darüber hinaus strebte Wilson eine »allgemeine Gesellschaft der Nationen« an.
Revolution: In Russland gesiegt, in Deutschland gescheitert
Warum kam es 1905 in Russland zu den ersten Aufständen?
Die Menschen lehnten sich gegen das Elend auf. Ende des 19. Jahrhunderts lebte ein Großteil der russischen Bevölkerung in Armut und Unterdrückung. Zar Nikolaus II. wollte trotz wachsender Unzufriedenheit nicht von der autokratischen Herrschaft abrücken.
Am 22. Januar 1905 kam es unter Führung von Sozialistengruppen in St. Petersburg zu einer Demonstration für Reformen, die von der Armee niedergeschlagen wurde (»Blutsonntag«). Als Folge hielten während des Jahres 1905 Streiks und Aufstände in den Industriegebieten Russlands an. Im Oktober bildete sich in St. Petersburg ein Rat aus Arbeitern (Sowjet), der einen Generalstreik anführen sollte, später jedoch verhaftet wurde.
Wie verlief die russische Revolution?
Während des Ersten Weltkriegs, der die Lage der Bevölkerung noch weiter verschlechterte, kam es dann 1917 zur so genannten Februarrevolution. In St. Petersburg wurde der Generalstreik ausgerufen, dann wurden für die Hauptstadt Arbeiter- und Soldatenräte, die Sowjets, gewählt, es wurde eine gemäßigte »Provisorische Regierung« gebildet, und der Zar musste abdanken. Zwischen Regierung und Sowjets kam es jedoch bald zu Meinungsverschiedenheiten.
In dieser Situation trat Wladimir I. Lenin auf den Plan, der aus dem westeuropäischen Exil die Bolschewiki, eine Abspaltung der russischen Sozialdemokraten, führte. Nachdem Lenin mit deutscher Hilfe in einem versiegelten Zug nach Russland zurückgekehrt war, übernahmen am 7./8. November (nach dem damals in Russland gültigen Julianischen Kalender am 15./26. Oktober, daher der Name Oktoberrevolution) die Bolschewiki die Macht. Die Provisorische Regierung wurde abgesetzt und eine »Arbeiter- und Bauernregierung« unter Führung Lenins gebildet, die zunächst provisorischen Charakter besaß. Zu den ersten Beschlüssen der neuen Regierung gehörte die Enteignung der Landbesitzer sowie die Beendigung des Kriegs.
Konnten die Bolschewiki ihre Macht erhalten?
Ja. Nachdem 1918 schließlich die Bolschewiki alle nichtbolschewistischen Kräfte ausgeschaltet hatten, wurde am 10. Juli 1918 mit der Verkündung der Verfassung die Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik gegründet. Die Bolschewiki übernahmen, jetzt als Kommunistische Partei Russlands, die Diktatur des Proletariats, das heißt, von nun an sollte die Partei die führende und alleinige Macht im Staat innehaben, auch wenn die Bolschewiki mit ihrer Roten Armee noch für einige Jahre in einen Bürgerkrieg mit konservativen Kräften verwickelt wurden.
Am 30. Dezember 1922 entstand durch Zusammenschluss der Russischen Sowjetrepublik mit der Ukraine, Weißrussland und der Transkaukasischen Föderation die Sowjetunion.
Wie begann die deutsche Revolution?
Die revolutionären Aufstände in Deutschland begannen am 29. Oktober 1918 in Kiel und Wilhelmshaven mit einem Matrosenaufstand. Der Aufstand erreichte am 9. November Berlin, Kaiser Wilhelm II. dankte ab, Reichskanzler Prinz Max von Baden übertrug dem Parteichef der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Friedrich Ebert, die Regierungsgeschäfte. In zahlreichen Städten bildeten sich Arbeiter- und Soldatenräte. Um einer revolutionären Entwicklung wie der in Russland zuvorzukommen, rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann mittags am 9. November vom Reichstag aus die Republik aus.
Siegte in Deutschland die Revolution?
Nein. Zwar proklamierte der zum kommunistischen Spartakusbund gehörende Karl Liebknecht am 9. November nachmittags die Freie Sozialistische Republik und wollte eine Räterepublik errichten. Aber gemäßigte sozialdemokratische Kräfte bildeten am 10. November mit dem »Rat der Volksbeauftragten« eine Regierung, die von der Armee unterstützt wurde und in Straßenkämpfen gegen revolutionäre Kräfte vorging. Im Januar 1919 rief u. a. Karl Liebknecht dazu auf, die Regierung zu stürzen. Es kam zu Aufständen, doch Anfang Februar konnte sich in Weimar eine deutsche Nationalversammlung konstituieren.
Was waren die wichtigen Stationen im Leben Wladimir Iljitsch Lenins?
Der am 22.4.1870 in Simbirsk als Wladimir Iljitsch Uljanow geborene Lenin gründete 1895 den Kampfbund zur Befreiung der Arbeiterklasse. 1897 wurde er für drei Jahre nach Sibirien verbannt. Danach emigrierte er nach Westeuropa, mit Stationen u. a. in London und München. In der Schrift »Was tun?« (1902) propagierte er die Führung der Arbeiterklasse durch die Partei. 1903 spaltete sich die russische Sozialdemokratie auf Lenins Bestreben hin in die Bolschewiki, die späteren Kommunisten, und die gemäßigten Menschewiki. 1905 nahm er an der ersten russischen Revolution teil, ging anschließend jedoch wieder in die Emigration. An der Februar- und Oktoberrevolution 1917 in Russland war Lenin maßgeblich beteiligt. Er wurde Vorsitzender des Rats der Volkskommissare und setzte mit der Parteiherrschaft die Diktatur des Proletariats durch. Lenin starb am 21.1.1924 in Gorki bei Moskau.
