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Weltreligion Christentum: Lebendiger Glaube in vielerlei Gestalt

Wie wurde das Christentum zu einer Weltreligion?

Durch meist gewaltsame Mission brachten Eroberer und Missionare das Christentum vom 15. bis 19. Jahrhundert nach Amerika, Afrika und Asien. Seit dem Ende der Kolonialzeit entwickeln sich diese so genannten jungen Kirchen eigenständig weiter. Dieser Prozess verdeutlicht, dass es eine große Stärke des Christentums ist, sich in vielfältigen kulturellen Zusammenhängen etablieren zu können.

Überall dort, wo die Ausbreitung des Christentums friedlich vor sich ging, versuchten die Missionare, die christliche Botschaft losgelöst von abendländischen Kulturmustern zu transportieren. So passte sich der Jesuit Matteo Ricci, der ab 1583 in China als Missionar wirkte, weitgehend den einheimischen Gepflogenheiten an. Er gestattete den Ahnenkult und trug statt seines Mönchsgewands die chinesische Gelehrtentracht. Ähnlich wie er missionierten Jesuiten in Indien und Japan.

Wie entwickelte sich die ökumenische Bewegung?

Das Zeitalter der Ökumene begann mit dem langsamen Rückgang der kolonialistischen Bestrebungen im 20. Jahrhundert. Auf der ersten ökumenischen Vollversammlung 1948 in Amsterdam wurde der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) gegründet. Mitglieder wurden protestantische und orthodoxe Kirchen aus aller Welt. Die römisch-katholische Kirche beharrte damals noch strikt auf ihrem Alleinvertretungsanspruch. In ihren Augen hatten alle Kirchen der Welt ursprünglich zur römisch-katholischen Kirche gehört und waren im Lauf der Zeit von ihr abgefallen. Heute schickt der Vatikan zumindest Beobachter zu den ökumenischen Versammlungen. Seit den 1960er Jahren kamen zunehmend die drängenden politischen und wirtschaftlichen Probleme auf die Agenda der ökumenischen Vollversammlungen.

Was besagt die Theologie der Befreiung?

Ihr Begründer, der peruanische Theologe Gustavo Gutiérrez, formulierte, wahre christliche Theologie sei »eine Reflektion, die zugleich vom Evangelium und von den Erfahrungen der Männer und Frauen ausgeht, die sich in diesem von Unterdrückung und Beraubung beherrschten lateinamerikanischen Kontinent dem Prozess der Befreiung verpflichtet haben.« Der Arme sei nicht nur »der Nächste par excellence«, so Gutiérrez, sondern im Armen begegne uns »Gott selbst«. Angeregt durch seine Ansichten, nahm die Kirche in Lateinamerika in großen Teilen einen bedeutsamen Perspektivwechsel vor. Die Armen wurden nicht mehr auf das Himmelreich vertröstet, wie es die katholische Kirche Lateinamerikas lange Zeit getan hatte.

Warum stieß die Befreiungstheologie auf Kritik?

Die Identifikation der christlichen Botschaft und ihrer Institution mit der sozialen Frage führte die Kirche nicht nur in Lateinamerika zwangsläufig in die Nähe marxistischer Befreiungsbewegungen. Dies wiederum löste bei anderen Christen Widerspruch aus. Sie warfen den Befreiungstheologen vor, ihr Glauben sei rein politischer Natur. Trotz dieser Widersprüche übt die Theologie der Befreiung bis heute einen großen Einfluss auch auf die Kirchen in Europa und Nordamerika aus. Hier diskutierten Theologen besonders die Fragen von Krieg und Frieden und die Konsequenzen der atomaren Hochrüstung.

Wo liegt die Zukunft des Christentums?

Von den Mitgliederzahlen und der gesellschaftlichen Bedeutung her gesehen verschiebt sich das Zentrum des Christentums mehr und mehr vom christlichen Abendland nach Lateinamerika, Afrika und Asien und der Einfluss der jungen Kirche in der Ökumene wächst beständig. Während die gesellschaftliche Verankerung der großen Kirchen in Europa und Nordamerika stagniert oder rückläufig ist, wachsen viele Kirchen in Afrika, Lateinamerika und Asien immer noch stark an. Die strikte Politisierung hat seit 1989 nachgelassen und spirituellen Bedürfnissen wird wieder mehr Raum gegeben. Mittlerweile kommen sogar Missionare aus Afrika, Lateinamerika und Asien nach Europa, um den säkularisierten und defensiv agierenden Kirchen der Alten Welt wieder auf die Beine zu helfen und neues Leben einzuhauchen.

Wussten Sie, dass …

das Christentum mit seinen vielen unterschiedlichen Ausprägungen auch heute noch die mitgliederstärkste Religion der Welt ist?

die Wandlungs- und Anpassungsfähigkeit des Christentums bereits in der Bibel angelegt ist? Der Apostel Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Korinther, er sei den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche geworden (1. Korinther 9,20).

Was ist der wahre Wesenskern der Missionierung?

Bischof Pagura aus Guatemala formulierte ihn 1974 so: »Missionar, wenn Du das ewige Wort Gottes nicht zu unterscheiden vermagst von den Formen der Kultur, in der Du aufgewachsen bist, geh nach Hause!

Wenn Du aber beginnst, Dich mit unseren Völkern zu freuen an der Freude, dass das Evangelium nicht nur eine weit entfernte Hoffnung ankündigt und zusichert, sondern eine Befreiung ankündigt, die bereits die Geschichte verändert, dann bleib!«

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