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Identität im Internet

Bei Facebook ist Stephanie Müller einfach nur Stephanie Müller. In einem Netzwerk für Handarbeiten heißt Stephanie Müller “Strickliesl“. Bei einer Online-Partnerbörse ist Stephanie Müller als “SexyMaus84“ zu finden. Drei Namen für dieselbe Person — und alle spiegeln unterschiedliche Seiten einer Persönlichkeit wieder. Das Internet und soziale Netzwerke ermöglichen es, in viele Rollen zu schlüpfen und Identitäten anzuziehen wie Kleidungsstücke.
Julia Räsch

Unsere Identität im Internet
Fotolia.com/michanolimit
Was ist eine digitale Identität?

 

Im Internet lesen Nutzer nicht nur Nachrichten oder schauen sich Videos an, sie mischen selbst mit: Sie legen sich Profile bei Facebook oder google+ an, kommentieren Artikel in Blogs und Foren. Sie laden Fotos ins Internet, um sie mit Freunden zu teilen. All das hinterlässt Spuren. Doch der digitale Fussabdruck umfasst noch weitere Daten: Dazu zählen Nutzerprofile auf Onlineshops oder die IP-Adresse des Computers, die auf jeder Seite hinterlassen wird, die der Nutzer besucht. Die Gesamtheit dieser Spuren bildet die Digitale Identität. Diese Digitale Identität ist nicht losgelöst vom einzelnen Menschen zu betrachten, sie ist ein Teil der gesamten Identität, sagt der deutsche Internet-Soziologe Stephan Humer: “Eine Trennung in dem Sinne: Ich bin ich und dann bin ich auch noch drei digitale Identitäten woanders, ist meines Erachtens nicht haltbar.“ 

 

Verändern Soziale Medien unsere Persönlichkeit?

Die digitale Revolution geht nicht spurlos an uns vorbei: Erste Hinforscher vertreten bereits die These, dass die Kommunikation im Internet das menschliche Gehirn verändert. Das Kurzzeitgedächtnis und die Reaktionsfähigkeit ist bei Vielsurfern und Online-Spielern demnach gewachsen. Langzeitgedächtnis und Konzentrationsfähigkeit scheinen Studien zufolge zugleich in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Was das über einen langen Zeitraum hinweg für Folgen haben kann, ist noch unklar. Die digitale Identität kann aber auch dabei hilfreich sein, sich selbst zu entdecken: Beim Ausfüllen eines Facebook-Profils werden die Nutzer ständig mit der Frage “Wer bin ich eigentlich?“ konfrontiert. 

 

Vertragen sich die Identitäten von Online- und Offline-Welt?

Im Alltag ist es nicht ungewöhnlich, verschiedene Rollen zu spielen: Man ist nicht der gleiche Mensch gegenüber seinem Partner wie gegenüber seinem Arbeitgeber. Diese Abgrenzung der einzelnen Persönlichkeiten verschwimmt in der Onlinewelt zusehends. In Sozialen Netzwerken kann jeder sehen, mit wem man befreundet ist. Diese scheinbar unwichtige Information reißt die Trennwände zwischen den verschiedenen Rollen ein. So weiß der Chef auf einmal, welche Filme seine Angestellten ansehen oder welche Musik sie hören. Einige Forscher glauben sogar, dass die unterschiedlichen Rollenmuster gänzlich überflüssig werden könnten. Es fehlen aber noch Normen und Regeln, wie der neue Spielraum gestaltet werden kann. “Allein die Frage, wie wir uns verhalten, wenn der Chef mit uns bei Facebook befreundet sein will, ist schwierig zu klären“, sagt Humer. “Auf Dauer brauchen wir mehr Orientierung. Aber das ist ein sehr langwieriger Prozess.“ 

 

Welche Gefahren sehen Experten?

“Wir werden in den nächsten Jahren viel mehr Fälle von sogenanntem Identitätsdiebstahl erleben“, sagt Humer. “Dabei werden Profile angelegt mit Namen von Personen, die damit nicht einverstanden waren.“ Betrüger nutzen Informationen, die sie im Internet über einen Menschen gesammelt haben, um über deren Kreditkarte einzukaufen oder in Onlineshops Bestellungen aufzugeben. Ein weiterer Punkt, den viele Experten besorgt beobachten: Daten, die erst einmal draußen sind, sind außer Kontrolle. Denn das Internet vergisst nicht. Nutzer wissen häufig nicht, dass eine unbedachte Äußerung ihnen später große Scherereien einbrocken kann. Darüber hinaus wird die digitale Welt komplexer und setzt immer mehr Kompetenz voraus. “Das führt dazu, dass es ein großes Gefälle: Es gibt Menschen, die mit damit sehr gut umgehen können und aus ihrer Identität - salopp gesagt - das Letzte rausholen“, sagt Humer. “Alle anderen fühlen sich häufig unter Druck gesetzt. Sie haben mehr damit zu tun, die Grundlagen zu erlernen, etwa dass es soziale Netzwerke gibt, in denen ich mich beruflich gut darstellen muss.“ Das sind Herausforderungen, die es so in der nicht-digitalen Welt nicht gab.  

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