Wussten Sie, dass …
die russischen Bauern, also 80 % der Bevölkerung, bis 1861 Leibeigene waren?
Zar Nikolaus II. 1905 zwar zustimmte, ein Parlament (Duma) zu gründen, es aber wenig Befugnisse erhielt und jederzeit von ihm aufgelöst werden konnte?
Sergej Eisenstein die revolutionären Ereignisse 1905 in »Panzerkreuzer Potemkin« filmisch verarbeitete?
Europa nach dem Ersten Weltkrieg: Eine fragile Friedensordnung
Wie sah die Nachkriegsordnung in Europa aus?
Die Siegerstaaten des Ersten Weltkrieges, darunter die fünf Großmächte USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan, lösten 1919/20 die alte europäische Staatenordnung auf. Im Versailler Vertrag, der am 28. Juni 1919 unterzeichnet wurde, siegte das französische Interesse an einer deutlichen Schwächung Deutschlands. Österreich-Ungarn wurde zerschlagen, das sowjetische Russland ausgeklammert und durch Bildung neuer Mittel- und Kleinstaaten als »Sicherheitsgürtel gegen den Bolschewismus« isoliert. Der Versailler Vertrag trug die Handschrift des französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau (reg. 1906–1909 und 1917–1920) und des britischen Premierministers David Lloyd George (reg. 1916–1922).
Was schrieb der Versailler Vertrag fest?
Die Siegermächte diktierten harte Friedensbedingungen. Das Deutsche Reich verlor seine letzten Kolonien und auf dem Kontinent ein Siebtel seines Territoriums: An das neu entstehende Polen mussten Posen, Westpreußen und Grenzgebiete Hinterpommerns abgetreten werden, Elsass-Lothringen ging an Frankreich, das linke Rheinufer wurde (auf 15 Jahre befristet) besetzt, das Rheinland (50 km breiter Streifen rechts des Rheins) entmilitarisiert. Deutschland musste die allgemeine Wehrpflicht abschaffen und seine Heeresstärke von 400000 auf 100000 Mann reduzieren; die Marine wurde auf 15000 Mann begrenzt. U-Boote, Luftstreitkräfte und schwere Waffen durfte die Reichswehr nicht mehr besitzen. Auch 90 % der Handelsflotte musste abgetreten werden. Es mussten erhebliche Entschädigungsleistungen – Reparationen – in Form von Barzahlungen und Sachlieferungen geleistet werden.
Wie wurde die k.u.k. Monarchie zerschlagen?
Die Pariser Friedensverträge (Vorortverträge) von St. Germain (1919) und Trianon (1920) beseitigten die alte österreichisch-ungarische Habsburgermonarchie als Großmacht, indem sie Österreich zur selbständigen Bundesrepublik erklärten und verpflichteten, die volle Souveränität von Ungarn, Jugoslawien (Name ab 1929), Polen und der Tschechoslowakei anzuerkennen. Die Doppelmonarchie verlor weiterhin Galizien (an Polen), Südtirol, Istrien und Triest (an Italien), die Südsteiermark, Bosnien, Herzegowina, Kroatien, Slowenien und das westliche Banat (an das aus Serbien hervorgegangene Jugoslawien), das östliche Banat, Siebenbürgen und die Bukowina (an Rumänien). Böhmen, Mähren und das österreichische Schlesien bildeten die neue Tschechoslowakei.
Warum waren die neuen Staaten instabil?
Die neue europäische Staatenlandschaft sollte sich am Prinzip der nationalen Selbstbestimmung der Völker orientieren. Dies erwies sich aber vielfach als unvereinbar mit historisch gewachsenen gemischten Bevölkerungsstrukturen. Vor allem die neuen Staaten Ostmitteleuropas, der Sicherheitsgürtel zum bolschewistischen Russland, mussten sich zudem ihrer vormaligen Besitzer (Deutschland, Österreich, Ungarn, Russland) erwehren, die ihre Ansprüche auf diese Gebiete nicht aufgaben. In fast allen neu entstandenen Nationalstaaten Ostmittel- und Südosteuropas etablierte sich ein starker Nationalismus.
Was war die Aufgabe des Völkerbundes?
Der von den Siegerstaaten 1919 gegründete Völkerbund war ein demokratisches Gremium zur Schlichtung von Konflikten, zur internationalen Abrüstung und zur Wahrung des Weltfriedens. In den Nachkriegsjahren oblag dem Völkerbund etwa die Verwaltung oder Aufsicht über vormals deutsche Gebiete (Saargebiet, Oberschlesien, Danzig; ehemalige Kolonien). Daneben machte es sich der Völkerbund zur Aufgabe, nationale Minderheiten in den neuen Nationalstaaten zu schützen.
Der Völkerbund versagte allerdings, sobald Großmächte als Aggressoren auftraten, so etwa 1923, als Italien Korfu besetzte: Da sich zu jeder Zeit mindestens zwei Großmächte außerhalb des Völkerbunds befanden, ließ sich ein effektiver Wirtschaftsboykott im Grunde nicht verwirklichen. Und zur Durchsetzung militärischer Sanktionen fehlten die nötigen Druckmittel. In den 1930er Jahren verlor die Organisation an Bedeutung, Staaten begannen nun entgegen dem Völkerbundauftrag wieder aufzurüsten.
