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Ödipus von Sophokles: Kampf gegen ein vorbestimmtes Schicksal
Wie beginnt das Drama?
Der Titelheld von Sophokles' »König Ödipus« (vor 425 v. Chr.) wendet sich an das Orakel des Apollon in Delphi, um Theben von einer Seuche zu befreien. Es verspricht Rettung, wenn der Mörder von Ödipus' Vorgänger auf dem Thron, König Laios, gefunden würde. Der Seher Teiresias bezeichnet Ödipus selbst als den Täter, doch man schenkt ihm keinen Glauben. Zwei Orakelsprüche aus längst vergangener Zeit, an die man sich in Theben bald erinnert, bringen indes neue Indizien: So war Laios einst geweissagt worden, er würde von seinem eigenen Sohn erschlagen werden. Daraufhin hatte Laios seinen kleinen Sohn im Gebirge aussetzen lassen, wo er später angeblich von einer Räuberbande getötet wurde.
Wer war König Ödipus?
Ödipus war als Sohn des Königs Polybos am Hof von Korinth aufgewachsen, und ihm war prophezeit worden, er würde einmal seinen Vater töten und seine Mutter heiraten. Zutiefst erschüttert von diesem Orakelspruch und um dem tragischen Schicksal eines Vatermörders zu entgehen, hatte Ödipus Korinth verlassen. Auf seiner Wanderschaft geriet er an einem Scheideweg mit einem unbekannten Mann in Streit und tötete ihn im Zweikampf. Dann löste er das Rätsel der Sphinx, eines geflügelten Untiers, das die Stadt Theben bedrohte. Als Preis dafür gewann er die Hand der verwitweten thebanischen Königin Iokaste und wurde selbst König von Theben.
Wie bewahrheitet sich der Orakelspruch?
Als aus Korinth der Tod des Königs Polybos – seines vermeintlichen Vaters – gemeldet wurde, erfuhr Ödipus, dass er von diesem an Kindes statt angenommen worden war. Der Überbringer der Nachricht vom Tode Polybos' war derselbe, der einst das Kind des Laios aus Mitleid nicht getötet, sondern einem korinthischen Hirten übergeben hatte. Später war der Bote auch noch Zeuge der tödlichen Auseinandersetzung zwischen Ödipus und König Laios – dem unbekannten Mann am Scheideweg. So war Ödipus also tatsächlich zum Mörder seines Vaters und zum Gatten seiner Mutter, der Königin Iokaste, geworden. Als dies alles offenbar wurde, erhängte sich Iokaste und Ödipus stach sich die Augen aus.
Warum ist Ödipus ein moderner Charakter?
Bei Sophokles steht die Tragödie des isolierten, aus der Gemeinschaft ausbrechenden Individuums im Mittelpunkt. Sein Held agiert aus eigener Verantwortung gegen die Götter und wird dadurch, dass er versucht, sich seinem Schicksal zu entziehen, »schuldlos schuldig«. Ödipus wird so, im Konflikt zwischen Identitätssuche und Verdrängung, zwischen Erkenntnis und Verblendung, zum Modell für die Ambivalenz der menschlichen Existenz.
Gattungsgeschichtlich stehen die Dramen des Sophokles zwischen denen seines Vorbilds Aischylos und denen des jüngeren Euripides. Aischylos ist in seinem pathetisch-getragenen Duktus noch vom Vertrauen in das göttliche Walten und in die Einbindung des Einzelnen in den Geschlechterverband bestimmt. Euripides (um 480–406 v. Chr.) machte als Vertreter eines »säkulareren« Bewusstseins das Individuum mit seinen widersprüchlichen Leidenschaften zum Thema seiner Tragödien und wurde mehr noch als Sophokles zum Vorbild des modernen Dramas.
Was war das Neue an Sophokles' Drama?
Die wichtigsten dramaturgischen Neuerungen bei Sophokles bilden die Erweiterung des darstellerischen Spektrums durch die Einführung eines dritten Schauspielers und die Herauslösung der einzelnen Tragödie aus dem Zusammenhang der Trilogie (siehe Aischylos).
Wussten Sie, dass …
der Ödipusstoff, dem auch Aischylos und Euripides nicht erhaltene Tragödien widmeten, immer wieder variiert wurde, meist in Anlehnung an eine Fassung Senecas aus dem 1. Jahrhundert? Als Drama etwa von dem Aufklärer Voltaire (1718), als Oratorium von Igor Strawinsky (1927) oder als Filmadaption von Pier Paolo Pasolini (»Edipo Re«, 1967), der die Handlung in den unterentwickelten Süden Italiens verlegte.
nicht zuletzt durch Sigmund Freuds psychoanalytische Deutung des Mythos (»Ödipuskomplex«) dieses Drama noch im allgemeinen Bewusstsein verankert ist wie kaum eine andere antike Tragödie?
Wer war der künstlerische Ziehvater von Sophokles?
Nach eigenem Bekunden lernte er die dramatische Kunst von seinem älteren Zeitgenossen Aischylos. Sophokles (um 496–406 v. Chr.) war ein einflussreicher Politiker und vielfach ausgezeichneter Dramatiker im antiken Athen. 441–439 v. Chr. bekleidete er zusammen mit Perikles das Strategenamt, übte aber auch hohe Priesterämter aus. Zusammen mit Aischylos und Euripides bildete er in der Antike das illustre »Dreigestirn« der attischen Tragödie. Sophokles hat über 100 Bühnenwerke verfasst, von denen sieben erhalten sind. Sein »König Ödipus« (»Oidípous tyrannos«, vor 425 v. Chr.) wurde zum Urbild des analytischen Dramas, bei dem die entscheidenden Ereignisse bereits vor der einsetzenden Bühnenhandlung stattgefunden haben und »nur herausentwickelt« (Friedrich Schiller) werden.
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