Sicherte der Versailler Vertrag langfristig den Frieden?
Nein, die geschichtliche Entwicklung hat das Gegenteil erwiesen. Schon am 26. März 1919 warnte der britische Premierminister David Lloyd George den französischen Ministerpräsidenten Georges Clemenceau eindringlich vor einer zu harten Bestrafung des als Hauptkriegsschuldner eingestuften Deutschland: »Sie mögen Deutschland seiner Kolonien berauben, seine Rüstungen zu einer bloßen Polizeimacht und seine Flotte zu einer Macht fünften Grades herabsetzen. Es ist schließlich alles gleich; wenn es sich im Frieden von 1919 ungerecht behandelt fühlt, wird es Mittel finden, um an seinen Besiegern Rache zu nehmen …«
Wussten Sie, dass …
der britische Nationalökonom John Maynard Keynes (1183–1946), der als Berater an den Vorgesprächen zum Versailler Vertrag beteiligt war, einer der schärfsten und hellsichtigsten Kritiker des Vertragswerks war? Keynes prophezeite, die Reparationszahlungen würden nicht nur den wirtschaftlichen Zusammenbruch Deutschlands bedeuten, sondern auch die »Zerrüttung der Weltwirtschaft« nach sich ziehen. 1936 lieferte er mit »Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes« einen radikal neuen Ansatz in der Wirtschaftstheorie und wurde zum Begründer des Keynesianismus.
Deutschland zwischen Kaiser- und NS-Reich: Die ungeliebte Republik
Warum kam es zur Ausrufung der Republik?
Vor dem Hintergrund des verlorenen Krieges und der Unzufriedenheit im Land hatte die alte Monarchie keine Chance mehr. Die äußeren Ereignisse befördeten das schnelle Ende des Kaiserreichs. Ende 1918 kam es zu einer Meuterei von Matrosen der Hochseeflotte, der noch Ende Oktober 1918 ein völlig sinnloser Einsatzbefehl gegen England erteilt worden war. Die Meuterei weitete sich zur Novemberrevolution aus. Die Meuterer bildeten revolutionäre Ausschüsse und die Bevölkerung verweigerte der Monarchie die Gefolgschaft.
Am 9. November wurde Kaiser Wilhelm II. zur Abdankung gezwungen und ging ins holländische Exil. Reichskanzler Prinz Max von Baden stürzte den Monarchen durch eine Pressemeldung über den angeblichen Rücktrittswillen des Kaisers und übertrug dem SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert das Amt des Reichskanzlers. Er versprach sich davon den Sieg der gemäßigten Kräfte – und vielleicht noch eine Chance für die Monarchie.
Um der bereits zum Regierungsviertel marschierenden radikalisierten Arbeiterschaft um den Spartakusbund-Führer Karl Liebknecht (1871–1919) zuvorzukommen, verkündete Philipp Scheidemann (SPD) ebenfalls am 9. November von der Terrasse des Reichstagsgebäudes aus die »Deutsche Republik«. Kurz darauf rief Liebknecht vor dem Berliner Schloss die »Freie sozialistische Republik Deutschland« aus.
Warum heißt es »Weimarer Republik«?
Die ersten demokratischen Wahlen im Januar 1919 gewann eine Koalition aus SPD, Zentrum und linksliberaler DDP mit zusammen 76% der Stimmen (Weimarer Koalition). Die mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung beauftragte Nationalversammlung tagte zwischen Februar und Ende Juli 1919 in der Klassikerstadt Weimar – daher Weimarer Republik.
Zuvor war es zu einem Machtkampf der gemäßigten und linksrevolutionären Kräfte gekommen. Friedrich Ebert setze sich durch – auch innerhalb der am 10. November von Berliner Arbeiter- und Soldatenräten gewählten Regierung, dem Rat der Volksbeauftragten, dem Sozialdemokraten und radikalere, für eine sozialistische Räterepublik eintretende Unabhängige Sozialdemokraten angehörten. Die USPD trat Ende Dezember aus der Regierung aus. Ebert ging ein Zweckbündnis mit dem Militär ein. Aufgrund dieses »Pakts mit den alten Mächten« wurde am 15. Januar 1919 in Berlin der Spartakusaufstand blutig niedergeschlagen und deren Anführer Rosa Luxemburg (1871–1919) und Karl Liebknecht ermordet.
Brachte die Weimarer Republik eine neue Staatsform?
Ja. Durch die am 11. August 1919 beschlossene Verfassung wurde Deutschland zur repräsentativen Demokratie, in der die wahlberechtigten Staatsbürger (Männer und Frauen über 20 Jahre) als Souverän den Reichstag und den Reichspräsidenten wählten und durch Volksentscheide direkt an der Gesetzgebung beteiligt wurden. Die vormaligen Einzelstaaten verloren als Länder ihre Souveränität und wurden dem Reich untergeordnet.
Wie kam es zur Krise in Deutschland?
Viele Menschen setzten die Republik mit der Niederlage Deutschlands gleich. Die Krise begann am 7. Mai 1919 mit der Bekanntgabe der Friedensbedingungen des Versailler Vertrags, der mit Gebietsabtretungen, Entwaffnung und Reparationsleistungen für Deutschland eine politische Demütigung darstellte. Die deutsche Regierung protestierte heftig. Reichsminister Philipp Scheidemann (SPD) beharrte auf wesentlichen Vertragsänderungen; die Unnachgiebigkeit der Alliierten und die unter dem Druck eines Ultimatums zustande gekommene Annahme des Vertrags durch die Nationalversammlung veranlassten seine Regierung am 20. Juni 1919 schließlich zum Rücktritt.
Was führte zum Erstarken der Nationalisten?
Die Wut über den Friedensvertrag gab nationalistischen und monarchistischen Kräften Auftrieb. Die Deutschen verweigerten ab Juni 1920 den republiktragenden Parteien SPD, Zentrum und DDP die regierungsfähige Mehrheit. Fortan kam es entweder zur Regierungsbeteiligung antidemokratischer Parteien oder aber zu Minderheitskabinetten. Häufige Regierungswechsel waren die Folge – durchschnittlich alle achteinhalb Monate!
Warum kam die Weimarer Republik nicht zur Ruhe?
Es mangelte an innen- wie außenpolitischer Stabilität. Unmittelbaren Einfluss auf die Innenpolitik hatten die Konflikte um die Reparationsforderungen der Alliierten und die Rolle der deutschen Politiker als »Erfüllungsgehilfen«. In diesem Zusammenhang sind der Putschversuch von Freikorpseinheiten unter den deutschnationalen Wolfgang Kapp und Walther von Lüttwitz (Kapp-Putsch) von 1920 sowie die Morde am Unterzeichner des Waffenstillstands, Matthias Erzberger (1921), und an Reichsaußenminister Walther Rathenau (1922) zu sehen. In diesen Fällen unterblieb eine Strafverfolgung der Täter. Nach nur neun Monaten Haft entlassen wurde der als Hochverräter verurteilte Adolf Hitler, der 1923 in München einen Putsch versucht hatte.
Aus Unzufriedenheit über die deutschen Reparationslieferungen besetzten im Januar 1923 belgische und französische Truppen das Ruhrgebiet. Die Reichsregierung rief zur Einstellung der Kohleförderung auf, musste dafür aber die besetzten Gebiete unterstützen und Kohle aus dem Ausland beziehen. Das Haushaltsdefizit wurde durch zusätzlich in Umlauf gebrachtes Geld ausgeglichen – wodurch es zu einer galoppierenden Inflation kam. Der Preis für ein Kilo Brot war von rund 80 Pfennig Ende 1919 über 250 Mark Anfang 1923 auf fast 400 Mrd. Mark im Dezember 1923 gestiegen.
Wie erreichte Stresemann innenpolitische Stabilität?
Reichskanzler Gustav Stresemann (1878 bis 1929) ergriff ab August 1923 mit einer großen Koalition unpopuläre Maßnahmen: Der passive Widerstand an der Ruhr wurde aufgegeben, separatistische Bestrebungen im Rheinland sowie Aufstände in Sachsen und Thüringen teils militärisch niedergeschlagen. Vor allem aber gelang die Bekämpfung der Inflation durch die Verhängung des Ausnahmezustands und durch eine Währungsreform; unter Reichswährungskommissar Hjalmar Schacht (1877–1970) wurde im November 1923 die Rentenmark aus der Taufe gehoben.
Im Kampf um die Reparationsbedingungen wurde 1924 durch eine Sachverständigenkommission (Dawes-Plan) erstmals eine Regelung gefunden, die für die deutsche Volkswirtschaft tragbar war (jährliche Zahlungen von 1,6 Mrd. Mark, ab 1928 von 2,4 Mrd. Mark) und die Wiederherstellung der Wirtschaft mit im Blick hatte. Eine wirtschaftliche Scheinblüte (Konjunktur auf Pump) setzte ein, bei der das deutsche Produktionsvolumen von 1924 bis 1929 um 50% anstieg und sich der allgemeine Lebensstandard verbesserte. Allerdings profitierte von dem Aufschwung nur der Außenhandel, nicht der Binnenmarkt.
Wo stand Deutschland außenpolitisch?
Schrittweise kehrte Deutschland auf die europäische Bühne zurück, wobei man sich zugleich ost- wie westwärts orientierte (Stresemann'sche Gleichgewichtspolitik): Den Anfang machte 1922 der Rapallo-Vertrag mit der Sowjetunion über gegenseitigen Verzicht auf Kriegsentschädigungen und die Aufnahme von Handelsbeziehungen. Das gute persönliche Verhältnis zwischen Außenminister Stresemann und seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand (Reg. 1925–1932) schuf die Voraussetzung für den deutsch-französisch-belgischen Sicherheitspakt, der die bestehenden gemeinsamen Grenzen garantieren sollte (Teil der Verträge von Locarno, 1925). Der Berliner Freundschafts- und Neutralitätsvertrag von 1926 mit der Sowjetunion verpflichtete beide Staaten zur Neutralität beim Angriff eines dritten Staates. Volle außenpolitische Handlungsfreiheit erlangte Deutschland aber erst im September 1926 durch die Aufnahme in den Völkerbund, die Vorgängerorganisation der UNO.
Was bedeutete die Weltwirtschaftskrise für die Weimarer Republik?
Der ohnehin instabile Staat geriet noch stärker ins Wanken. Der Young-Plan hatte 1929 die Gesamthöhe der Reparationen auf 116 Mrd. Mark festgelegt. Dann begann mit dem Schwarzen Freitag (25. Oktober 1929) an der New Yorker Börse die Weltwirtschaftskrise. Auf dem Höhepunkt der Krise setzte US-Präsident Herbert Clark Hoover (Reg. 1929–1933) einen einjährigen Zahlungsaufschub (Hoover-Moratorium) durch. Im Juli 1932 wurden die noch zu zahlenden Reparationen auf 3 Mrd. Rentenmark festgesetzt, im November 1934 wurden sie endgültig eingestellt. Die Arbeitslosigkeit stieg sprunghaft an: von 1,9 Mio. (Quote: 8,5%) 1929 auf 3 Mio. (14,0%) 1930 und weiter bis auf den Rekordstand von 5,6 Mio. (29,9%) 1932. Indessen nahm die interne politische Radikalisierung zu: Hatte Hitlers NSDAP bei den Reichstagswahlen von 1928 noch 2,6% der Stimmen errungen, so waren es 1930 18,3%, 1932 dann 37,3%.
Was behauptete die so genannte Dolchstoßlegende?
Bei der »Dolchstoßlegende« handelte es sich um eine perfide Diffamierung der demokratischen Kräfte und eine gezielte Verschleierung militärischer und politischer Unfähigkeit. Danach sei Deutschland im Ersten Weltkrieg nicht von auswärtigen Feinden besiegt worden, sondern »von hinten erdolcht« worden. Diese auf Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg (1847–1934) zurückgehende Legende sorgte für Schuldzuweisungen u. a. an linke Parteien, Pazifisten und Juden. Neben der Wut über den Friedensvertrag von Versailles, die nationalistischen und monarchistischen Kräften großen Auftrieb gab, wurde sie zur Grundlage für die rechtsgerichtete Agitation.
Wussten Sie, dass …
die Ablehnung des Versailler Vertrags quer durch alle Parteien ging? Die Kommunisten sprachen vom »räuberischen Friedensvertrag«, die Rechten vom »Schanddiktat von Versailles«.
Hitler 1929 sogar versuchte, mit einem (gescheiterten) Volksbegehren gegen die im Young-Plan festgelegten Reparationszahlungen vorzugehen?
die berühmten »goldenen Zwanziger« sich nur in Literatur, Musik, Kunst, Architektur und im neuen Medium Film manifestierten? Das Lebensgefühl der meisten Menschen in der ungeliebten Republik war eher weniger golden.
Welche außenpolitischen Erfolge erzielte Gustav Stresemann?
1918 gründete der am 10.5.1878 in Berlin geborene Stresemann die nationalliberale Deutsche Volkspartei (DVP), für die er 1919/20 Mitglied der Nationalversammlung und ab 1920 des Reichstags war. Als Außenminister (1923–1929) suchte er durch Annäherung an Frankreich die außenpolitische Isolation des Deutschen Reichs aufzubrechen. Dafür erhielt er 1926 zusammen mit Aristide Briand den Friedensnobelpreis.
Zu seinen außenpolitischen Erfolgen zählen die Unterzeichnung des Dawes-Plans (1924), des Locarno-Pakts (1925) und des Briand-Kellogg-Pakts (1928) sowie die Aufnahme Deutschlands in den Völkerbund (1926). Die von ihm angestrebte Revision des Versailler Vertrags im Rahmen eines kollektiven Sicherheitssystems scheiterte jedoch an der harten Position Frankreichs. Stresemann starb am 3.10.1929 in Berlin.
Wahlweise Staatszugehörigkeit?
Der Versailler Vertrag sah für einige von Deutschland und den Nachbarländern beanspruchte Regionen Volksabstimmungen über die staatliche Zugehörigkeit vor. Als Resultat der Abstimmungen von 1920 fiel Eupen-Malmédy an Belgien, während Nordschleswig zwischen Deutschland und Dänemark aufgeteilt wurde. Im südlichen Ostpreußen und in Westpreußen (Gebiet um Marienwerder) wurde dagegen ein nahezu einstimmiges Ergebnis für den Verbleib im Deutschen Reich erzielt. In Oberschlesien stimmten 59,5% der Bevölkerung für den Verbleib beim Deutschen Reich. Doch setzte der Völkerbund eine Teilung durch (1921/22); Kreise im Süden und Osten fielen an Polen. Im dem dem Völkerbund unterstellten Saargebiet sollte erst nach 15 Jahren eine entsprechende Volksabstimmung stattfinden.
Die Auflösung der Weimarer Republik: Politische Radikalisierung
Warum scheiterte die Weimarer Republik?
Verschiedene Faktoren, die die junge Republik erheblich belasteten, führten zum Scheitern der ersten deutschen Demokratie: 1. der Versailler Vertrag (»Schmachfrieden«) und die Locarno-Verträge, die von den Rechten als entscheidende propagandistische Kampfmittel gegen den Staat genutzt wurden; 2. Staatsverschuldung und steigende Arbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise (ab 1929); 3. der revolutionäre Übergang vom wilhelminischen Obrigkeitsstaat zur demokratischen Staatsform, die von nur wenigen Parteien und gesellschaftlichen Gruppen vorbehaltlos getragen wurde (»Republik ohne Republikaner«); 4. Schwachstellen in der Verfassung, die es ermöglichten, dass ab 1930 der politische Ausnahmezustand (Regieren durch Notverordnungen, Präsidialkabinette, Ausschaltung der Volksvertretung) zum Normalfall wurde.
Welche Auswirkungen hatte der Börsenkrach?
Die im Oktober 1929 mit dem Zusammenbruch der Aktienkurse an der New Yorker Börse einsetzende Weltwirtschaftskrise wirkte sich unmittelbar und drastisch auf Deutschland aus. Die deutsche Wirtschaft hing wesentlich von kurzfristigen US-Krediten ab, die von den einheimischen Banken für Unternehmen und Kommunen in langfristige Kredite umgewandelt wurden. Als nun die USA ihre Anleihen abzogen und gleichzeitig versuchten, Schutzzölle zu erheben, um die eigene Wirtschaft zu retten, brachen in Deutschland viele Geldinstitute zusammen.
Was waren die wirtschaftlichen Folgen?
Die Kaufkraft schwand und die Industrieproduktion ging rapide zurück (1932 auf die Hälfte des Stands von 1928), die Arbeitslosigkeit stieg noch einmal sprunghaft an. Verringerte Steuereinnahmen und steigende Soziallasten ließen gleichzeitig die Staatsverschuldung anwachsen. Die Arbeitslosenversicherung, die noch keine größeren Reserven hatte bilden können, konnte die Folgen der Dauerarbeitslosigkeit kaum auffangen.
Wie gewannen radikale Parteien an Einfluss?
Paramilitärische Organisationen der linken (Roter Frontkämpferbund) wie der rechten Parteien (Stahlhelm, SA) nutzten die Verunsicherung der Bevölkerung aus und versprachen neue persönliche und politische Perspektiven und erhielten starken Zulauf. Die KPD wurde zur Partei der Arbeitslosen, die NSDAP zur Partei der Unzufriedenen und bisherigen Nichtwähler. Während allerdings der Stimmanteil bei den Reichstagswahlen zwischen 1928 und Ende 1932 für die Kommunisten nur von 10,6 % auf 16,9 % anstieg, versiebenfachte er sich für die Nationalsozialisten bis 1930 (von 2,6 % auf 18,3 %), um sich dann 1932 noch einmal fast zu verdoppeln.
Wie schadete Hindenburg der Weimarer Republik?
1925 starb Reichspräsident Friedrich Ebert (SPD), ein überzeugter Republikaner. Sein Nachfolger wurde ein Vertreter der Kaiserzeit: der 77-jährige Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg. Eine fatale Entscheidung, da dieses Amt weit reichende Kompetenzen verlieh: Der Reichspräsident ernannte und entließ Reichskanzler und Reichsminister, konnte den Reichstag auflösen und mittels Notverordnungsrecht als »Diktator auf Zeit« Grundrechte außer Kraft setzen und den Ausnahmezustand ausrufen. Hindenburg machte davon seit dem Ende der großen Koalition unter Hermann Müller (SPD) im März 1930 Gebrauch. Danach gab es keine ans Parlament gebundenen Regierungen mehr, nur noch so genannte Präsidialkabinette. Diese wurden aufgrund der Notverordnungsvollmacht von Hindenburg ein- und nach Belieben wieder abgesetzt.
Welche Politik verfolgte der Zentrumspolitiker Brüning?
In der Innenpolitik konnte er die Arbeitslosigkeit nicht eindämmen, kam jedoch in der Außenpolitik einen entscheidenden Schritt weiter. Zwischen dem 30. März 1930 und dem 30. Mai 1932 stand der Zentrumspolitiker mit zwei unterschiedlichen Kabinetten in der Gunst des Reichspräsidenten. Brüning verfolgte einen extremen Sparkurs bei Löhnen, Gehältern und Sozialleistungen, was sich weiter negativ auf den Arbeitsmarkt auswirkte (erstmals über 6 Mio. Arbeitslose im Winter 1931/32). Allerdings erreichte er seine außenpolitischen Ziele: Ein alliierter Ausschuss stellte Ende 1931 die Zahlungsunfähigkeit des Reiches fest, das Ende der Reparationen wurde im Folgejahr in Lausanne beschlossen – zu einem Zeitpunkt, als Brüning schon nicht mehr Kanzler war. Die seit Februar 1932 in Genf tagende internationale Abrüstungskonferenz gestand Deutschland grundsätzlich Rüstungsgleichberechtigung zu. 1931 regierte Brüning mit 43 Notverordnungen, 1932 mit 19.
Was bestimmte die Regierung Papen?
Am 30. Mai 1932 wurde Brüning durch den gerade mithilfe von SPD, DDP und Zentrum wiedergewählten Reichspräsidenten Hindenburg entlassen und durch Franz von Papen ersetzt. Der konservative Papen trat mit einem adlig-agrarischen »Kabinett der Barone« an, das einen autoritären Staat errichten wollte. So wurde die unliebsame preußische Landesregierung unter Ministerpräsident Otto Braun (SPD) am 20. Juli in einem Staatsstreich abgesetzt (»Preußenschlag«). Papen ließ sich per Notverordnung zum Reichskommissar für Preußen ernennen. Die preußische Verwaltung und Polizei wurden der Reichsexekutive unterstellt. Die Profilierung Papens als starker Mann hatte keine reale Grundlage: Nach der Reichstagswahl vom 31. Juli 1932 hätte er gegen eine absolute Parlamentsmehrheit aus den antidemokratischen Parteien NSDAP und KPD regieren müssen. Nach einem Misstrauensvotum gegen sein Kabinett im September 1932 ließ er den Reichstag auflösen.
Welche Entwicklung brachte die Wahl 1932?
Der von schweren politischen Krawallen begleitete Wahlkampf zur Reichstagswahl am 6. November brachte leichte Verluste für die Nationalsozialisten und leichte Zugewinne für die KPD, die fortan eher die Auseinandersetzung mit der SPD als mit der NSDAP suchte. Papen liebäugelte nun auch mit einem Staatsstreich auf Reichsebene, fand dafür aber nur bei Hindenburg, nicht aber beim Reichswehrminister Kurt von Schleicher und den anderen Ministern Rückhalt. So ernannte Hindenburg Kurt von Schleicher zum Reichskanzler. Mit einem stark sozialpolitisch bestimmten Kurs zielte Schleicher auf Verständigung mit der SPD und den Gewerkschaften und (vergeblich) auf die Spaltung der NSDAP. Er konnte sich gerade einmal 55 Tage im Amt halten.
Wie gelangte Hitler an die Macht?
Bereits Anfang Januar 1933 beauftragte Hindenburg seinen »Lieblingskanzler« Papen, Sondierungsgespräche für eine mit parlamentarischer Rückendeckung arbeitende Regierung zu führen. Diese Gespräche fanden zunächst mit dem Medienzaren und DNVP-Vorsitzenden Alfred Hugenberg, dann ab dem 4. Januar 1933 mit Hitler statt. Wie schon früher bestand Hitler darauf, Reichskanzler zu werden. Hindenburg zögerte, ihm dieses Amt anzuvertrauen, tat es dann aber am 30. Januar 1933 unter dem Druck seiner Berater doch. Er hoffte auf eine Regierung der »nationalen Konzentration«, die in der Lage wäre, Hitler zu bremsen. Der neue Vizekanzler und Ministerpräsident von Preußen, Franz von Papen, unterlag einer fatalen Fehleinschätzung, als er unkte: »In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass er quietscht.«
Wie stieg die NSDAP zur »Volkspartei« auf?
Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) ging 1920 aus der Deutschen Arbeiterpartei hervor. Adolf Hitler machte sie als »Führer« binnen kurzer Zeit zur bedeutendsten rechtsradikalen Partei Bayerns und erstrebte die Machtübernahme in Berlin. Nach dem gescheiterten Putsch von 1923 verboten, gründete er die Partei 1925 neu, um seine Ziele »legal« zu erreichen. Der Durchbruch der Partei setzte 1929 mit der Weltwirtschaftskrise ein. Es gelang Hitler, die Masse der Unzufriedenen und Nichtwähler zu mobilisieren und im 1930 rund 6,4 Mio. Stimmen, zwei Jahre später gar 13,7 Mio. Stimmen auf sich zu vereinigen.
Wussten Sie, dass …
Reichspräsident Hindenburg als offiziellen Anlass für die Entlassung des Reichskanzlers Brüning dessen »Siedlungsbolschewismus« nannte? Das bezog sich auf seine angebliche Benachteiligung der tief verschuldeten ostelbischen Großgrundbesitzer durch seinen Plan, nicht sanierungsfähige Güter zwangsweise bei voller Entschädigung der Besitzer aufzuteilen. Auf Kritik stieß aber auch sein am 13. April durchgesetztes landesweites Verbot der paramilitärischen NSDAP-Organisationen SA und SS, das von seinem Nachfolger wieder rückgängig gemacht wurde.
Wussten Sie, dass …
Paul von Hindenburg Hitler oft als »böhmischen Gefreiten« bezeichnete? Der Reichspräsident hatte Hitlers Geburtsort Braunau am Inn in Österreich mit einem gleichnamigen Ort im nördlichen Böhmen verwechselt.
Wie nutzte Alfred Hugenberg seine Medienmacht für politische Zwecke?
Der am 19.6.1865 in Hannover geborene Jurist und Volkswirt war 1909–1918 Vorsitzender im Direktorium der Friedrich Krupp AG in Essen. 1916–1920 baute er ein Medienimperium aus Verlag, Nachrichten- und Korrespondenzdiensten, Filmgesellschaften und Zeitungsbeteiligungen auf, mit dem er einen beherrschenden Einfluss auf die rechtsgerichtete Presse gewann. Hugenberg war wesentlich an der Bildung der Harzburger Front zur Bündelung der nationalistischen Kräfte gegen das Kabinett Brüning (1931) beteiligt. 1920–1945 war er Mitglied des Reichstags, bis 1933 für die DNVP. Die Nationalsozialisten zwangen ihn zum Verkauf seines Pressekonzerns (1933–1935) und zur Verstaatlichung der 1927 erworbenen Ufa (1937). Hugenberg starb am 12.3.1951 in Kükenbruch.
Weltwirtschaftskrise: Die Welt gerät ins Taumeln
Wie kam es zum New Yorker Börsencrash?
Der Börsenkrach wurde durch wildes Spekulationsfieber ausgelöst, das zu einer völligen Überbewertung der Aktienwerte führte. Nach dem Ersten Weltkrieg waren die USA stärkste Wirtschaftsmacht der Welt. Unter den republikanischen Präsidenten Warren G. Harding (1921–1923) und Calvin Coolidge (1923–1929) kehrten die USA in den 1920er Jahren zum ungehemmten Wirtschaftsliberalismus zurück und erlebten einen ungeheuren Aufschwung, der zur Bezeichnung »Roaring Twenties« (Wilde Zwanziger) führte. Rationalisierungsmaßnahmen ließen die Preise sinken sowie die Realeinkommen und den allgemeinen Lebensstandard steigen.
Ein breites Spekulationsfieber setzte ein: Aktien wurden massenweise auf Kredit erworben. Mit der am tatsächlichen Bedarf vorbeigehenden Produktionsausweitung kam es zur Überproduktion und zu Aktienkursen, die nicht mehr die reale Situation in der Wirtschaft spiegelten. Mit der Neubewertung sanken die Aktienkurse und darauf folgende Massenverkäufe ließen die Wertpapiere zwischen dem 23. und 29. Oktober 1929 (mit dem größten Kurssturz am 25. Oktober, dem Schwarzen Freitag) an der New Yorker Börse ins Bodenlose fallen. Dabei büßten die Aktien bis zu 90% ihres Wertes ein. Die US-Wirtschaft brach zusammen, Banken und Unternehmen gingen in Konkurs, Millionen Amerikaner verloren ihre Ersparnisse. 1932 gab es in den USA 12 Mio. Arbeitslose, die Quote war 1929–1932 von 3,2% auf 23,6% gestiegen.
Warum breitete sich die Krise nach Europa aus?
Die Zahlungsunfähigkeit amerikanischer Großbanken und deren weltweite Kreditverbindungen machten die nationale Wirtschaftskrise schnell auch zu einer europäischen. Auslandskredite wurden gekündigt. Besonders verheerend wirkte sich die Krise auf Deutschland aus, wo der wirtschaftliche Aufschwung von 1924 bis 1929 wesentlich durch kurzfristige amerikanische Kredite finanziert worden war, welche die Banken vielfach langfristig weitergegeben hatten. Die Großbanken waren dabei in ihrer expansiven Kreditpolitik oft riskante Spekulationen mit Wertpapieren eingegangen, die nicht ausreichend durch Eigenkapital und liquide Mittel abgesichert waren.
Welche Maßnahmen wurden ergriffen?
In den meisten Staaten wurde zunächst versucht, der Krise durch wirtschaftlichen Nationalismus, protektionistische Maßnahmen wie Drosselung der Einfuhr, Steigerung der Ausfuhr und Beschränkung der Staatsausgaben (Ideal des ausgeglichenen Haushalts) beizukommen. So sollte eine zurückgefahrene Produktion wieder der vorhandenen Kaufkraft angeglichen und damit die Voraussetzungen für einen neuen Aufschwung geschaffen werden. Auch US-Präsident Herbert Clark Hoover (1929–1933) setzte auf diese Strategie.
Was war der New Deal?
Damit ist ein Reformprogramm gemeint, mit dem der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt (1933–1945) unter dem Schlagwort »New Deal« (Neue Vereinbarung) die Wirtschaftspolitik neu ausrichtete. Die wichtigsten Maßnahmen waren: 1. Konsolidierung der Börse und des Bankwesens durch staatliche Garantien zur Sicherung des Kreditsystems, 2. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen in Form von großen staatlichen Aufträgen, 3. staatliche Subventionszahlungen für den Abbau der landwirtschaftlichen Überproduktion, 4. Reorganisation der Industrie mit Regelung des Wettbewerbs durch Einführung von Mindestlöhnen, festen Arbeitsbedingungen und -zeiten, 5. sozialpolitische Maßnahmen wie Einführung einer Arbeitslosen- und Altersversicherung und freiwillige Arbeitsdienste.
Wussten Sie, dass …
die Weltwirtschaftskrise (Große Depression) traumatische Auswirkungen hatte? Von 1929 bis zum Tiefpunkt der Rezession 1932 sanken die weltweite Industrieproduktion um 62% und das Welthandelsvolumen um 25%.
der deutsche Warenexport, eine wichtige Säule der Wirtschaft, im selben Zeitraum von 13,5 Mrd. auf 5,7 Mrd. Reichsmark sank?
die Krise in manchen Ländern erst mit der militärischen Aufrüstung in der zweiten Hälfte der 1930er Jahre überwunden wurde?
Was besagt die Wirtschaftstheorie von John Maynard Keynes?
Der britische Nationalökonom vertrat die Meinung, dass der Staat die Wirtschaft durch Investitionen ankurbeln müsse. Bekannt wurde er durch Kritik am Versailler Vertrag: »Die wirtschaftlichen Folgen des Friedensvertrages« (Economic Consequences of the Peace, 1919). Mit der »Allgemeinen Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes« (The General Theory of Employment, Interest and Money, 1936) schrieb er ein grundlegendes Werk. Keynes war der Ansicht, die Leistungsfähigkeit des marktwirtschaftlichen Systems ließe sich nur dann erhalten, wenn der Staat die öffentlichen Ausgaben steigert. Dabei solle er in Krisensituationen auch vor Schulden nicht zurückschrecken (deficit spending). Die sich selbst überlassene freie Wirtschaft führe auf Dauer zu Unterbeschäftigung, da der Verbrauch nicht so schnell wachse wie das Einkommen: Es werde zwar mehr gespart, aber Nachfrage und Investitionen stagnierten.
Leben bei Roten Zwergen?
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News der Woche 14.06.2024
Der Beitrag News der Woche 14.06.2024 erschien zuerst auf wissenschaft.de.